Queerness in Fanfiction

Wieder einmal ist es Juni und damit Pride Month. Und während die großen Firmen jetzt für einen Monat lang Allyship heucheln, möchte ich hier wieder einmal inhaltlich über Queerness, Geschichte und Medien sprechen. Anfangen möchte ich mit einem Thema, mit dem ich mich aktuell wieder mehr beschäftige: Fanfiction.

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Fanfictions sind queer

Für Menschen, die sich bisher nie mit Fanfiction auseinander gesetzt haben, wird es vielleicht überraschend kommen, aber: Fanfictions sind überraschend queer – und allgemein überraschend divers. Und das hat seine Gründe. Doch bevor wir auf diese Gründe eingehen, lasst mich eine grundlegende Frage klären: Was sind eigentlich Fanfictions?

Und sicher, für viele ist es klar, doch ich möchte sicher stellen, dass wir alle auf derselben Page sind: Fanfictions sind Geschichten, die auf einem bereits etablierten Universum aufbauen und von Fans geschrieben wurden. Also Fiktion von Fans, wie der Name sagt. Das können Geschichten sein, die im Star Wars Universum spielen, das können Geschichten rund um Anime sein, das können Geschichten zu Harry Potter sein, zu Videospielen, zu … Nun, so ziemlich allem, was ihr euch denken können.

Diese Geschichten können im selben Universum spielen, wie das originale Werk, aber auch in einem komplett eigenen Universum – was sich dann AU, Alternate Universe nennt. Genau so kann es von den Seriencharakteren handeln oder von eigenen Figuren (auch OCs) genannt. Oder eine Mischung davon beinhalten.

Und ja, diese Geschichten, die häufig auf speziellen Webseiten zu finden sind, sind häufig sehr, sehr queer – und nicht selten auch kinky. Und genau deswegen ist es durchaus interessant, sich die Welt der Fanfiction einmal genauer anzuschauen.

Eine kurze Geschichte der Fanfiction

Auch wenn es seltsam klingt, aber: Queerness war schon immer ein Teil der Fanfictions – und deren Geschichte geht tatsächlich weiter zurück, als man glauben mag!

Frühgeschichte

Man kann lange darüber diskutieren, wann es eigentlich genau mit den Fanfictions angefangen hat. Immerhin haben die Leute bereits früh eigene Geschichten zu Mythen oder auch zur Bibel geschrieben. Und auch zu Shakespeares Werken gab es andere Werke, die darauf aufbauten – damals, vor Einführung des Urheberrechts sogar noch legal und mit Profit.

Als die Alphabetisierung zunahm, haben auch mehr Leute angefangen, entsprechend Geschichten zu Büchern zu schreiben, die ihnen gefallen haben. Zum Beispiel gab es zu Gullivers Reisen eine ganze Reihe von Geschichten, die Aspekte aus dem Buch aufgegriffen haben. Auch Samuel Richardsons Roman Pamela, der 1740 erschien, hat eine ganze Reihe von anderen Geschichten hervorgebracht – ein Teil davon wurde sogar als Buch veröffentlicht.

So richtig fing es jedoch am Ende des 19. Jahrhunderts an, mit einer kleinen Reihe von Geschichten, von denen ihr vielleicht gehört habt: Sherlock Holmes. Zu dem Zeitpunkt konnten bereits viele Leute lesen und schreiben und Sherlock Holmes wird weithin als das erste moderne „Fandom“ beschrieben. Hier trafen sich bereits Leute zu Conventions, hier wurden über eigene Zeitschriften Theorien ausgetauscht und, ja, hier wurden viele – sehr viele – Fanfictions geschrieben. Erneut: Auch hier teilweise noch offiziell veröffentlicht, da Urheberrecht es damals nicht verhinderte. Einige dieser Fanfictions waren sogar erfolgreich genug, um von einigen heutigen Fans als Teil des Canons angesehen zu werden und zum Beispiel Vorlage für einige Verfilmungen zu sein.

Gerade durch diese Entwicklung wurde der Begriff Fanfiction spätestens ab 1939 bereits verwendet – damals schon mit abschätzigen Beilaut.

Wichtig aber: Bereits einige dieser frühen Fanfictions hatten queere Themen. Seien es die Geschichten zu Gullivers Reisen, Pamela, was vor allem sehr viel Kink hervorgebracht hat, und natürlich Sherlock Holmes. Denn der queere Subtext dieser Reihe entging auch im 19. und frühen 20. Jahrhundert den Lesenden nicht.

Erklärung: Canon beschreibt in der Fanfiction Szene alles, was für das fragliche Franchise tatsächlich wahr ist. Das beinhaltet in der Regel das, was in Filmen/Büchern/Comics/Serie/Spielen passiert, teilweise aber auch Informationen aus ergänzenden Werken oder Kommentaren von Regisseur*innen/Produzent*innen.

To boldly go …

Anders gesagt: Fanfictions gibt es bereits sehr, sehr lange. Der Aufstieg von Fanfictions hatte allerdings mit zwei Dingen zu tun: Der weitere Anstieg der Alphabetisierung und die Zunahme von Popkultur. Und mit eben dieser Popkultur hängt auch die Entwicklung der modernen Fanfiction zusammen.

In den 1960er Jahren startete eine gewisse Fernsehserie, die ein sehr, sehr großes Fandom mit sich brachte: Star Trek. Um genau zu sein startete die originale Serie in 1966 und begeisterte viele Leute, nicht zuletzt wegen ihrer eher optimistischen Sicht der Zukunft. Genau das führte auch dazu, dass dieses Fandom – anders, als viele vorhergehende Science Fiction – auch Frauen ansprach und viele weibliche Fans hatte.

Und einige dieser Fans brachten dann auch Fanzines, also von Fans herausgegebene Fanmagazine, heraus. Das erste war Spockanalia, welches von zwei Frauen herausgegeben wurde. In diesen Fanzines wurden dann auch FanArts, Gedichte und Fanfictions veröffentlicht. Und, ja, auch damals interessierten sich viele Fans nicht zuletzt auch für Pairings, also romantische Beziehungen zwischen den Figuren. Allen voran ein queeres Paar. Denn das mit Abstand beliebteste Paar, das die meisten Fans, FanArts, Fanfics und eigene Fanzines hervorbrachte, war Spock/Kirk.

In genau diesem Zusammenhang wurden so viele Begriffe geboren, die in der heutigen Fanfictionwelt alltäglich sind: Slash (als Beschreibung von Pairings von zwei männlichen Figuren) und Mary Sue seien hier allen voran genannt.

Das Internet und die moderne Fanfiction Community

Für die längste Zeit waren Fanzines die einzige Möglichkeit, Fanfictions zu veröffentlichen – bis das Internet langsam an Halt gewann. Zuerst an den Universitäten, vermehrt aber auch in einfachen Haushalten wurde das Internet schnell ein Ort für Fandoms. Gerade Ende der 1990er, als vermehrt Haushalte an das Internet angeschlossen wurden. Hier fanden sich die Fans zusammen. Erst in Mailgruppen, bald aber schon auf Webseiten, die es erlaubten, Gruppen zu bilden, wie beispielsweise Livejournal und natürlich Fanfiction.net – der ersten Seite, speziell zum Posten von Fanfics.

Eins der größten Fandoms zur damaligen Zeit, war fraglos Harry Potter, das eine endlose Menge von Fanfictions produzierte – inklusive diverser queerer Geschichten, vor allem natürlich Slash. Hier wurde Harry mit allen möglichen Figuren gepaart, mit Draco Malfoy, mit Snape, mit Hermine, mit den Weasley Zwillingen, mit Tom Riddle … Die Liste ist quasi endlos. Wobei es natürlich nicht die einzigen Geschichten waren. Es gab Geschichten um die Rumtreiber (inklusive viel Slash) und es gab viele Geschichten über eigene Schüler*innen auf Hogwarts. Und natürlich sei hier angemerkt: Harry Potter ist problematisch, J. K. Rowling ist transfeindlich, aber man kann nicht über Fanfiction reden ohne dieses Fandom zu erwähnen, dass so prägend für die entstehende Online Fanfictionszene der Jahrtausendwende war.

Natürlich gab es auch eine ganze Vielzahl von anderen Fandoms. Zum Beispiel zu verschiedenen Anime, die gerade en masse in den Westen kamen, zu Videospielen, zu Cartoons und diversen Büchern. Auch Herr der Ringe brachte eine ganze Reihe Fanfictions hervor.

Zur damaligen Zeit bildeten sich dann auch eigene deutsche Seiten für Fanfictions. Zum Beispiel Animexx in 2001, das aus einem Sailor Moon Fanfictionarchiv hervorging, und Fanfiktion.de, als eine deutsche Version zu Fanfiction.net.

Seither hat sich Fandom und Fanfiction natürlich weiterentwickelt. Schließlich hat sich auch das Internet weiterentwickelt. Es haben sich neue Fandoms entwickelt und einige alte Fandoms sind größtenteils gestorben. Im Englischen ist mittlerweile Ao3 (Archive of Our Own) das größte Fanfictionarchiv und hat dafür auch einen Hugo-Award gewonnen. Doch ein paar Dinge haben sich sehr geändert.

Wer Fanfictions liest und schreibt

An dieser Stelle mag man sich vielleicht fragen: Wer sind eigentlich diese Leute, die Stunden um Stunden darein stecken, Geschichten teilweise in Romanlänge zu schreiben, ohne je auch nur einen Cent dafür zu sehen? Nun, zum Glück haben die beiden großen englischen Plattformen – also Fanfiction.net und Ao3 – eigene Studien dazu gemacht.

Was natürlich nicht überraschend ist: Bei beiden Webseiten sind die meisten Nutzer*innen aus Nordamerika. Die Webseiten sind in erster Linie Englisch und die meisten englischsprachigen Menschen leben nun einmal in Nordamerika. Das ist etwa so überraschend, wie dass die meisten Nutzer*innen von Animexx und Fanfiktion.de aus Deutschland kommen.

Bei einer Studie der Fanfiction.net Nutzer*innen in 2010 kam heraus, dass 78% der Nutzer*innen, die ihr Geschlecht angaben, weiblich waren, dagegen 12% männlich. Nicht-binäre Menschen wurden nicht erfasst. 80% der Nutzer*innen waren 13-17 alt, mit einem Durchschnittsalter von 15. Die Sexualität wurde damals nicht mit erfasst.

Anders bei einer Studie, die 2020 auf Ao3 durchgeführt wurde. Diese wurde durch eine Umfrage durchgeführt – weswegen nicht alle Nutzer*innen, sondern nur etwa 12 000 berücksichtigt wurden. Hierbei kam heraus: Der Altersdurchschnitt hier ist bei 25 Jahren. Bei der Umfrage zum Geschlecht wurden nicht-binäre Menschen berücksichtigt. Das Ergebnis: 80% der Nutzer*innen identifiziert sich als weiblich, 16% sich als nicht-binär und nur 4% als männlich. Auch wurde hier die Sexualität abgefragt. Das Ergebnis: 29% identifizierten sich als heterosexuell, 35% als bi- oder pansexuell, 5% als homosexuell, 9% als asexuell und die verbleibenden Menschen irgendwo anders auf dem Spektrum.

Warum eigentlich Fanfiction?

Es gibt viele Gründe, warum Leute Fanfictions schreiben. Zum Beispiel sind die Leute mit dem Ende einer Serie nicht einverstanden, eine Serie/Reihe wurde abgebrochen und man möchte ein Ende, man hat eine Fortsetzung im Kopf oder ein Spin-Off mit bestimmten Nebenfiguren, man möchte eine eigene Figur ausdenken oder eine Geschichte hat einen langen Hiatus, in der auf einen neuen Film, ein neues Buch oder eine neue Staffel gewartet wird.

Allerdings seien wir sehr ehrlich: Die meisten Fanfictions werden geschrieben, weil man etwas zu seinem OTP schreiben möchte. Zur Erklärung: OTP ist kurz für „One True Pair“ und beschreibt das Lieblingspaar, das ein Fan hat. Natürlich gibt es das auch in polyamoren Versionen, als OT3 (One True Throuple) und OT4. Nicht selten sind die Pairings am Ende eben queer – seien sie Slash oder Femslash oder Polyamorös, was immer mit irgendwelchen gleichgeschlechtlichen Paarungen einher geht.

Nicht selten ist es so, dass eben diese OTPs (oder OT3s) in der Serie nicht zum Canon werden. Schließlich waren queere Paare lange Zeit praktisch nie kanonisch und werden nur (über Queerbaiting) angedeutet, ohne aber eben letzten Endes Endgame zu sein. Und genau hier kommen Fanfiction-Autor*innen rein, die dies gerne ändern.

Fanfiction und Queerness

Was sich an dieser Stelle deutlich sagen lässt: Ja, Queerness und Fanfictions hängen schon lange miteinander zusammen. Praktisch seit der Geburtsstunde der modernen Fanfiction waren viele dieser Fanfictions immer schon queer – und viele der Autor*innen sind queere Frauen. Aber zumindest heutzutage schreiben auch viele trans Menschen und speziell auch nicht-binäre Menschen Fanfictions. Dies spiegelt sich übrigens auch immer wieder in den Fanfictions wieder, bei denen es vermehrt „Aber was, wenn dieser Charakter trans ist?“ Geschichten gibt.

Vor allem aber Homo- und Bisexualität spielen immer wieder eine Rolle in Fanfictions und tun das schon seit über 100 Jahren. Vor allem, das muss klar gesagt werden, männliche Homosexualität spielt immer wieder eine Rolle. Und ja, hierbei kann man teilweise über Fetischisierung sprechen – doch häufig ist es auch darin begründet, dass in vielen Geschichten es mehr männliche als weibliche Figuren sind und diese auch weiter ausgearbeitet sind. Eben, weil so lange gerade visuelle Medien vor allem von Männern gemacht wurde, etwas, dass sich auch jetzt nur sehr, sehr langsam ändert.

Schauen wir uns ein paar Fandoms an und gehen hierbei nach Ao3, da die Seite dahingehend am besten sortiert ist. In einem meiner klassischen Fandoms – Digimon Adventure – ist das am häufigsten geschriebene Pairing Taichi/Yamato, selbst wenn danach ein Heteropairing (Takeru/Hikari) kommt. So sehr ich es auch hasse, Harry Potter als Beispiel zu nehmen: Es ist eins der größten Fandoms. Hier sind sowohl das häufigste (Harry/Draco), als auch das zweithäufigste Pairing (Sirius/Lupin) schwul. Genau so sieht es bei Star Trek aus (Kirk/Spock) oder bei Herr der Ringe (Frodo/Sam) oder beim MCU (Bucky/Steve) oder oder oder.

Und ja, natürlich gibt es auch ein paar Fandoms, die vermehrt hetero sind – meistens dann, wenn sie auch ausgearbeitete weibliche Figuren haben. So ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass bei Star Wars aktuell die neuen Star Wars Filme mit Kylo/Rei dominieren.

Safe Spaces

Was an dieser Stelle wichtig ist, ist zu verstehen, dass Fandoms und speziell die Fanfiction Community einen Safe Space für viele junge Queers darstellt. Denn Fanfictions (und Fandoms allgemein) bieten – weit mehr als eigene Geschichten – eine Möglichkeit seine eigenen Einstellungen zu Beziehungen, Geschlecht und Sexualität auszuprobieren. Dies liegt zum einen daran, dass kein Druck dabei ist, irgendwelchen Ansprüchen von Verlagen gerecht zu werden, weshalb man einfach schreiben kann, was einem selbst gefällt. Zum anderen spielen aber auch andere Faktoren eine Rolle.

Das fängt schon damit an, dass man Fanfictions meistens sehr anonym veröffentlicht. Allgemein: In Fandoms ist man schnell anonym. Man kann sich bspw. auch als ein anderes Geschlecht als das, was einem bei Geburt zugeordnet wurde, präsentieren, sich darüber ausprobieren. Auch in den Geschichten kann man es ohne großen Druck ausprobieren, kann sich in männliche Rollen oder weiblichen versetzen. Und niemand kommt an und beschwert sich über „Wokeness“, wenn man Geschichten über queere Inhalte schreibt. Nein, auch dann nicht, wenn Charaktere trans gemacht werden, die es im Canon nicht sind.

Genau letzteres spielt eben mit darein, dass Fanfictions und Fandoms allgemein so unglaublich wichtig für junge queere Menschen sind. Auch die Tatsache, dass es einen geringeren Druck gibt, bestimmten Arten des Aufbaus zu schreiben oder überhaupt einen Plot zu haben. Man kann sich einfach ausprobieren. Das ist übrigens nicht nur wichtig für Queers, sondern häufig auch für angehende Autor*innen.

Von Literatur und Fanfiction

Und das bringt uns zu einem anderen großen Thema, das auch sehr leidlich ist. Dies ist die viel diskutierte Frage: Ist Fanfiction Literatur?

Ja. Die Antwort ist ja. Zu behaupten, dass die Antwort „nein“ wäre, setzt voraus, dass man irgendwelche objektiven Merkmale festlegen könnte, was Literatur ist und was nicht – also darüber hinaus, dass es sich dabei um geschriebene Werke handelt. An der Qualität kann es nämlich nicht liegen. Denn für jede schlechte Fanfic kann ich euch ein veröffentlichtes Buch mit ähnlicher Qualität zeigen. Und für jeden literarischen Klassiker, gibt es mindestens eine geniale Fanfic.

Allerdings ist es eben ein übliches Problem: Fanfictions werden häufig in der Literaturbranche belächelt. Natürlich, man darf sie aktuell nicht gewinnbringend veröffentlichen – das verhindert das Urheberrecht – aber das macht sie nicht zu minderwertiger Literatur. Leider ist der Begriff Fanfiction genau dazu entwickelt worden: Um es abzuwerten. Damals kam der Begriff aus der SciFi Szene, um „pro fiction“ von „fan fiction“ zu unterscheiden.

Und natürlich ist es kein Zufall, dass eine Kunstform, die in erster Linie von Frauen, nicht-binären und allgemein queeren Menschen abgewertet und belächelt wird. Genau so, wie auch weiterhin häufig auch in Buchform veröffentlichte Literatur aus diesen Gruppen abgewertet wird …

Ist die deutsche Fanfiction tot?

Leider gibt es aktuell ein gewisses Problem in Bezug auf Fanfictions in Deutschland – nämlich die Tatsache, dass die deutsche Fanfiction ziemlich tot zu sein scheint. Auf Animexx werden nur noch wenige Fanfictions veröffentlicht, häufig nicht mehr als 10 bis 20 am Tag. Während ich für Fanfiktion.de keine genauen Zahlen habe, scheint es auch da sehr wenig zu sein – jedenfalls im Vergleich zu früher. Andere deutsche Seiten zum freien Veröffentlichen von Geschichten, wie beispielsweise Belletristica, haben kaum Fanfictions in ihren Katalog und auch kaum Menschen, die Fanfictions lesen.

Wie es dazu gekommen ist, ist schwer zu sagen. Ich denke, das grundlegende Problem ist folgendes: Die meisten Autor*innen, die zwischen 2000 und 2010 geschrieben haben, sind erwachsen geworden und haben nach und nach weniger Zeit zum Fanfiction schreiben und lesen gefunden. Mit neuen Fandoms haben sie gar nicht erst angefangen. Derweil sind jüngere Autor*innen in der Rolle, dass sie die alten Fandoms kaum kennen, es aber für ihre neuen Fandoms keine Leser*innen gibt. Die Tatsache, dass sowohl Animexx, als auch Fanfiktion.de von ihrem Design her lang schon veraltet sind, tut wohl ihr übriges.

Leider ist eine Sache, die sich daraus entwickelt hat, auch, dass viele Fandoms entqueert wurden. Fandoms wie Digimon, die früher einmal mehrheitlich queer waren, sind lang schon in der Heteromonotonie verschwunden. Während man viele kritische Sachen über die Boys Love (also Slash) Fanfics, die vor 10 Jahren so hochgeladen wurden sagen kann, ist es doch sehr schade, dass die Entwicklung statt zu besserem Slash offenbar zu hetero gegangen ist.

Während im Englischen mit Ao3 eine wunderbare Plattform besteht, die weiterhin Fanfictions am leben erhält, gibt es so etwas auf deutsch leider nicht. Und sowohl junge Autor*innen, als auch junge Queers sind in meinen Augen deswegen umso ärmer.

Fazit

Fanfictions gibt es schon lange. Technisch gesehen wahrscheinlich so lange, wie Menschen Geschichten erzählen. So richtig entwickelt hat sich das Thema allerdings im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts, als mehr Leute Geschichten gelesen haben und mehr Leute schreiben lernten. So war es nicht zuletzt Sherlock Holmes, das als erstes ein richtiges Fandom – inklusive Fanfictions hervorgebracht haben. Einige davon sind sogar veröffentlicht worden. So richtig groß wurden Fanfictions allerdings dann mit Star Trek in den 1960ern und 1970ern, und direkt von diesem Zeitpunkt an waren Fanfictions queer!

Tatsächlich lässt sich über Fanfiction Autor*innen sagen: Die meisten von ihnen sind weiblich und queer. Natürlich ist es dabei dennoch so, dass Fanfictions sich häufig um die Geschichten von homosexuellen männlichen Charakteren drehen. Dies liegt nicht zuletzt aber daran, dass es mehr Fandoms gibt, deren offizielle Geschichten durch männliche Figuren dominiert werden, während weibliche Figuren eher selten und wenn oftmals schlecht ausgearbeitet sind. Entsprechend werden sich Beziehungen zwischen Männern ausgemalt. Das dies die Ursache ist, zeigt sich auch in Fandoms, die gut ausgearbeitete weibliche Figuren haben – hier sind Pairings mit Frauen häufig.

In diesem Kontext sind Fanfictions und Fandoms häufig ein Safe Space für junge queere Menschen, wo sie in der Sicherheit der Anonymität ihre eigene Sexualität und ihr Gender ausprobieren können.

Umso trauriger ist es, dass leider im deutschen Raum aktuell keine vernünftige Fanfiction Webseite besteht. Die alten Seiten – Animexx und Fanfiktion.de – sind leider größtenteils tot. Eine neue Alternative gerade für junge Fanfiction-Autor*innen gibt es im deutschen Raum bisher nicht. (Also ran!)

Meine eigenen Fanfictions könnt ihr übrigens auf Ao3 und (ältere Sachen) Animexx lesen!


Das Beitragsbild stammt von Unsplash.