Solarpunk-Weltenbau: Die Ernährung der Zukunft

Natürlich hat es einen Grund, dass ich vor zwei Wochen über die Dekolonialisierung der Ernährung gesprochen habe: Heute werden wir über Ernährung im Kontext von Solarpunk sprechen – was natürlich auch bedeutet, dass wir darüber sprechen, wie wir im realen Leben unseren Umgang mit Lebensmitteln verbessern können.

Ernährung ist wichtig

Ich denke über ein Thema müssen wir uns nicht streiten: Ernährung ist wichtig. Natürlich ist sie das. Nicht nur, dass wir ohne Nahrung sterben würden. Mehr noch: Ernähren wir uns nicht richtig, werden wir krank. Wir brauchen bestimmte Nährstoffe. Nicht nur Proteine und Kohlenhydrate, sondern auch Vitamine und Mineralstoffe. Gleichzeitig gibt es Stoffe, die uns krank machen, nehmen wir zu viele von ihnen zu uns kann dies negative Effekte auf uns haben.

Allerdings ist die tatsächliche Lebenswichtigkeit von Ernährung nicht das Einzige, was sie so wichtigmacht. Denn wie im letzten Beitrag ausgelegt: Ernährung und Kultur sind unglaublich wichtig für einander. Genau deswegen wurde Ernährung so häufig als politisches Mittel verwendet. Ja, die politische Wichtigkeit geht sogar darüber hinaus.

Denn es gibt auch eine lange Diskussion darüber, wie Geschichte verschiedener Länder von der Verfügbarkeit von bestimmten Nahrungsmitteln geprägt wurde. So gibt es beispielsweise Argumente dafür, dass Europas Rolle in der Weltgeschichte letzten Endes durch die Ressourcen – vor allem in Bezug auf Lebensmittel – geprägt wurde.

Auch aktuell spielt Ernährung gesellschaftlich selbst außerhalb von kolonialen Ideen aktuell eine Rolle. Denn die Zugänglichkeit von Lebensmitteln und vor allem auch gesunden Lebensmitteln ist eine Waffe, die im Klassenkampf von der Oberschicht gegen den Rest der Bevölkerung verwendet wird. (Siehe auch die aktuelle Inflation und die Diskussion rund um die Tafeln.)

Was aktuell falsch läuft

Aktuell läuft in Bezug auf unseren Umgang mit der Ernährung einiges falsch. Und entgegen dem, was einige Leute online euch erzählen wollen, sind dies in erster Linie systemische Probleme – nicht individuelle. Wie bei vielen systemischen Problemen kann man als Individuum viel Energie darauf verwenden, um diesen zumindest für sich selbst entgegen zu wirken – doch das macht das Problem nicht weniger systematisch.

Lebensmittelproduktion

Es ist schwer kurz zu fassen, was alles in der Lebensmittelproduktion falsch läuft. Deswegen behalte ich es mir hier vor, einmal eine Liste zu machen, statt alles auszuformulieren.

  • Die Lebensmittelproduktion ist von der Aussaat bis zur Verpackung gänzlich industrialisiert und darauf ausgelegt so viel wie möglich so produzieren, um den größtmöglichen Gewinn zu machen.
  • Diesen Gewinn machen weder die Bäuer*innen, noch die Arbeitenden, die an der Produktion beteiligt sind und häufig für absolute Hungerlöhne und unter furchtbaren Arbeitsbedingungen, die teilweise an Sklaverei erinnern, schuften müssen.
  • Diverse Unternehmen, wie beispielsweise Monsanto (also Bayer) haben für bestimmte Dinge wie Saatgut und Dünger Monopole und setzen diese mit Gewalt durch.
  • Durch die Überproduktion wird eine Menge der Lebensmittel weggeschmissen und vernichtet, während Hunger ein Weltweit großes Problem ist.
  • Häufig werden Zusatzstoffe dem Essen hinzugesetzt, die gesundheitsschädlich sind.
  • Teilweise dienen diese Zusatzstoffe dem expliziten Ziel den Verbraucher von bestimmten Produkten abhängig zu machen.
  • Die Industrie ist teilweise sehr undurchsichtig, weshalb Skandale (Stichwort Gammelfleischskandal) erst viel zu spät ans Licht kommen.
  • Die Fleischindustrie geht automatisch mit Tierquälerei einher. Dasselbe gilt für die Industrie rund um andere tierische Produkte.
  • Die Fischereiindustrie ist aktuell für einen Großteil der Meeresverschmutzung verantwortlich, überfischt und zerstört mit vielen Aspekten die Meere. Auch benutzt sie tatsächliche Sklavenarbeit – entführte Menschen, die nicht für ihre Arbeit bezahlt werden.
  • Aufgrund von Monokulturen ist die Produktion teilweise sehr anfällig für Ausfälle aufgrund wechselnder Wetterbedingungen oder Parasitenbefall. Auch entzieht die aktuelle Produktion von Lebensmitteln dem Boden Nährstoffe, die dann mithilfe von Dünger aufgefüllt werden – während diese Düngemittel sich jedoch negativ auf die Umwelt auswirken.

Preise und Qualität

Gerade zur Zeit der aktuellen Inflation müssen wir wohl kaum darüber sprechen, dass Lebensmittel zu teuer sind. Genau so wie Unterkunft, Wärme, Kleidung, Wasser und Strom sollte Nahrung allen Menschen ungeachtet ihres Einkommens zur Verfügung stehen – doch dies ist aktuell nicht der Fall. Denn lieber werden Lebensmittel weggeworfen, als dass man sie an andere Menschen abgibt. Vom aktuellen Hartz-IV-Satz lassen sich die gestiegenen Preise für Lebensmittel (noch für Miete oder Energie) praktisch nicht bezahlen. Vom Mindestlohn erst recht nicht. Schon gar nicht, wenn man nicht nur sich selbst, sondern auch eine Familie ernähren muss.

Dies gilt noch einmal doppelt, wenn man qualitativ hochwertiges Essen haben möchte. Denn dieses ist für wenig Geld einfach nicht zu haben. Meistens endet man auf gefrorenem Essen, billigem Fleisch (was auch mit schlechten Haltungsbedingungen einhergeht) oder gleich Fertigprodukten. Es ist schlicht und ergreifend bezahlbarer, als qualitativ hochwertiges Essen – zumal noch ein anderes Problem dazu kommt…

Unser Bezug zum Essen

Wir als Gesellschaft haben ein riesiges Problem mit unserem Verhältnis zum Essen. Und ja, auch dies ist ein systemisches Problem, kein individuelles. Dadurch das die Produktion von Nahrungsmitteln in einer Blackbox der Lebensmittelindustrie stattfindet, wurden wir als Gesellschaft komplett von dieser abgegrenzt. Viele Menschen wissen nicht wirklich, wie Lebensmittel angebaut und hergestellt werden. Auch wer Fleisch konsumiert, denkt nicht mehr über das Tier nach, von dem dieses stimmt. Weil wir in unserer Gesellschaft damit einfach nicht mehr in Kontakt kommen.

Wer Zeit hat, der kocht eventuell noch selbst. Doch Zeit ist hier das große Thema. Denn wir leben in einer Form des Kapitalismus, in der viele Menschen für die Arbeit 9 Stunden und mehr außer Haus und haben danach einfach nicht mehr die Zeit oder die physischen und psychischen Ressourcen ein vernünftiges Essen zuzubereiten. Deswegen wird rasch zur Bestellung oder zum Fertigprodukt gegriffen. Das ist kein individuelles Versagen, sondern ein Fehler im System.

Durch die beständige Ermüdung fehlt uns häufig auch der soziale Aspekt des Essens. Denn Essen als etwas, das wir in einer Gemeinschaft tun, fehlt ebenfalls häufig – denn selbst im Kontext einer Familie fehlt vielen Zeit und Energie, dies zu tun.

Das Essen etwas ist, was in vielen Fällen nur noch zur Sättigung zu sich genommen ist. Sämtliche kulturelle Aspekte des Essens sind verloren gegangen.

Agrarkultur ohne Kapitalismus

Wir haben bereits letzten Monat etabliert: Kapitalismus und Solarpunk gehen nicht unter einen Hut. Wir können keine Solarpunk-Welt unter Kapitalismus haben, denn auch der zentrale Aspekt von Solarpunk – das umsteigen auf nachhaltige Energie – kann nicht unter Kapitalismus stattfinden, da die Ziele des Kapitalismus mit diesen nicht einher gehen. Entsprechend müssen wir auch, wenn wir Agrarkultur im Solarpunk denken, Agrarkultur ohne Kapitalismus denken.

Dies ist erstaunlich schwer, weil moderne Agrarkultur, wie wir sie im „Westen“ erleben, ist von der Aussaat bis zum Supermarktregal vom Kapitalismus geprägt. Doch eine Sache würde mit dieser Umstellung sehr deutlich einher gehen: Das, was wir heute als die Lebensmittelindustrie kennen, würde nicht länger dazu dienen, einen Profit zu generieren, sondern würde ohne Kapitalismus dazu dienen, so viele Menschen wie möglich so gut wie möglich zu ernähren.

Entgegen den Behauptungen von Ökofaschisten ist es durchaus aktuell noch problemlos möglich, die Weltbevölkerung wie sie ist, von den Ressourcen, die wir haben, zu ernähren. Es müssten nur Agrarprodukte gerecht verteilt werden. (Da Ressourcen an Klimazonen gebunden sind, lassen diese sich nicht komplett verteilen! Es ist hier wichtig, dass auch ohne Gewinnabsicht länderübergreifend gehandelt und versorgt wird.)

Agrarmethoden, die aktuell zur Profiterhöhung dienen (wie Monokulturen, Überdüngung oder Massentierhaltung) würden abgeschafft werden, um die Agrarkultur stattdessen nachhaltige zu gestalten. Was auch mehr Vielseitigkeit in den Nahrungsmitteln bedeuten würde, da eben nicht nur das Essen mit den optimalen Profitabsätzen produziert werden würde.

Von allen für alle

Im Solarpunk gibt es zwei Aspekte, die wir an dieser Stelle nicht übergehen sollten. Nicht zuletzt, da sie beide indigenen Kulturen und indigenem Aktivismus entstanden: Der Gemeinschaftsgarten (Community Garden) und der Essenswald (Food Forest). Die Konzepte sind recht einfach. Statt die Lebensmittelproduktion komplett von den Orten, an denen Menschen leben, zu trennen, würden diese auch zusammengezogen werden. Über Gemeinschaftsgärten, die von allen Menschen in einem bestimmten Gebiet (vielleicht ein Häuserblock oder ähnliches) betreut werden, und etwas größer angelegt ein Essenswald.

Was hat es nun mit dem Essenswald genau auf sich? Im letzten Beitrag habe ich bereits das Konzept der „Drei Schwestern“ erwähnt, die zentral für viele nordamerikanischen indigenen Kulturen waren: Mais, Kürbis und Bohnen. Diese wurden gemeinsam gepflanzt. Der Mais mit seinen festen Stämmen, bot eine Klettermöglichkeit für die Bohnen, die gleichzeitig den Mais vor Schädlingen schützten. Dazwischen wurden Kürbisse gepflanzt, die den Boden vor Schädlichen schützten. Gleichzeitig ergibt es sich, dass der Nährstoffaustausch von diesen drei Pflanzen genau so ist, dass sie den Boden für einander düngen und aufarbeiten.

Der Essenswald baut auf demselben System auf – nur dass er das ganze noch weiterdenkt. Statt drei  Ebenen hat dieser sieben. Die Kronenbäume (bspw. Apfel- oder Kirschbäume), die den Boden verankern und gleichzeitig auch Schutz vor dem Wetter bieten. Die Unterbäume, kleinere Baumarten, die ebenfalls den Boden auflockern (bspw. Zitrusbäume). Beide Baumarten dienen als Kletterhilfe für Kletterpflanzen wie Bohnen oder auch Tomaten, die Kletterebene. Dann kommt die Buschebene, in der Buschpflanzen (Beerenbüsche zum Beispiel) beheimatet sind. Auch diese helfen dem Ausgleich im Boden nach und bieten außerdem Schutz für die kleineren Ebenen. Diese sind die Kräuterebene, die Wurzelebene (zum Beispiel Karotten und Kartoffeln) und die Bedeckungsebene (zum Beispiel eben Kürbisse), die erneut den Boden schützt. Optional gibt es noch die Möglichkeit im Garten Hühner als natürliche Schädlingsbekämpfer zu halten, während sie gleichzeitig auch Eier geben.

Essenswälder sind extrem effizient, was die Produktion von Lebensmitteln angeht, selbst wenn sie natürlich praktisch nur per Hand geerntet werden können, da Maschinen mit dem diversen Umfeld nicht klarkommen. Die Idee ist, dass jeder, der physisch und psychisch dazu in der Lage ist, sich daran beteiligt, diese Wälder und Gemeinschaftsgärten zu erhalten, so dass jeder (auch diejenigen, die aus physischen und psychischen Gründen nicht helfen können) dadurch ernährt werden kann.

Und ja, es kann durchaus sein, dass bestimmte Dinge (wie eben Getreide) außerhalb angepflanzt werden müssen. Das ist einmal eine Tatsache. Aber Gemeinschaftsgärten könnten nicht nur helfen, viele Leute mit frischem Obst und Gemüse zu versorgen, sondern auch den Leuten wieder einen Bezug zu diesen Lebensmitteln zu geben. Dazu kommt, dass sie natürlich auch eine Ruheoase sein können und ein Rückzugsort in urbanen Umgebungen.

Gentechnik ist gut – solange es keine Monopole gibt

Kommen wir zum ersten meiner Hottakes für diesen Beitrag: Gentechnik ist eine gute Sache, die für eine Solarpunk-Zukunft sogar wichtig wäre. Ja, ich weiß, wie auch die Atomkraft ist die Gentechnik Ursprung von viel Panikmache, doch ich garantiere euch: An sich ist sie nicht schlimm und kann sogar wichtig sein, um die Ernährung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten und zu verbessern. Denn ich verrate euch ein Geheimnis: Menschen benutzen schon seit Jahrhunderten Gentechnik. Denn wenn Pflanzen oder Tiere auf bestimmte Eigenschaften gezüchtet werden, so ist auch dies Gentechnik – nur dass es eine sehr langsame Art der Gentechnik ist. Mit modernen Methoden kann man diesen Prozess aber beschleunigen.

Dies ist wichtig, gerade wenn man bedenkt, dass wir den Klimawandel nun einmal nicht komplett aufhalten können. Das natürliche Züchten zur Anpassung von Pflanzen dauert zu lange, um mit der rasanten Klimaveränderung mitzuhalten. Gentechnik dagegen kann innerhalb von ein, zwei Jahren das gewünschte Ergebnis hervorbringen und somit helfen, eine Nahrungsgrundlage zu erhalten – und zu verhindern, dass Lebensmittel in irgendeiner Form teurer oder schwerer zu bekommen werden. Auch kann sie helfen, um bestimmte Pflanzen (und Tierarten) vor neuen Schädlingen zu schützen.

Mehr noch: Auch für die Menschen per se kann sie ein Vorteil sein. Denn Gentechnik kann auch dafür sorgen, dass bestimmte häufige Allergene aus Lebensmitteln entfernt werden und so für Allergiker zugänglich gemacht werden. Gerade für Menschen mit vielen Allergien ein großer Fortschritt.

Das einzige Problem, was wir aktuell mit Gentechnik haben, ist… Nun, dass diese Gensequenzen, die so geschaffen werden, patentiert werden können, so dass nun zum Beispiel Monsanto/Bayer ein Monopol auf eine ganze Reihe von Maissorten hat – und sogar Bauern dafür verklagt, wenn ihr eigener Mais vom Mais der genveränderten Sorte befruchtet wurde. Doch ohne Kapitalismus gibt es keine Monopole und die verbesserten Lebensmittel können für alle zur Verfügung stehen.

Weniger Fleisch, aber nicht zwingend vegan

Hottake Nummer 2: Ja, wir sollten weniger Fleisch konsumieren. Nein, die Solarpunk-Gesellschaft darf nicht vegan sein. Habe ich damit beide Seiten der Diskussion gegen mich aufgebracht? Ja? Wunderbar. Dann lasst uns einmal darüber reden.

Vegane Ernährung von allem Menschen zu fordern, ist nicht nur ableistisch, sondern auch rassistisch. Es ist ableistisch, weil nicht alle Menschen vegan leben können. Vielleicht haben sie so viele Allergien, dass sie arg eingeschränkt sind, was sie überhaupt essen können – wenn Fleisch dazu gehört, dann sollte man es ihnen nicht verwehren. Vielleicht können sie pflanzliche Proteine gar nicht verdauen. Vielleicht sind sie aber auch autistisch oder anders neurodivers und können außer Fleisch aufgrund von Textur und anderen Grundlagen wenig essen. All diese Möglichkeiten gibt es und all diesen Menschen sollte Fleisch als Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Es ist jedoch auch rassistisch, weil es sehr aus der sehr weißen Perspektive argumentiert, in der wir unseren Bezug zur Essenskultur bereits stark verloren haben (siehe wieder die Dekolonialisierung der Ernährung). Dies gilt aber nicht für alle Kulturen. In diversen Kulturen hat die rituelle Schlachtung und der Verzehr von Tieren eine wichtige Bedeutung, die für uns nur sehr schwer nachzuvollziehen ist. Dies zu verbieten ist nichts anderes als ein Akt der Kolonialisierung.

Dennoch ist es natürlich so, dass der aktuelle Fleischkonsum unserer vor allem westlichen Gesellschaft nicht erhaltbar ist. Nicht nur, dass er mit viel Tierleid einhergeht. Auch hat er zerstörerische Auswirkungen auf die Umwelt. Der Amazonas wird in erster Linie gerodet, um dort Rinder weiden zu lassen – um nur ein Beispiel zu nennen. Natürlich gibt es Menschen mit eben genannten Behinderungen und chronischen Krankheiten, die jeden Tag Fleisch essen müssen – doch für die meisten Menschen würde es ausreichen, den Konsum auf ein bis zwei Mal die Woche zu reduzieren. Gerade da es bereits gute vegane Alternativen zu vielen Fleischprodukten gibt und in der Zukunft sicher mehr geben wird.

Dies gilt übrigens auch für den Konsum von Fisch. Aktuell überfischen wir die Meere und riskieren damit das gesamte Ökosystem. Würden die ursprünglich fischbasieten Kulturen weiterhin für den Eigenbedarf fischen, gäbe es kein Problem. Doch das Bedürfnis zu jeder Zeit auf Fisch überall zugreifen zu können, zerstört die Meere. Das darf nicht so weitergehen und muss unterbunden werden.

Mehr lokal

Wie der Punkt mit den Essenswäldern bereits sagt: Es sollte ein Ziel von des Umdenkens unserer Ernährung sein, dass wir so viel wie möglich unseres Nahrungskonsums lokal produzieren. Dies dient nicht nur dazu, damit die Menschen wieder eine persönliche Verbindung zum Essen aufbauen können, sondern auch dazu, CO2 Ausstoß durch Lebensmitteltransporte zu vermeiden.

Wie bereits gesagt: Nicht alles kann lokal angebaut werden. Um ausreichend Getreide für große Menschenmengen zu produzieren (oder andere Kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Reis, Mais oder Hirse) braucht es recht große Felder. Deswegen wird ein Teil der Produktion ausgelagert werden müssen. Auch ist es suboptimal die Tiere, die es nun einmal noch braucht, durchweg zwischen Menschen zu halten. Nicht nur das die Tiere eine bessere Umgebung verdienen, wir gehen sonst auch das Risiko ein, was mit dem engen Zusammenleben von Menschen und Tieren einhergeht: Zoonosen können entstehen.

Dennoch: Gerade Obst und Gemüse kann gut lokal angebaut werden und sollte das, soweit irgendwie möglich, eben so kultiviert werden. Statt eng aneinander stehende Häuser zu haben, könnte man auch versuchen, dazwischen Lücken für Gärten und Essenswälder zu lassen.

Essenskultur

Etwas, das es neben dem Anbau braucht, ist ein zurückfinden zu einer Essenskultur. Ohne 40 Stunden Arbeit die Woche, haben Leute mehr Zeit für das Essen und – sollte es ihnen liegen – auch gemeinsames Essen. Während sich bereits eine Gemeinschaft um die Gärten kümmert, kann auch eine Gemeinschaft zusammen kochen und essen. Dies würde auch besonders behinderten Menschen und Menschen, die weniger Energie zum Kochen haben, zu gute kommen. Über das Essen können Verbindungen aufgebaut werden, sofern dies gewünscht ist.

Es könnte auch ein Aspekt davon sein, sich darüber mit verschiedenen Essenskulturen auseinander zu setzen. Gerade in von Diversität geprägten Städten kann es speziell über das Essen ebenfalls zu kulturellem Austausch (im Gegensatz zu kultureller Aneignung) kommen. Denn auch hier verweise ich auf den Artikel von vor zwei Wochen: Essen und Kultur gehen häufig miteinander einher. Entsprechend ist es häufig auch respektlos Essen aus fremden Kulturen zu konsumieren, weil es „exotisch ist“, ohne den kulturellen Kontext zu verstehen.

Wichtig ist, dass wir wieder eine Verbindung zu Essen aufbauen können – abseits davon, dass wir uns halt ernähren müssen, während gleichzeitig ein irrsinniger Druck aufgebaut wird, irgendwelchen Ernährungsstandards zu entsprechend. In Cyberpunk-Dystopien ist es häufig so, dass den Menschen statt Essen irgendeine graue Paste serviert wird, die zwar alle Nährstoffe beinhaltet, aber keinerlei Genuss. Solarpunk sollte das Gegenteil sein.

Ein paar technische Gedanken

Ihr merkt schon, in erster Linie spreche ich hier über die kulturelle Bedeutung von Lebensmitteln und auf die Beziehung von Mensch und Lebensmitteln. Doch natürlich gibt es in Solarpunk auch noch einen anderen Ansatz, den ich nicht komplett übergehen will: Technische Möglichkeiten den Anbau von Lebensmitteln zu verbessern oder auch in Bereichen möglich zu machen, wo es aktuell – oder in Zukunft auf der Basis von Klimawandel – nicht möglich ist Lebensmittel normal oder auch in Essenswäldern anzubauen.

Ein Klassiker, den wir hier sehen und der bereits eine lange Geschichte hat, ist Aquaponics. Dies ist eine bereits für normale Leute mögliche technische Lösung zum Anbau von Lebensmitteln auf kleinem Raum, die historisch in die Antike zurückgeht. Die Idee ist einfach: Pflanzen brauchen bestimmte Nährstoffe mehr als dass sie Erde brauchen. Es gibt bestimmte Fische und Wasserpflanzen, die diese erzeugen. Also lassen wir die Pflanzenwurzeln in Wasserkörper (wie auch Aquarien) wachsen, in denen entsprechende Fische leben.

Darüber hinaus gibt es ebenfalls den Ansatz des „Vertical Farmings“, bei dem Lebensmittel in Klimakontrollierten Hallen vertikal angebaut werden und mit UV-Strahlung versorgt werden. Dies ist natürlich leider sehr energieaufwändig. Dennoch kann es in sehr harschen Klimazonen eine Lösung sein, um Lebensmittel anzubauen.

Natürlich dürfen wir auch neue Lebensmittel nicht außer Acht lassen. Verschiedene Leute forschen an verschiedenen Methoden Algen sehr schmackhaft anzubauen. Dies würde nicht nur helfen, CO2 aus den Systemen zu nehmen, sondern kann eine weitere Nahrungsquelle sein. Genau so gibt es natürlich die Theorie von Laborfleisch, das irgendwann vielleicht eine Alternative zu üblichen tierischen Produkten sein könnte. Soweit ist dies jedoch noch nicht in ausreichenden Mengen möglich – und natürlich kann es keine kulturellen Praktiken ersetzen.

Fazit

Was ich hoffe, dass ihr aus diesem Beitrag mitnehmt, ist, wie unglaublich wichtig Essen als Kulturgut sein kann – und wie schädlich der aktuelle Zustand ist, dass Essen so stark kapitalisiert werden sollte. Nahrung und Wasser sind Menschenrechte, also kann ein System, in dem Menschen dazu gezwungen werden diese Dinge zu kaufen, in dem Menschen dieses Grundrecht vorenthalten wird, wenn sie es nicht bezahlen können, immer nur ein System der Gewalt sein! Entsprechend sollte es das Ziel sein – vollkommen unabhängig vom Solarpunk – dieses System zu beenden.

Wichtig ist aber auch, wieder einen kulturellen Zugang zum Essen bekommen. Menschen sollten wirklich Zugriff darauf haben, wie Lebensmittel produziert werden, sollten selbst fähig sein Lebensmittel zu pflanzen und zu ernten. Essen sollte ein Teil unseres Lebens sein und nicht aus einer Blackbox kommen.

Um Lebensmittel zugänglicher zu machen, können eben auch verschiedene Technologien wie Gentechnik, Aquaponics oder Vertical Farming benutzt werden. Dies wird vor allem wichtig sein, um bestimmte Regionen, die aufgrund ihres Klimas sich nicht zum traditionellen Anbau eigenen, mit Lebensmitteln zu versorgen.

Das Beitragsbild stammt von Unsplash

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