Sexuelle Gewalt und Geschlechterrollen in den Medien
Okay, ich hatte nicht damit gerechnet das Jahr mit diesem Beitrag anzufangen, aber wisst ihr was? Das Thema geht mir gerade übelst auf den Senkel und wozu habe ich den Weblog, wenn nicht auch dazu, mich einmal zu so einem Thema auslassen zu können?
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Wir müssen darüber reden, wie wir über Vergewaltigungsdarstellungen in den Medien sprechen. Und ja, damit meine ich auch diejenigen, die Game of Thrones genau dafür verurteilen. Denn gerade, da ich mich mit dem Thema weiter auseinandersetze, stelle ich fest, dass auf allen Seiten der Diskussion gehörig was falsch läuft. Gerade, wenn es nicht das klassische Beispiel von „ein Mann vergewaltigt eine Frau“ ist. Denn auf einmal wird die Diskussion ganz wild – oder ganz stumm.
CN: Vergewaltigung, Misogynie, Misandrie
Das Fallbeispiel
Mein unfreiwilliger tiefgehender Diskurs in das Thema fing mit der Sache an, die die meisten Leute mittlerweile wissen sollten: Ich bin zurück in der Fandom Kultur – und spezifisch tief, tief im Castlevania Fandom unterwegs. Und genau das, spezifisch genau die Serie hat mich tiefer in die Diskussion gestoßen, als ich es beabsichtigt hatte. Ironisch, wenn man bedenkt, dass ich ursprünglich die Serie nicht schauen wollte, weil ich mir dachte: „Uhoh. Dark Fantasy, da wird sicher vergewaltigt.“ Doch mir wurde garantiert, dass es nicht so sei. Tja, nun. Diese Aussage war falsch.
Was passiert
Es gibt in der Castlevania Serie auf Netflix zwei Szenen sexueller Gewalt. Die eine ist eine klassische Vergewaltigung, die andere ist ein wenig komplizierter. Beide kommen in derselben Folge vor – Staffel 3, Episode 8 – und beide unterscheiden sich von Game of Thrones vor allem in einer Sache: In beiden Fällen ist das Opfer männlich.
Im ersten Fall handelt es sich um die Vergewaltigung an Alucard. Wer irgendwann mal was von Castlevania gehört hat, kennt wahrscheinlich Alucard, den Sohn von Dracula, der in vielen der Spiele eine Hauptrolle spielt. Nun. In Staffel 3 ist er von seinem „Team“ getrennt, depressiv und nimmt zwei Fremde bei sich auf, die nach Hilfe suchen. Er will ihnen helfen. Nur gibt es ein Problem: Die beiden glauben ihm das nicht. Und so kommt es zu der genannten Folgen, in der sie ihn versuchen zu „verführen“, was erst in einer Vergewaltigung und dann im Versuch ihn zu ermorden endet. Diese Vergewaltigung ist recht deutlich dies. Eine Vergewaltigung, nur dass sie sich in ihrer Darstellung ein wenig von anderen Medialen Darstellungen durch zwei Dinge unterscheidet: 1) ist Alucard rein theoretisch zu jeder Zeit physisch im Stand sich zu wehr zu setzen, er tut dies jedoch nicht, sondern reagiert halt durch „freeze“ Reaktion. 2) Beinhaltet die Szene – ehe sie zum Mordversuch wird – keine Gewalt, kein Geschrei, kein gar nichts. Tränen, ja, aber sonst fehlen die üblichen Anzeichen, die medial gerne damit verbunden werden.
Im zweiten Fall ist es wie gesagt, ein wenig komplizierter. Diese Szene handelt von Hector und eigentlich fängt das ganze schon weitaus früher an. Denn Hector findet sich in der Staffel als Gefangener von vier Vampireschwestern wieder, die ihn dazu bringen wollen, ihnen mit seiner seltenen Fähigkeit zu helfen – nur wissen sie nicht wie. Die jüngste der vier Schwestern versucht es „diplomatisch“, was zwar erst damit endet, dass sie ihn dennoch verprügelt – immerhin ist sie ein Vampir und er ein Mensch, involviert allerdings zunehmend eine Menge Banter und eine überraschende Menge an soweit nicht sexuellen Kink. Nun kommen wir also zu der Folge und sie… verführt ihn. Was schon das erste Problem ist, denn ich erinnere noch einmal: Er ist ihr Gefangener. Alles findet in seiner Gefängniszelle statt. Er ist komplett in ihrer Macht. Auch wenn er sehr angetan von der Idee ist, so ist er technisch gesehen nicht in der Position überhaupt Einverständnis zu geben. Dann geht es allerdings weiter, denn effektiv nutzt sie den Sex um ihn magisch zu versklaven. Etwas, zu dem er sicher kein Einverständnis gegeben hat.
Und per se… sind beide Szenen mit erstaunlich viel Fingerspitzengefühl gemacht. Weil sehr deutlich jeder, der involviert war, wusste, dass beide Szenen sexuelle Übergriffe beinhalten. Es ist nicht sexualisiert. Die Szenen sind gegengeschnitten mit blutigen Gewaltszenen. Die Serie versteht was passiert. Staffel 4 geht rückwirkend damit leider nicht so gut um. Aus dem einfachen Grund, dass Staffel 3 so ein wenig das Äquivalent zu The Last Jedi war, was Fandom-Rezeption anging. Alle Leute hassten oder liebten es, dazwischen gab es nichts. Und wie The Last Jedi zu The Rise of Skywalker führte, was niemanden so ganz glücklich machte, passierte bei Castlevania dies mit Staffel 4 auch. Alucard hat ein gutes Gespräch mit jemandem, das Off-Screen geschieht, und ist danach okay. Und Hector… Hector ist einfach okay damit ein Sklave zu sein, der weiter für Sex benutzt wird. Und das bringt uns zu…
Der Diskurs
Der Diskurs hierdrum ist nun, was mich zu diesem Beitrag gebracht hat. Dazu vielleicht einmal zum Kontext noch deutlich: Beide Figuren sind spielbar in den Spielen. Praktisch sämtlicher Inhalt von den Staffel 3 und 4 hat kein Gegenstück in den Spielen sondern ist frei erfunden. Und das bringt uns nun zu den Lagern, wenn es um den Fandom-Diskurs geht:
- Lager 1: „Welche Vergewaltigung?“ Nun, wie gesagt, Staffel 3 war gerade raus, als ich in dieses Fandom geschlittert wurde und ich habe spezifisch gefragt ob sexuelle Gewalt vorkommt. Die Antwort war „Nein“. Einige von diesen Leuten verstehen bis heute nicht, wo hier eine Vergewaltigung stattfindet.
- Lager 2: „Ihr habt Alucard vergewaltigt! [Hier Beleidigungen und Morddrohungen an die Macher einfügen]“ Dies sind fast ausschließlich (cis) männliche Fans, viele von ihnen haben zumindest einen Teil der Spiele gespielt. Sie sind vor allem wütend darüber, dass Alucard – der wie gesagt jeder Zeit seine Angreifer hätte physisch überwinden können – sich eben nicht zur Wehr setzt, bis er sein Leben retten muss.
- Lager 3: „Ja, aber so schlimm war es ja gar nicht. Sind immerhin Männer!“ Dies ist das gemischte Lager und während sie es nicht ganz so extrem ausdrücken, wie ich es gerade formuliert habe, ist ihre Auffassung davon effektiv genau diese: Weil in den Szenen Männer die Opfer sind, ist es gar nicht so schlimm. Weil a) Männer so etwas ja abkönnen und b) es irgendwie auch nicht so schlimm sei, wenn man es mit Männern zeigt.
- Lager 4: „Ha! Endlich wird ein Mann vergewaltigt!“ Dies… ist ein überwiegend weibliches Lager und, ja, ihr Take-Away von der ganzen Geschichte ist wirklich in etwa das: Freude darüber, das mal ein Mann in den Medien vergewaltigt wird. Dann sollen die ollen Männer mal sehen, wie es ist.
Disclaimer: Bevor ich in den eigentlichen Beitrag einsteige, ein kurzer Disclaimer. Die Castlevania Serie wurde von Warren Ellis geschrieben, der soweit glaubwürdig des sexuell übergriffigen Verhaltens gegenüber Frauen in der Comic-Industrie beschuldigt wurde. Ja, auch dazu gibt es eine ganze eigene Diskussion, auf die ich hier jedoch nicht eingehen werde.
Was ich von Lager 1 gelernt habe
Nun habe ich eine ganze Reihe von Dingen gelernt, wenn ich mich damit beschäftigt habe, wer denn die Leute sind, die diese Aussagen treffen. Lager 1 war, zu meiner Überraschung, eigentlich die üblichen Leute in unserer „progressiven Phantastik“ Twitterblase und aus ähnlichen englischsprachigen Gruppierungen. Sprich, Leute, die in erster Linie aus einem feministischen Rahmen über Medien sprechen. Auch darüber, wie Vergewaltigungen in den Medien dargestellt werden. Wobei das Thema meistens natürlich ist, wie Serien wie Game of Thrones Vergewaltigungen and Frauen als sexy darstellen – Vergewaltigung an Männern wird praktisch nie als Thema aufgegriffen.
Das habe ich auch bereits bei vorherigen Diskussionen gelernt. Denn während Vergewaltigungen an Männern in medialen Darstellungen angesprochen habe. So wurde zum Beispiel meistens nur mit einem Schulterzucken reagiert, wenn ich darüber gesprochen habe, wie Xander in Buffy fast zum Opfer einer Vergewaltigung wird und dieses Thema aber nie als solches ernst genommen wird.
Hier spielen denke ich zwei Dinge zusammen. Zum einen, dass letzten Endes unterbewusst auch ein wenig etwas von Lager 3 da ist: „Es ist an einem Mann, es ist nicht so schlimm,“ weil die Gesellschaft nun einmal Gewalt an cis Männern und speziell Gewalt von Frauen an cis Männern nicht wirklich ernstnimmt oder problematisiert. Deswegen wird diese Gewalt häufig gar nicht erst als Gewalt wahrgenommen, gerade wenn es sich um sexuelle Gewalt handelt, die in unseren Köpfen ja doch immer wieder als etwas verankert ist, dass vor allem von (cis) Männern ausgeht.
Dies entbehrt natürlich nicht komplett jeder Grundlage. Das, was wir als „Vergewaltigungskultur“ beschreiben geht vor allem darum, das (cis) Männern eine Erwartungshaltung in diesem Bezug anerzogen wird, dass sie sich andere – speziell (cis) Frauen einfach nehmen dürfen. Aber… Das bedeutet natürlich nicht, dass nicht auch (cis) Männer Opfer von (sexueller) Gewalt werden können.
Und hier muss eben eine deutliche Sensibilisierung stattfinden, wenn es darum geht, Gewalt an Männern auch zu sehen und wirklich wahrzunehmen. Denn ja, auch (cis) Männer können vergewaltigt werden und das Opfer von häuslicher Gewalt sein.
Was ich von Lager 2 gelernt habe
Hach ja, Lager 2. Eine lustige Gruppierung, wenn man ein wenig ihre Profile auf den sozialen Medien anschaut. Denn diese Gruppe, die häufig aggressiv auf die Kreativen hinter der Serie reagiert, weil diese „Alucard vergewaltigt haben“, ist vor allem über eine Sache sauer: Das die Serie ihnen ihre Power Fantasy entrissen hat. Alucard ist einer der am häufigsten in den Spielen spielbare Charakter und von den spielbaren Charakteren wahrscheinlich auch der mächtigste, weil er eben nun einmal ein Halbvampir ist. Dies wäre an sich durchaus valide, denn, ja, ich kann diese Wut absolut nachvollziehen, da ich sie ja auch aus anderen Situationen kenne… Doch leider ist da ein Problem: Denn die meisten Leute in diesem Lager möchten im Gegenzug meine Wut nicht nachvollziehen.
Ich war so frei und habe mir eben auf den sozialen Medien diese Personen angeschaut – und nicht selten Accounts entdeckt, die halt eben Game of Thrones (oder vergleichbare Medien) und die dortigen Vergewaltigungen verteidigen. Denn dies sei ja „realistisch“. Ja, genau. Genau diese Gruppe ist es. Die Gruppe, die glaubt ihre Misogynie und ihren Rassismus hinter „historischer Korrektheit“ verstecken zu können. Und denen genau dasselbe im Gegenzug nicht schmeckt. Denn, ja, ich gehe soweit zu sagen, dass beide Vergewaltigungen hier etwas sind, das durchaus realistisch ist – aus der Perspektive der Figuren und des Settings.
Doch während diese Gruppe sich weigert zu sehen, dass vielleicht auch alle Leute, die keine weißen, ablebodied, cishetero Männer sind, gerne ihre mittelalterliche Fantasy mit einem Hauch von Power Fantasy hätten, werden sie plötzlich ganz sauer, wenn sie in dieselbe Situation gebracht werden. Die Situationen in der ihnen diese Power Fantasy genommen, beziehungsweise diese Fantasie auch nur ein wenig geschmälert wird. (Und dabei gehe ich gar nicht darauf ein, wie diverse submissive Männer absolut auf die Situation mit Hector abgefahren sind – weil es eben eine Art der Fantasie ist, die medial selten dargestellt wird.)
Übrigens auch sehr interessant an dieser Gruppe: Hier gibt es immer wieder Leute, die sich speziell bei Alucard, der immerhin bis zu dem Off-Screen Gespräch in Staffel 4 als schwer depressiv dargestellt wird, darüber beschweren, dass dieser „ein Weichei“ deswegen sei. Denn mit der Realität der Situation und was das Szenario auch für einen männlichen Charakter bedeuten würde, wollen sie sich gar nicht erst auseinander setzen. Zumindest sind einige von ihnen was das Thema angeht jedoch über die Geschlechterrollen hinweg konsistent, denn sie beschweren sich gerne auch darüber, wenn weibliche Charaktere in anderen Dark Fantasy Geschichten nach sexueller Gewalt auf irgendeine Art und Weise depressiv oder manisch werden.
Daraus nehme ich zwei Sachen mit: Zum einen glauben viele weiße, ablebodied, cishetero Männer nach wie vor, dass sie und sie allein das Recht auf eine Power Fantasy haben. Zum anderen ist immer noch nicht angekommen, was für Folgen eine Vergewaltigung psychisch haben kann (aber nicht muss – dazu gleich mehr).
Was ich von Lager 3 gelernt habe
Lager 3 ist die Gruppe, die letzten Endes sagt: „Hmm, ja, wäre schlimmer, wenn es einer Frau passiert wäre“. Es ist das geschlechtstechnisch deutlich am gemischtesten Lager – und wahrscheinlich auch das Lager, zu dem es am meisten zu sagen gibt, denn dieses Lager hat eine Vielzahl von Gründen. Manche davon kann ich nachvollziehen, andere davon finde ich gefährlich.
Der Grund, den ich nachvollziehen kann, ist folgender: Ja, ich hätte es persönlich auch schlimmer gefunden die Vergewaltigung an einer Frau zu sehen, einfach weil es fast wie ein Naturgesetz dargestellt wird, dass Frauen spezifisch in mittelalterlicher Fantasy, vor allem Dark Fantasy, vergewaltigt werden und es einfach dieses Klischeebeispiel von „Ich will, dass eine Frau etwas schlimmes passiert? Hmm, ich werde sie vergewaltigen lassen!“ ist. Und ja, das Thema ist als solches räudig, gerade da es häufig hier nicht mit dem Fingerspitzengefühl behandelt wird, das eigentlich das Thema Vergewaltigung verlangt.
Leider ist das Problem dabei, dass es eben doch als irgendwie „weniger schlimm“ dargestellt wird, wenn ein Mann vergewaltigt wird. Zum einen, weil automatisch davon ausgegangen wird, dass dies weniger entiteling für die Zuschauerschaft wäre, zum anderen, weil Gewalt an Männern als weniger schlimm empfunden wird – wo wir wieder bei dem Problem aus Lager 1 sind.
Denn hier ist eine Menge Sexismus im Spiel. Sexismus der sagt, dass Männer widerstandsfähiger seien, dass Männern Dinge weniger weh tun. Oder umgekehrt, dass Frauen eben zerbrechlicher sind und Schmerzen durch so etwas stärker empfinden. Was natürlich absoluter Unsinn ist und leider eben in das Konzept der toxischen Männlichkeit mit hineinspielt. Von Männern wird erwartet, dass sie ihren Schmerz über diese Dinge weniger zeigen, dass sie einfach weiter machen, als sei nicht passiert.
Hier spielt natürlich auch die Darstellung in anderen Medien mit rein. Ich habe ja bereits Buffy erwähnt und es ist hierfür wirklich in perfektes Beispiel: Denn niemand behandelt die Beinahevergewaltigung an Xander als in irgendeiner Form traumatisierend. Weder die anderen Charaktere, noch Xander selbst. Und das obwohl es sogar eine im Vergleich sehr gewaltsame Vergewaltigung war, die physische Gewalt von einer körperlich überlegenen Person gegen ihn beinhaltet hat. Dennoch wird das Thema als solches nicht ernst genommen und die Folgen als solche nicht gesehen.
Dies spiegelt sich dann auch im realen Leben wieder, wo die Hilfsangebote für Männer die Opfer von sexueller oder partnerschaftlicher Gewalt geworden sind, weitaus seltener sind. Natürlich gibt es bei weitem nicht genug Angebote für Frauen und die, die es gibt, sind häufig auch noch einmal schwerer zugänglich für marginalisierte Frauen – doch für Männer? Gibt es praktisch nichts. Keine Anlaufstellen, kein Äquivelent zu „Frauenhäusern“. Nichts. Und ja, das ist schon ein Problem – und wir müssen daran arbeiten.
Was ich von Lager 4 gelernt habe
Tja. Nun. Lager 4. Was soll ich dazu sagen? Denn tatsächlich ist mir so etwas bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht über den Weg gelaufen – doch nach dem ich ein wenig gesucht habe, ja, doch, dies scheint eine Gruppe zu sein. Und diese Gruppe ist in erster Linie weiblich und sieht sich selbst als feministisch. Und nein, bevor jemand fragt, diese Gruppe besteht nicht nur aus TERFs, selbst wenn ich ein paar davon in entsprechenden Diskussionen dann gesehen habe.
Und ja, diese Gruppe zeigt mir eins: Jene „Männerrechtler“, die behaupten, dass Feministinnen eigentlich nur Männer hassen würden, haben insofern Recht, dass es definitiv diese Feministinnen gibt. Häufig verbitterte und von Misandrie – als Männerhass – angetriebene Frauen, die letzten Endes nur wollen, dass all das, was sie direkt oder indirekt durch das Patriarchat erlebt haben, im Gegenzug den Männern angetan wird. Dabei, ja, ist es natürlich so, dass diese Gruppe nicht selten Überschneidungen mit TERFs hat – aus dem Grund, dass sie in jeder trans Frau nur einen Mann sehen, der sich entweder ihre Unterdrückung aneignet, oder eben eigentlich nur darauf aus ist, sich in „Frauenräume“ einzuschleichen. Was natürlich weiterhin absoluter Bullshit ist.
Vielleicht hätte ich als trans Mann sehen sollen, dass es diese Gruppe gibt, doch wie gesagt, bis zu diesem Zeitpunkt habe ich zwar mit Transfeindlichkeit und auch ein wenig mit Misandrie Bekanntschaft gemacht, doch nie in diesem Ausmaß.
Richtig ironisch wird es in diesem Zusammenhang, wenn wir uns anschauen, wie diese Gruppe sich auf die Hector-Geschichte bezieht. Denn wie gesagt, Hector wird zu einem Gefangenen von vier Frauen, deren Anführerin eben genau das ist: Misandrisch. Nun hat sie in der Serie gute Gründe dafür – denn ja, sie ist immer und immer wieder das Opfer von Männern geworden und hatte irgendwann dann genug davon. Was in beiden Aspekten recht deutlich wird, wenngleich vielleicht nicht mit denselben Fingerspitzengefühl behandelt, wie Draculas Genozidalität: Uns wird sowohl deutlich gemacht (ohne wohlgemerkt die Gewalt an ihr zu zeigen), warum sie so geworden ist – aber auch, dass es falsch ist. Doch während Lager 4 Warren Ellis und durch Assoziation so ziemlich jeden anderen Mann der an der Produktion beteiligt war – hassen, lieben sie diese vier weiblichen Charaktere… und hassen entsprechend, dass diese weiblichen Charaktere, spezifisch natürlich besagte Anführerin, die Antagonistinnen sind.
Was… nun. Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht mehr, was ich dazu sagen soll, denn ich denke ihr könnt euch denken, was die Meinung dieser Frauen zu jedweder Form von Incelbösewichten ist, nicht?
Also, ja, was ich daraus mitgenommen habe, ist, dass Misandrie definitiv auch ein Problem ist, das existiert und über das wir dringend reden müssen. Denn, nein, Misandrie ist keinen Deut besser, als Misogynie. Auch Misandrie ist Sexismus.
Ein paar Gedanken zum Thema
Aber lasst mich ein paar eigene Gedanken noch zum Thema „Vergewaltigungen in Medien“ formulieren, wenn ich das Thema ohnehin bereits aufgegriffen habe. Denn es gibt ein paar Gedanken, die ich dazu noch habe.
Nicht jeder reagiert gleich
Eine Sache, die mir in der Rezeption von Vergewaltigungsszenen auf den Senkel geht, ist, dass Reaktionen als „unrealistisch“ dargestellt werden. Dabei ist es mir praktisch ziemlich egal, wie diese Reaktion ausfällt – abgesehen vielleicht vom klischeehaften: „Nein! Nein! Nein! OMG! Ja, härter, Baby, härter!“ Also jener Variante in der die vergewaltigte Person es auf einmal dann doch ganz klasse findet, wobei ich selbst da sagen muss, dass die Generalisierung von „Es ist immer falsch“ auch nicht stimmt. (Nur ist das psychisch in der Realität halt komplexer.)
Hier ist die Sache: Menschen reagieren auf Trauma unterschiedlich. Egal welche Form von Trauma es nun ist. Ich bin selbst zwei Mal in meinem Leben vergewaltigt worden – und bei mir hat es wenig Folgen hinterlassen. Ich weiß nicht warum. Ich weiß nur, dass es so ist. Meine Theorie ist, dass ich einfach zu viel Trauma in meinem Leben drumherum hatte, als das mein Gehirn in irgendeiner Form willens war, sich damit nun noch auseinander zu setzen. Und hier ist die Sache: Mit dem einen Vergewaltiger war ich danach mehrere Monate zusammen und hatte weiter mit ihm Sex. Wenn so etwas als „unrealistisch“ bezeichnet wird, dann werde ich wütend. Denn was mir gesagt wird ist „deine Reaktion war nicht richtig“.
Natürlich gibt es Leute, die in Folge einer Vergewaltigung einen kompletten psychischen Zusammenbruch bis hin zum Suizidversuch haben. Aber genau so gibt es Leute, die weit weniger Folgen davon tragen. Und das sollte eigentlich auch in den Medien dargestellt und von den Leuten wahrgenommen werden.
Das gilt doppelt, weil die Einseitigkeit dieser Darstellungen dafür sorgt, dass häufig Überlebende, die eben nicht mit Depression reagieren, häufig nicht ernst genommen werden. Sei es, dass man ihnen gar nicht glaubt, dass sie vergewaltigt wurden, oder, dass dem Täter weniger Schuld zugesprochen wird, weil es ja weniger „schlimm“ war. Doch sollte es nicht eigentlich so sein, dass die Tat ist, was schlimm ist – und nicht die etwaigen Folgen? In meinen Augen ist die Tat sich über die persönlichen Grenzen von jemand anderen so extrem hinweg zu setzen gleich beschissen – unabhängig davon, wie schlimm der andere es dann erlebt hat.
Wie Männer drüber schreiben
Ein anderer Gedanke, den ich habe, ist, dass ich leid bin, wie viele cis Männer über die Vergewaltigungen von Frauen schreiben. Denn ja, da sind wir wieder bei einem Thema, das ich weiter oben angesprochen habe: Es wird teilweise richtig widerlich. Und mein Gott, scheinen es einige Männer zu lieben über das Thema zu sprechen!
Das eine Beispiel dafür haben wir ja schon genannt: Game of Thrones. Und während die Serie um ein vielfaches Schlimmer ist, als die Bücher es sind – einfach darin, wie ausgiebig und, ja, auch genießerisch und reißerisch sie die Vergewaltigungen darstellen – so ist es selbst im Buch da. Eben dass in erster Linie weibliche Charaktere rechts und links vergewaltigt werden und das Buch auch endlos viele Gedanken dazu hat, wie „richtig“ die Figuren darauf reagieren.
Doch Game of Thrones ist damit nicht allein. Allein vorletztes Jahr hatten wir gleich mehrere Filme zum Thema, alle von Männern gemacht. Da hatten wir zum Beispiel The Last Duel, aber auch Midnight in Soho. The Last Duel war deutlich ausgiebiger darin, die Vergewaltigung zu zeigen, doch für mich waren beide Filme Geschwister im Geiste. Denn sie haben ähnlich zueinander die Sache dargestellt. Beide Filme waren von cis Männern gemacht, die unbedingt über patriarchale, sexuelle Gewalt an Frauen schreiben wollten. Warum?
Nein, ganz ehrlich. Warum? Ich bin es wirklich leid, wenn Männer darüber schreiben wollen, wie Frauen vergewaltigt werden. Denn ja, vielleicht ist es meine eigene Misandrie, die da spricht. Doch ich frage mich dann immer wieder, ob nicht da durch die Kunst Fantasien ausgelebt werden, die da sind. Umso mehr wenn es in visuellen Medien geschieht und die Kamera einfach immer schön draufhält. Damit wir mindestens das Leid, bestenfalls aber auch noch die Brüste sehen. Ich hasse es.
Und per se fände ich es gar nicht mal so schlimm, wenn Fantasien in der Fiktion ausgelebt werden – wäre die Medienlandschaft nicht so einseitig aufgestellt. Die meisten Medien werden von weißen, cishetero, ablebodied Männern gemacht und irgendwie sind es doch immer cis Frauen, die in ihnen vergewaltigt werden.
Das Thema sollte nicht tabu sein
Gleichzeitig denke ich aber auch, dass das Thema nicht komplett tabuisiert werden sollte. Es gibt gerade in progressiven Kreisen immer Leute, die ein Buch, ein Film oder eine Serie schon aus Prinzip boykottiert sehen wollen, wenn eine Vergewaltigung vorkommt. Vollkommen unabhängig davon wer und in welchem Kontext sie es geschrieben haben.
Natürlich sehe ich wie gesagt das Problem mit den im letzten Abschnitt dargestellten Versionen, genau so wie ich durchaus verstehe, dass viele Leute echt genug von jenen „Dark Romance“ Büchern haben, in denen oft das männliche Love Interest den weiblichen Hauptcharakter vergewaltigt und diese Vergewaltigung häufig nicht als solche behandelt wird, sondern nur als minimale Grenzüberschreitung und kleinen Hucke auf dem Weg zum Happy Ever After. Und ja, das gibt es auch umgekehrt (ich verweise hier auf Bridgerton), aber die eine Variation ist natürlich deutlich häufiger.
Dennoch denke ich, dass Vergewaltigung als mediales Thema in jedweder Form seine Existenzberechtigung hat. Ja, auch in der Dark Romance und in der Variation, in der es vor allem dazu da ist, dass sich Lesende daran aufgeilen können. Denn, darüber habe ich schon einmal gesprochen: Ja, Vergewaltigungsfantasien sind erst einmal nicht schlimmes. Das ist okay zu haben und gerade in Buchform tut es erst einmal niemanden weh, sofern auch die Lesenden durch Content Notes im vollen Wissen hineingehen, das zu lesen, was sie lesen werden.
Allerdings würde ich mir auch echt wünschen, dass eben solche Darstellungen auch durch Gegendarstellungen ausgewogen würden, die weder das eine, noch das andere sind. Eben diverse Darstellungen aus verschiedenen Perspektiven – und ja, auch mit unterschiedlichen Reaktionen auf die Sache selbst. Bitte.
Mehr positive sexuelle Szenen wären nett
Allerdings gibt es dann halt noch eine andere Seite davon… Und das betrifft erneut vor allem die visuellen Medien. Es fehlt an den schönen, konsensuellen Sexszenen, in denen alle Beteiligten einfach Spaß an der Sache haben. Häufig werden diese übersprungen mit der Begründung, dass sie zum Plot nichts beitragen würden und… Nein. Einfach nein.
Kommen wir an dieser Stelle noch einmal zu Castlevania zurück. Ja, mich hat die Szene mit Alucard etwas getriggert – weil sie einfach aus dem nichts kam – allerdings fand ich beide Szenen tatsächlich mit überraschend viel Fingerspitzengefühl gelöst. Sie waren beide auf eine Art geframt, dass man sich nicht dachte „Geil! Hot!“ Dennoch lässt sich auch eine andere Sache feststellen: Diese zwei Szenen sind die einzigen beiden Szenen in der ganzen Serie, in denen man nackte Brüste sieht. Weil auch wenn die Serie ab 18 ist, ist sie sehr, sehr zurückhaltend was den Sex angeht.
Und das… Ja, das hinterlässt bei mir einen üblen Nachgeschmack, denn auch wenn wir durch Text und Subtext wissen, dass zwei Hauptcharaktere in der Serie konsensuellen Sex haben… davon sehen wir nichts. Nada. Sex wird im Text selbst in erster Linie mit Gewalt gleichgesetzt und das ist halt nun einmal auch problematisch.
Und natürlich ist Castlevania damit nicht allein. Denn wie gesagt, häufig wird leider beim Schreiben folgende Perspektive eingenommen: Gewalt bringt die Handlung voran, Zärtlichkeit aber nicht. Deswegen darf Gewalt textuell dargestellt werden, während Zärtlichkeit ausgeblendet wird. Dabei kann die Gewalt eben auch sexuelle Gewalt beinhalten, die dann damit entschuldigt wird, dass sie wichtig für die Charakterentwicklung sei – doch selbiges wird nie für Sex gesagt.
So kommen dann auch immer die Vorwürfe an Bücher und gerade auch Fanfictions, die romantische Sexszenen beinhalten, dass diese unnötig seien und zur Geschichte nichts beitragen würden. Wozu ich nur sagen kann: Warum trägt es zur Geschichte bei, zu zeigen, wie ein Charakter auf Gewalt reagiert, aber nicht, wie die Figur auf Zärtlichkeit reagiert? Wenn sonst nichts, kann auch aus konsensuellen Sexszenen eine Menge über den Charakter gelernt werden.
Also, ja… Schreibt mehr konsensuelle Sexszenen, gerade wenn ihr nicht-konsensuelle Szenen in euren Geschichten habt.
Fazit
Auch im progressiven Diskurs haben wir noch einen massiven blinden Fleck, wenn es um Männer als Opfer von Gewalt, spezifisch auch sexueller Gewalt geht. Dieser blinde Fleck geht soweit, dass Darstellungen von sexueller Gewalt an Männern in den Medien häufig gar nicht erst als solche erkannt werden – selbst wenn, wie im genannten Beispiel, es definitiv nicht daran lag, dass sich die Macher nicht dessen bewusst waren, dass was passierte eine Vergewaltigung war. Auch Darstellungen, die im Zusammenhang mit Gewalt an Frauen auf massiven Widerstand stoßen würden, werden wesentlich eher hingenommen, wenn das Opfer ein Mann ist.
Gleichzeitig sehen wir auch, dass sich Reaktionen in verschiedene Lager aufteilen. Hierbei scheint es so zu sein, dass genau so wie es (cis) Männer gibt, die sich an visuellen Darstellungen von Vergewaltigungen von Frauen erfreuen und sich über die Darstellungen an Männern aufregen, es auch die umgekehrte Variante gibt: (cis) Frauen, die wütend über die Darstellungen mit weiblichen Opfer sind und Freude an Darstellungen mit männlichen Opfer empfinden. Zumindest aus meiner Erfahrung hier jedoch aus unterschiedlichen Motivationen. Während die fraglichen männlichen Zuschauern vor allem an einer Machtfantasie interessiert waren, schienen weibliche Zuschauerinnen eher hämisch darüber zu sein, dass es spezifisch Szenen mit einer mächtigen Frau und einem misshandelten Mann gab.
So oder so, wir sollten uns deutlich dessen bewusst werden, dass eine Vergewaltigung gleich schlimm ist – als Tat – unabhängig davon welches Geschlecht die Beteiligten haben oder auch wie die Reaktionen nach der begangenen Tat sind. Wir sollten keine doppelten Standards erzeugen.
Allerdings sollten wir auch klar machen: Ja, natürlich sollten Medien solche Dinge darstellen dürfen. Aber bitte mit ausreichend Fingerspitzengefühl und Triggerwarnungen. Vergewaltigungsdarstellungen, die in erster Linie zum Aufgeilen da sind, sollten in entsprechenden pornographischen Materialien bleiben – und nicht in Mainstream Serien wie Games of Thrones wandern.
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