Warum ich dieses Mal Grün gewählt habe

Am kommenden Sonntag sind Wahlen. Ich selbst habe schon via Briefwahl gewählt, wie viele von euch wahrscheinlich auch. Allerdings habe ich dieses Jahr anders gewählt, als in den Jahren davor. Denn statt an die Linke ging meine Stimme dieses Jahr an die Grünen. In diesem Beitrag erzähle ich euch warum.

Es ist Wahl, geht alle hin

In fünf Tagen ist es soweit. Es ist Wahl. Eine bedeutsame Wahl noch dazu, denn nach 16 Jahren kommt – egal, wie die Wahl ausgeht – Angela Merkels Zeit als Bundeskanzlerin zum Ende. Drei Parteien haben ihre eigenen Kanzler*innen-Kandidat*innen aufgestellt: Die CDU/CSU, die SPD und die Grünen.

Nachdem die CDU/CSU unter Angela Merkel sehr stabil ihre Sitze im deutschen Bundestag gehalten hat, sieht es ganz so aus, als könnte es eine*n Kanzler*in geben, die nicht länger von CDU/CSU gestellt wird. Aber auch abseits der Kanzler*innenfrage, ist diese Wahl wichtig – immerhin schreitet der Klimawandel weiter voran, viele Leute leiden unter der Corona-Pandemie und die Schere zwischen Arm und Reich geht in Deutschland immer weiter auseinander.

Ich habe bereits über die Briefwahl gewählt, wie viele von euch wahrscheinlich auch schon. Obwohl ich eigentlich „Die Linke“ wähle, habe ich meine beiden Stimmen dieses Mal an „Bündnis 90, die Grünen“ gegeben. In diesem Weblogbeitrag möchte ich euch ein wenig etwas dazu erzählen, warum ich mich dafür entschieden habe …

Wieso eigentlich nicht …

Ich gebe offen zu: Einer der wichtigsten Gründe, warum ich die Grünen gewählt war, ist, dass für mich andere Parteien nicht wählbar sind – aus unterschiedlichen Gründen. Daher möchte ich ein wenig über die Gründe sprechen, die die anderen Parteien für mich unwählbar gemacht hat.

Ich bin übrigens so frei in dieser Aufführung die AfD auszulassen, denn wer nicht versteht, warum die AfD unwählbar ist, dem kann ich an dieser Stelle auch nicht weiter helfen. Nazis sind nicht wählbar. Ende der Geschichte.

CDU

Eigentlich sollte die CDU mittlerweile auch beinahe undiskutabel sein. Ich hatte vor zwei Jahren zur EU-Wahl bereits einen Artikel dazu geschrieben, warum ich die CDU für unwählbar halte und seither hat sich das ganze eher zum Schlechten, als zum Besseren verändert.

Während die CDU nicht direkt die Existenz des Klimawandels anzweifelt, so sind sie doch nicht im geringsten bereit irgendetwas dagegen zu tun. Zu wichtig sind ihnen die Gelder, die sie von RWE und Co. bekommen. Allgemein ist die CDU korrupt, wie die ganzen Korruptionsskandäle allein im letzten Jahr nur gezeigt haben.

Davon abgesehen steht die CDU auch gegen so ziemlich alles, wofür ich stehe: Sie sind gegen Soziale Gerechtigkeit, gegen Rechte für LGBTQ*, gegen Rechte für Menschen mit Gebärmutter … einfach gegen alle wichtigen Sachen. Dass sie dabei Kindern, die in Armut aufwachsen, noch erzählen, dass sie bloß ordentlich in der Schule mitarbeiten sollten, dann wird das schon, schlägt dem Fass dabei den Boden aus.

SPD

SPD. Was gibt es zu der SPD zu sagen? Nicht viel und genau das ist effektiv das Problem. Ja, in Programm haben sie ein paar Sachen zur sozialen Gerechtigkeit und zum Klimawandel stehen, doch wir dürfen nicht vergessen, dass die SPD fast durchweg in den letzten Jahren mitregiert hat und sich für nichts davon eingesetzt hat. Wirklich überzeugt scheinen sie jedenfalls von keinem ihrer Programmpunkte zu sein.

Dazu kommt, dass auch die SPD in den letzten Jahren direkt in mehrere Korruptionsskandale verwickelt war und sich weiterhin beharrlich weigert, Parteispenden offen zu legen. Das gibt kein gutes Bild ab und macht sie einfach nicht zu der Partei des Vertrauens.

Und natürlich ist ein weiterer Punkt, dass sie eben in der großen Koalition keinerlei Rückgrat gezeigt haben und bspw. gemeinsam mit der CDU gegen ein Selbstbestimmungsgesetz und gegen die Abschaffung von 219a gestimmt haben.

FDP

Auch bei der FDP fällt mir nicht viel ein, was ich dazu schreiben soll. Letzten Endes ist das zentrale Problem mit der FDP, dass sie komplett für ein Wirtschaftssystem steht, das nachgewiesener Weise nicht funktioniert. Kapitalismus funktioniert nicht. Vor allem nicht der Laissez-faire Kapitalismus, den die FDP propagiert. Ich habe einen ganzen Blogbeitrag letztes Jahr dazu geschrieben, warum dieser nicht funktioniert und nicht einmal im Sinne der Erfinder des Kapitalismus war.

Aber letzten Endes: Wer für Laissez-faire Kapitalismus ist, ist gegen soziale Gerechtigkeit und gegen Klima- und Umweltschutz, weil diese Sachen nicht gemeinsam funktionieren. Da mir beide Aspekte sehr am Herzen liegen, ist auch die FDP unwählbar.

Dazu kommt: Auch wenn die FDP vorgibt für das Recht der Menschen auf freie Entfaltung zu sein, so haben sie in den Abstimmungen für die Rechte von LGBTQ* durch ihr Schweigen – sprich: Durch Enthaltung – sehr laut geschrien.

Die Linke

Aber gut, die wenigsten von euch, die diesen Blog verfolgen, haben wohl damit gerechnet, dass ich für die CDU, SPD oder FDP stimme. Die eigentliche Frage, die ihr euch stellt ist: Warum nicht die Linke? Immerhin habe ich kein Geheimnis daraus gemacht, dass ich bei bisherigen Wahlen eigentlich immer für die Linke gestimmt habe. Kein Wunder, immerhin sollte die Partei mir auch am nächsten stehen. Sie ist für Gleichberechtigung marginalisierter Gruppen, für die Selbstbestimmung von Menschen, für ein Bedingungsloses Grundeinkommen, für soziale Gerechtigkeit – also für viele Dinge, die ich auch fordere.

Natürlich könnte ich jetzt lang darüber sprechen, warum mir die Linke nicht links genug ist, aber das wäre halt keine Erklärung dafür, warum ich dieses Mal nicht Links, sondern Grün wähle, obwohl Grün definitiv rechts von der Linken einzuordnen ist.

Nun, das offensichtlichste Problem ist: Ich lebe in NRW und auf Listenplatz 1 in NRW sitzt jemand, dem ich meine Stimme nicht geben will: Sarah Wagenknecht. Allerdings ist Sarah Wagenknecht nur das offensichtlichste Symptom eines großen Problems, was die Linke hat: Die mangelnde Abgrenzung nach Rechts. Denn leider gibt es innerhalb der Linken einige Politiker*innen, die statt links sehr weit rechts einzuordnen sind. Diese sind vielleicht sogar für Bedingungsloses Grundeinkommen, dafür allerdings gegen gleiche Rechte für LGBTQ* und andere marginalisierte Gruppen – hetzen sogar gegen diese. Und das ist etwas, wofür ich einfach meine Stimme nicht abgeben möchte. Bis die Partei sich da klar gegen diesen rechten Flügel positioniert, wird sie meine Stimme nicht länger bekommen.

Volt

Weil ich auf Twitter immer wieder Kommentare bekommen habe, die fragten, warum ich denn dann nicht Volt wähle, will ich auch kurz dazu was sagen.

Die kürzeste Antwort ist: Weil die Chancen, dass sie über die 5% kommen, sehr gering sind, und die Chancen, dass sie in eine Koalition kommen nicht geringer. Damit habe ich entsprechend meine Stimme komplett verschenkt. Die 5%-Hürde macht leider strategisches Wählen erforderlich. Nervt, aber ist halt so.

Ja, Volt steht für viele Sachen, die ich auch positiv finde, aber gerade bei dieser Wahl, wo ein Bundeskanzler Laschet eine reale Gefahr darstellt, ist es wichtig so zu wählen, dass dies idealerweise verhindert wird. Und dabei ist es nicht förderlich eine Stimme unter „sonstige“ zu setzen.

Aber was spricht für Grün?

Gut, damit haben wir also erörtert, warum ich die verschiedenen Parteien nicht wähle. Allerdings ist es schon traurig, damit eine Wahl zu begründen, oder? Also warum dieses Mal Grün? Was gibt es, das für die Grünen spricht? Nun, ich habe mir ein paar Punkte herausgesucht.

Klimaschutz

Sehen wir es, wie es ist: Aktuell gibt es kein wichtigeres Thema als Umweltschutz und speziell den Klimaschutz. Denn wenn wir da nicht langsam mal etwas ändern, dann werden bald schon alle anderen Themen irrelevant sein – einmal ganz davon abgesehen, dass eine Welt mit +2°C oder mehr eine deutlich konfliktreichere Welt wäre, in der die Rechte von vielen Gruppen zu leiden hätten.

Dabei sind die Grünen halt eben ganz vorne mit dabei. Sie wollen die Kohlekraftwerke schon frühzeitig abschalten, wollten erneuerbare Energien fördern, wollen das ÖPNV-Netz ausbauen und wollen die CO2-Umlage einfügen. Alles sehr wichtige Punkte, die sonst nur die Linke im Programm hat.

Einziges Manko, was sie sich mit der Linken teilen: Sie sind gegen die Atomkraft, obwohl diese CO2-Neutral ist und unter einer vernünftigen Regierung, die verantwortungsvoll damit umgeht, auch sehr sicher wäre – weitaus sicherer als Kohle vor allem.

Sozialpolitik

Ein anderer großer Punkt, den die Linke ansprechen, ist die Sozialpolitik. Darin haben sie sich mittlerweile sehr gemausert. Sie wollen gegen die Armut in Deutschland vorgehen, durch ausgiebige soziale Unterstützungen. Hierbei streben sie unter anderem eine Grundsicherung für verschiedene armutsgefährdete Gruppen an, schließen aber auch ein Bedingungsloses Grundeinkommen nicht aus.

Armut ist in Deutschland aktuell leider ein großes Problem, wie auch der Mangel an sozialer Mobilität. Dies erkennen die Grünen an. Aktuell ist ihr Programm in diesem Bezug tatsächlich sogar weiter ausgearbeitet und vor allem kohärenter, als das der Linken.

Gleichberechtigung

Wie denke ich alle wissen, liegt mir außerdem die Gleichberechtigung am Herz. Das heißt sowohl die Gleichberechtigung aller Geschlechter, als auch die Gleichberechtigung von LGBTQ*, BI_PoC, immigrierten Menschen, behinderten Menschen und anderen marginalisierten Gruppen. Und auch hier sind die Grünen sehr vorne mit dabei.

Sie sind für das Recht auf Abtreibung und für die Abschaffung von 219a. Sie sind für eine Selbstbestimmungsgesetz für trans Menschen. Sie waren beim Kampf für die „Ehe für alle“ soweit ganz vorne mit dabei. Sie sprechen sich regelmäßig gegen Rassismus aus – auch innerhalb der eigenen Partei. Sprich: Sie machen in der Hinsicht vieles Richtig. Was ein weiterer Grund ist, für diese Partei zu stimmen.

Annalena Baerbock

Dann haben wir noch den großen Punkt, der mich dazu bringt, für die Grünen zu stimmen: Ich will Annalena Baerbock als Bundeskanzlerin haben. Von den drei aufgestellten Kandidat*innen halte ich sie für am deutlich kompetentesten, wie sie jetzt auch bei den Triellen sehr deutlich gezeigt hat. Während Laschet lügt und Scholz rumdruckst, kann Annalena Baerbock mit Fakten, aber auch mit viel Empathie punkten. Sie ist allein schon die einzige Kandidatin, die regelmäßig die Rechte von Kindern und Jugendlichen anspricht.

Auch ist sie die einzige Kandidatin, die keinen großen Skandal an der Backe hat. Denn während Laschet und Scholz beide in Korruptionsskandale verwickelt waren, hat Baerbock in der Hinsicht sich nichts zu Lasten fallen lassen. Sie ist natürlich immer noch eine Politikerin, aber im Vergleich zu Laschet und Scholz wirkt sie weit weniger korrupt.

Davon abgesehen muss ich ganz ehrlich sagen: Ich bin im allgemeinen davon überzeugt, dass Frauen, vor allem jüngere Frauen, die kompetentesten Kandidatinnen für solche Ämter sind. Denn international hat allein schon der Umgang mit der COVID-Pandemie gezeigt, dass weibliche Staatsoberhäupter mit der Krise besser und reflektierter umgegangen sind, als ihre männlichen Kollegen. Sie hören eher auf Fachleute und entscheiden eher im Sinne der Bevölkerung, anstatt im Sinne kurzfristiger Wirtschaftsinteressen.

Die Grünen sind nicht perfekt

Und ja, die Grünen sind nicht perfekt. Wie schon gesagt: Ich würde mir sehr wünschen, sie wären nicht so stark Anti-Atomkraft, weil ich nach wie vor denke, dass sich aus der Atomkraft viel gutes herausholen lässt. Und auch setzen sie sich nicht klar genug für eine Verbilligung (oder gar eine komplette Kostenlosmachung des ÖPNV ein – wo die Linken ihnen deutlich voraus sind). Persönlich wäre ja eine bezahlbare Alternative zum Semesterticket für Nicht-Studierende ein Anfang.

Auch sind die Grünen bei weitem nicht kritisch genug, wenn es um die Polizei und das deutliche Polizeiproblem geht, dass wir in Deutschland haben. Hier haben sie sich nicht klar genug auf der Seite marginalisierter Gruppen, die häufig unter Polizeigewalt leiden, positioniert. Ähnlich sieht es mit dem kritischen Umgang mit der Bundeswehr aus, die hier ebenfalls etwas fehlt.

Und natürlich muss auch gesagt sein: Die Grünen sind immer noch eine pro-kapitalistische Partei. Zwar pro sozialem Kapitalismus, aber immer noch pro Kapitalismus. Allerdings gibt es auch keine Partei – jedenfalls unter den großen – die das nicht ist. Denn selbst die Linke ist weit davon entfernt, ein ernsthaft sozialistisches oder gar kommunistisches System anzustreben. Sprich: Eine Partei, die mein anarcho-kommunistisches Utopia anstrebt, gibt es nicht in der engeren Auswahl.

Fazit

Für jemanden, der links außen ist, wie ich, gibt es keine optimale Partei bei der diesjährigen Bundestagswahl – oder irgendeiner Wahl in Deutschland. Die gängigen Parteien, die sich als zentristisch ausgeben, aber eigentlich eher rechts zu verorten sind – wie CDU, SPD und FDP – fallen allein wegen dieser Ausrichtung und wegen ihrer kompletten Unterstützung eines nicht funktionierenden Wirtschaftssystems hinten heraus. Aber auch die Linken zeigen leider absoluten Unwillen ihre rechten Störelemente aus der Partei auszuschließen.

Daher bleibt mir als Wähler in NRW praktisch nur noch die Wahl, die Grünen zu wählen. Allerdings können diese durchaus auch mit Aspekten ihres Wahlprogramms überzeugen. So setzen sie sich für soziale Gerechtigkeit ein, engagierten sich für Gleichberechtigung und haben natürlich ein umfassendes Programm in Sachen Umwelt- und Klimaschutz.

Dazu kommt, dass ich mir weder Laschet, noch Scholz als Bundeskanzler vorstellen will. Und damit wir eine Bundeskanzlerin Annalena Baerbock bekommen, braucht es eine grüne Pluralität – das heißt mehr Stimmen für Grün, als für die SPD oder CDU. Und das erreiche ich nur, wenn ich meine Stimme an die Grünen gebe.


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