Atomkraft – ja, bitte?!
Am Freitag sind die neuen Klima-Proteste auf der ganzen Welt. Und das ist für mich ein guter Grund über ein wichtiges Thema zu schreiben: Die Energieversorgung unserer Gesellschaft und warum wir Atomkraft brauchen, wenn wir unser Klima noch retten wollen.
„Atomkraft, nein danke“?!
Als ich ein Kind war, war es schon Hipp diese Sticker zu tragen: „Atomkraft, nein danke“ und „Solarstrom, ja bitte“. Meine Mutter erzählte mir auch immer wieder die Horrogeschichten von Tschernobyl und dergleichen – etwas, das in mir als Kind immer Angst gemacht hat. Dennoch war ich noch relativ jung – ich glaube 12 oder 13 – als mir klar wurde, dass diese Sticker die falsche Antwort waren, da sie etwas unterstellten, was nicht der Wahrheit entsprach: Das das Abschalten der Atomkraftwerke dazu führen würde, dass der Strom durch Photovoltaik ersetzt werden würde. Aber das ist einfach nicht die Wahrheit. Nein. Was auf Seiten Atomkraft wegfiel wurde durch Kohlekraft ausgeglichen.
Das ganze verfestigte sich dann auch während meiner Ausbildung als Elektrobetriebstechniker*, als wir grundlegend Dinge über die Effektivität verschiedener Methoden zur Energiegewinnung sprachen. Photovoltaik war einfach noch nicht soweit, aber Kohlekraft war weder effizient, noch sauber. Atomkraft dagegen war sicher, relativ effizient und jedenfalls atmosphärisch gesehen recht sauber. Doch natürlich war das nichts, was irgendjemand hören wollte. Schon gar nicht nach 2011.
Zwischen Tschernobyl und Fukushima
„Aber wie kann Atomkraft sicher sein? Ein Unfall und eine ganze Stadt ist unbewohnbar.“ Das ist etwas, das man so oder anders immer wieder in diesem Kontext hört. Und sicher: Die ganze Anti-Atom-Bewegung, die wir in den 90ern schon erlebten war eine direkte Reaktion auf das Desaster von Tschernobyl. Der plötzliche Beschluss die Kraftwerke in Teilen Europas abzustellen eine überhastete Reaktion auf Fukushima. Dabei wird eine Sache vergessen: Tschernobyl und Fukushima waren beide eine Folge von unsauberer Arbeit und dem Nicht-Einhalten von Vorschriften.
Denn eine Sache ist natürlich klar: Ja, das Potential einer enormen Katastrophe ist bei einem Atomkraftwerk größer, als bei einem Kohlekraftwerk. Allerdings ist genau das der Grund, warum die Vorschriften für Atomkraftwerke sehr, sehr strickt sind. Es gibt genaue Vorschriften was man darf und was nicht. Es gibt Vorschriften für so ziemlich jede Situation. Tschernobyl und Fukushima waren beide Folgen davon, dass diese Vorschriften nicht eingehalten wurden.
Doch selbst mit Tschernobyl und Fukushima ist Atomkraft sicherer, als Kohlekraft, wenn wir nach den reinen Todeszahlen pro Terawattstunde Energie gehen. Tatsächlich ist Atomkraft danach die mit Abstand sicherste Form der Energiegewinnung – so seltsam es für viele auch klingen mag.
Der schlechte Ruf von Atomkraft
Aber wenn Atomkraft alles in allem doch so ungefährlich ist, warum hat sie dann so einen schlechten Ruf? Nun, hier spielen mehrere Faktoren zusammen. Die beiden wichtigsten sind, denke ich, zum einen die Verbindung mit nuklearen Waffen und der sofortige, weite Effekt, wenn denn etwas schief geht.
Denn ja, Uranium kann theoretisch gesehen auch auf eine Art angereichert werden, die es erlauben würde, dieses Uranium in nuklearen Waffen zu verwenden. Und diese nuklearen Waffen sind etwas, das für die meisten von uns eine absolute Horrorvorstellung ist – zurecht. Genau deswegen nutzen die USA – ironischerweise die Macht mit den meisten Atomwaffen – es auch immer wieder in der Politik. Sind wir denn sicher, dass der Iran nur Atomkraft will? Was ist, wenn „die“ Waffen bauen?
Und der Effekt hängt eben zusammen. Zwar ist der Umgebungseffekt wenn ein Reaktor Probleme bereitet, ein anderer, als bei einem nuklearen Angriff, doch … nun, es ist ähnlich genug, um denselben Horror zu erwecken. Und dass es Horror ist, darüber müssen wir gar nicht streiten.
Vor allem aber ist es eben ein Horror, den es so anders nicht gibt. Was ist die Gefahr, die von Kohle ausgeht? Nun, Mienen können einstürzen. Grundwasser kann vergiftet werden. Brände kommen zustande. Na ja, und dann gibt es eben den Klimawandel, aber dieser ist für die wenigsten genau greifbar. Dagegen sind die Bilder, die wir vor Augen haben, von Menschen, die durch Verstrahlung qualvoll sterben, weitaus greifbarer und gruseliger. Man muss den genauen Vorgang nicht verstehen, um davor Angst zu haben. Doppelt, da die meisten wissen, dass es für mehrere Generationen weitergegeben werden kann – selbst wenn man überlebt.
Meltdown =/= Sprengsatz
Eine weitere Sache, die vielleicht wichtig zu verstehen ist: Wenn die meisten Menschen an nuklearen Fallout denken, denken sie an thermonukleare Sprengkörper. Immerhin ist dies das Szenario, das uns am häufigsten in Filmen und Spielen gezeigt wird. Was jedoch wichtig zu verstehen ist: Ein Meltdown in einem Kraftwerk ist nicht dasselbe, wie ein Sprengsatz. Dies lässt sich allein daran sehen, dass das Kraftwerk in Fukushima noch steht. Zwar gab es kleine Explosionen, doch waren die Explosionen nicht thermonuklearer Natur – selbst wenn dabei radioaktive Gase frei wurden. Dennoch ist das, was dabei passiert ist nicht mit einer Atombombe zu vergleichen.
Tschernobyl war dabei deutlich schlimmer da der Meltdown anders verursacht wurde – doch auch da: Es ist noch immer nicht vergleichbar mit einer nuklearen Bombe. Dies liegt daran, dass der chemische Prozess bei einer solchen Explosion ein anderer ist, als bei einem Meltdown. Ein Hauptgrund dafür, ist, dass das Uranium ein anderes ist. Zwar werden meist dieselben Isotope genutzt, jedoch ist die Anreicherung des Uraniums in Atombomben um ein vielfaches höher, als in einem Atomkraftwerk.
Natürlich kann das Argument gemacht werden, das auf gewisse Art Fukushima weitaus gruseliger ist, da visuell kaum eine Gefahr festzustellen ist. Ich will entsprechend auch nicht sagen, dass ein Meltdown und der potentielle Fallout ungefährlich oder unbedenklich wäre. Es ist jedoch nicht dasselbe, was bei einer Atombombe passiert.
Der Kritikpunkt über den niemand spricht
Es gibt übrigens einen sehr guten Kritikpunkt an Atomenergie, über den niemand wirklich spricht – selbst habe ich das erste Mal in einer Doku zu einem ganz anderen Thema davon gehört. Und das ist die Rohstoffgewinnung. Denn während Uranium für die nukleare Aufbereitung angereichert wird, kommt der (bereits strahlende) Rohstoff tatsächlich aus Mienen, wie andere Energieträger eben auch. Der Vorteil bei Uranium: Man braucht sehr wenig um viel Energie zu gewinnen. Der Nachteil: Es ist gefährlich das Material abzubauen.
Und hier kommt der Kritikpunkt, über den nicht gesprochen wird rein: Diverse dieser Uranium-Mienen finden sich in Ländern, in denen es mit den Sicherheitsvorschriften nicht soweit her ist und in denen dieses Uranium ohne den notwendigen Strahlenschutz abgebaut wird. Schlimmstenfalls werden verstrahlte Flüssigkeiten, die im Abbau benutzt werden, nicht aufgefangen und können einfach versickern. Zusätzlich ist es selbst bei guten Sicherheitsmaßnahmen schwer, sich in den Mienen vor radioaktiven Gasen zu schützen.
Warum nicht drüber geredet wird? Vielleicht weil es wenig Mienen gibt. Vielleicht weil man letzten Endes Uranium zuerst zufällig bei anderen Mienen als Beiprodukt gefunden hat – also viele der Kritikpunkte auch auf andere Mienen zutreffen. Vielleicht weil dieser unsichere Abbau vor allem in Ländern passiert oder Menschen betrifft, über die wir allgemein weniger reden? (Wir haben in Deutschland auch Mienen, doch mit höheren Standards. Dasselbe gilt für Kanada.) Vielleicht wirklich, weil man ähnliches auch für Kohlemienen sagen kann, nur da dort noch viele andere Probleme hinzukommen. Ich weiß es selbst leider nicht.
Das Endlagerproblem
Und dann ist da natürlich noch das große Thema: Das Endlagerproblem. Denn dies ist mit Abstand der größte und berechtigste Kritikpunkt an Atomkraft. Wenn ein Brennelement einmal aufgebraucht ist – sich also daraus keine Energie mehr gewinnen lässt – strahlt das noch immer und wird das auch für mehrere Jahrtausende noch machen. Und wir wissen nicht so wirklich, was wir damit dann machen sollen.
Ja, es gibt Endlager-Konzepte, doch viele davon werden angezweifelt. Alte Salzmienen? Aber was, wenn Wasser am Ende dadurch sickert und dann das Grundwasser verseucht? So richtig wissen wir nicht, was wir damit machen sollen. Oder besser ausgedrückt: Man wird sich dahingehend nicht einig. Zumal immer wieder eine Zukunftsgefahr gesehen wird: „Was ist, wenn wir vergessen, wo wir den Kram hingepackt haben und dann Leute das Zeug ausbuddeln und sterben?“ Was, natürlich, theoretisch passieren kann.
Dazu kommt der einfache Fakt: Niemand möchte dieses Endlager unbedingt bei sich haben. Denn selbst diejenigen, die davon erzählen, dass dieses Konzept sicher sei, haben vor der Strahlung oft genug Respekt, als dass sie es lieber weit weg hätten. Und dann wird natürlich darüber gestritten wo man es nicht lagern will.
Erneuerbare Energien sind (noch) nicht perfekt
Aber, wird nun der ein oder andere sagen, was ist denn mit den erneuerbaren Energien? Die sind doch gut, oder? Die brauchen auch kein Endlager und haben alle Probleme nicht. Doch dahingehend muss betont werden: So leicht ist es eben auch nicht. Natürlich wäre es optimal am Ende unseren gesamten Energiebedarf über erneuerbare Energien decken zu können – doch aktuell funktioniert das nicht auf Dauer.
Als ich in meiner Ausbildung als Elektrotechniker war, wurden noch teilweise Photovoltaikzellen verbaut, die einen Erntefaktor von 2-3 hatten, jedenfalls in unseren Breitengraden. Das hieß: Die Zellen würden, sollten sie ihre erwartete Lebensdauer schaffen, idealerweise 2 bis 3 Mal so viel Energie herstellen, wie dafür verwendet wurde, sie zu bauen. Mittlerweile ist es dankbarerweise dank neuer Technologien besser geworden. Dennoch liegt der aktuelle Erntefaktor zwischen 3 und 10 – in gemäßigten Klimazonen. Dieser wird sich mit weiterer Forschung weiter verbessern, doch für den Moment heißt es eben auch, dass durch lange Anlaufzeiten, um eine positive Energiebilanz zu gewinnen, Photovoltaik nicht die optimale Lösung ist.
Auch Wind und Solarenergie haben einen Ertefaktor von zwischen 15 bis 25 – mit Ausnahme von Windkraftanlagen an der Nordseeküste – und damit Amortisationszeiten von etwa einem Jahr. Und das lässt andere Konflikte, die durch sie entstehen, außer acht. Denn gerade bei der Windkraft, die soweit in Deutschland eine der effizientesten erneuerbaren Energiequellen ist, fühlen sich oft Anwohner durch den entstehenden Lärm gestört. So kommt es auch hier zu dem „Windkraft gerne, nur nicht bei mir“ Problem.
Zukunftslösungen?
Das heißt aber nicht, dass erneuerbare Energien nicht die Endlösung sein sollen. Denn ja, davon gehe ich aus. Forschung in Photovoltaik machen die Zellen leichter, machen es einfacher und damit energieeffizienter sie herzustellen und sollen es auch möglich machen, die Zellen möglichst zu recyceln. Auch für Windkraft finden wir bessere Methoden, diese effizienter zu bauen – und haben zudem festgestellt, dass die Off-Shore-Windparks eine erstaunlich gute Lösung sind, bei denen die negativen Folgen ausgeblieben sind.
Davon abgesehen wird weiterhin an Fusionsenergie geforscht, einer abfalllosen Form der Energiegewinnung. Tatsächlich scheint es hier, dass es langsam Durchbrüche gibt und es eventuell in ein, zwei Jahrzehnten möglich sein wird, zumindest Teile des Energiebedarfs auf diese Art und Weise zu decken.
Kernenergie ist entsprechend keine Endlösung. Es soll auch keine Endlösung sein. Aber es ist eine valide Übergangslösung, bis die erneuerbaren Energien effizienter und ausgebauter sind – und/oder Fusionsenergie einsatzbereit. Umso mehr, da es keine Form der Energiegewinnung mit einem höheren Erntefaktor gibt, als Kernkraft.
Prioritäten im Umweltschutz
Letzten Endes ist das ganze auch eine Frage der Prioritäten. Denn aktuell stehen wir vor dem Problem, dass der Einsatz von fossilen Brennstoffen unser Klima enorm verändert hat – und dieser Klimawandel vor einem Kipppunkt steht. Wenn wir nicht praktisch sofort so viele fossilen Brennstoffe wie möglich streichen, dann wird diese Welt für uns lebensfeindlich. Und dann? Ja, was?
Kernenergie ist keine optimale Lösung. Denn ja, es entsteht sehr gefährlicher Abfall. Und ja, es ist moralisch richtig sich darüber Gedanken zu machen, was wir mit dem in der Zukunft machen. Doch diese Gefahr ist eine weit langsamere, weit schleichendere Gefahr, als der Klimawandel. Und dieser sollte unsere Priorität sein. Deswegen halte ich es für unabdingbar, vorerst Atomkraft zu nutzen, um den Energiebedarf zu decken, den erneuerbare nicht decken können – aber dabei unbeirrt weiterzuarbeiten, um den Bedarf möglichst schnell mit erneuerbaren und/oder Fusionsenergie zu decken.
Und wenn wir das schaffen – dann sollten wir allesamt darauf achten, dass die Politiker*innen und andere Verantwortliche nicht vergessen, ein gutes, valides und dauerhaft sicheres Endlagerkonzept zu erstellen.
Doch bis dahin müssen wir uns erst einmal um das größte Problem kümmern: Den Klimawandel und die Umweltzerstörung, die im Namen der fossilen Energien geschieht, stoppen! Das sollte unsere Priorität sein. Ich weiß, dass es fiele nicht hören wollen. Doch für den Moment brauchen wir Atomkraft. Atomkraft und einen Plan, die erneuerbaren Energien möglichst schnell zu optimieren.
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