Sozialismus & Kommunismus: Geschichte, Ziele, Ideale

Nachdem ich vorgestern über einige Grundlagen des Kapitalismus gesprochen habe, will ich heute über die Geschichte von Kommunismus und Sozialismus sprechen, darüber, dass die beiden Begriffe unterschiedliche Systeme beschreiben, über Marx, über Geschichte, über Ideologien und über die Funktionsweise dieser Systeme.

Die Industrialisierung, der Kapitalismus und die Arbeiterausbeutung

Anders, als ihr vielleicht denkt, hat Karl Marx den Begriff Kommunismus nicht erfunden. Dieser wurde – von allem, was wir wissen – zuerst von dem französischen Autor Victor d’Hupay benutzt und von dessen Freund Restif de la Bretonne aufgegriffen und verbreitete sich dann Ende des 18. Jahrhunderts immer weiter. Bekannt wurde er jedoch tatsächlich durch Karl Marx und das von ihm geschriebene Parteiprogramm: „Das kommunistische Manifest“. Ähnlich sieht es mit dem Begriff „Sozialismus“ aus. Auch dieser kam im Frankreich des 18. Jahrhunderts auf und wurde aber massiv durch Marx beeinflusst und verbreitete sich ebenfalls im 19. Jahrhundert weit über Europa und Asien.

Der Grund, warum genau zu dieser Zeit die beiden Begriffe und die Schriften Marx so einen Einfluss hatten, war, dass dank der industriellen Revolution der moderne Kapitalismus begann, der neben dem dank Kolonialismus hergestellten internationalem Handel auch auf die Produktionsgeschwindigkeit angewiesen war, die die industrielle Revolution auf einmal möglich machte. Dadurch kam es zu massivem Missbrauch der Arbeiter*innen, durch diejenigen, die das Geld hatten, Fabriken und Maschinen kaufen zu können – dies ist etwas, das wahrscheinlich im Geschichtsunterricht auch betroffen wurde. Und dieser Missbrauch führte dazu, dass Ideen, wie der Kommunismus und Sozialismus schnell Anklang fanden.

Dies ist wahrscheinlich der eine Punkt, der bei vielen verhältnismäßig ausgiebig in der Schule behandelt wurde: Arbeiter*innen – inklusive Kinder – wurden während der industriellen Revolution massiv ausgeschlachtet. Sie waren oft gezwungen 10 Stunden und mehr zu arbeiten und haben dennoch ein Gehalt bekommen, dass es ihnen nicht erlaubt hat, wirklich Wohnraum zu besitzen. Es gab Armenhäuser. Viele Leute haben gehungert. Die Arbeitssicherheit war nicht gegeben. Immer wieder sind Arbeiter*innen durch vermeidbare Unfälle umgekommen. Und das alles, um den Inhabern der neuen Fabriken ein wenig mehr Gewinn zu machen. Daraus haben sich die ersten Gewerkschaften gebildet – und hier haben Menschen wie Marx angefangen ihre Theorien zu formulieren.

Die Ungerechtigkeit des Kapitalismus

Ganz grundlegend bauen Kommunismus und Sozialismus auf derselben Annahme auf: Der Gewinn einer Firma wird zu großen Teilen von den Arbeiter*innen erwirtschaftet, die unter oft schweren Bedingungen diese Arbeit vollrichten. Dennoch verdienen die Arbeiter*innen im Verhältnis zu dem Firmeninhaber*innen (und etwaigen Geldgeber*innen oder Manager*innen) eher wenig und haben wenig Entscheidungsmacht innerhalb der Firma. Das heißt meist: Treffen die Machthabenden gute Entscheidungen profitieren die Arbeiter*innen kaum. Treffen sie schlechte Entscheidungen verlieren die Arbeiter*innen schlimmstenfalls ihren Job und ihr Einkommen und haben keine Möglichkeit dagegen vorzugehen oder die Entscheidung aufzuhalten. Das ist nicht gerecht.

Wäre es nicht gerechnet, wenn die Arbeiter*innen, durch deren Arbeit, die Firma überhaupt erst bestehen kann, einen entsprechenden Anteil am Gewinn der Firma erhalten? Wäre es nicht außerdem gerecht, wenn Arbeiter*innen ein Mitspracherecht haben, wenn es um Entscheidungen geht, die schlimmstenfalls über die Existenz des Unternehmens entscheiden können? Wäre es nicht auch gerecht, wenn die Politik die Rechte der Arbeiter*innen gegenüber denen der Firmen und ihrer Inhaber priorisiert?

Egal welche Form des Kommunismus und Sozialismus: Im Grunde dreht es sich immer darum, eine Lösung zu finden, welche diese Themen adressiert und die Ungerechtigkeiten beseitigt. Wie diese genau formuliert werden, ist jedoch ein Unterschied.

Der Sozialismus

Wie schon gesagt: Sozialismus ist nicht dasselbe wie Kommunismus, auch wenn es viele, sehr, sehr viele Menschen durcheinanderwerfen. Dies geht nicht zuletzt auf Propaganda aus Zeiten des kalten Krieges zurück. Zwar sind beide Ansätze eng miteinander verknüpft – und viele sehen Sozialismus als Zwischenstadium zum Kommunismus – doch beschreiben sie nicht dasselbe. Die Frage ist hier wieder darin: Wer verfügt und wer besitzt? Aka: Wer besitzt/verfügt über die Arbeits- und Produktsionsmittel?

Arbeits- und Produktionsmittel beschreibt alles, was für die Herstellung neuer Produkte gebraucht wird. Das sind Rohstoffe, das sind Maschinen, das sind Verbrauchsgüter (wie Wasser oder Strom), das ist Produktionsfläche usw. Im Kapitalismus gehören diese üblicherweise der Firma und damit dem oder den Firmeninhaber*innen.

Der Sozialismus sagt: Idealerweise der Staat oder eine ähnliche zentrale Autorität, jedoch kann theoretisch der Besitz auch in Privathänden gelassen werden, solange diese nicht mehr frei darüber verfügen können. Entscheidungen wie mit der Produktion und damit den Produktions- und Arbeitsmitteln verfahren wird, also was wie und in welchen Mengen produziert wird, müssen jedoch auf eine Art getroffen werden, dass sie möglichst der Allgemeinheit oder zumindest allen Mitarbeiter*innen der Firma zu Gute kommen. Entsprechend sollen auch Überschüsse der Firma an die Mitarbeiter*innen ausgeschüttet werden.

Wichtig dabei ist, dass das Organ, dass diese Entscheidungen trifft, im Sinne aller handelt. Optimalerweise ist es dabei demokratisch gewählt und die Arbeiter*innen oder die weite Allgemeinheit hat Möglichkeiten, etwaig schlechte Entscheidungsträger abzuwählen oder auszutauschen.

Der Kommunismus

Der Kommunismus geht einen Schritt weiter als der Sozialismus. Der Kommunismus sagt: Die Arbeits- und Produktionsmittel sollen allen gehören. Wie sich das „alle“ definiert kann dabei unterschiedlich ausgelegt werden. Eventuell sollte eine Firma nur allen Mitarbeiter*innen gehören. Eventuell geht es aber soweit, dass die Arbeits- und Produktionsmittel in einem Land allen Bürger*innen gehören sollen. Natürlich heißt das auch, dass es irgendwelche Mechaniken geben muss, dass die Arbeiter*innen oder Bürger*innen gemeinsam entscheiden können, wie produziert wird.

In der Theorie sorgt Kommunismus dafür, dass alle Menschen weniger arbeiten werden – nicht, weil sie faul sind, sondern weil das kapitalistische System darauf aufbaut, einen massiven Überschuss für Gewinn zu produzieren. Betrachten wir traditionelle Gesellschaften, die nur für den eigenen Bedarf produziert haben, so waren die Arbeitszeiten (trotz dem Mangel an moderner Technik) oft deutlich geringer. Zwar würde idealerweise auch eine gewisse Rücklage, um bspw. für eine Krise, wie die aktuelle vorbereitet zu sein, jedoch nicht wirklich für einen Profit.

Auf lange Zeit kann es sein, dass in einer kommunistischen Gesellschaft Geld komplett überflüssig wird oder nur noch für Luxus-Produkte eingesetzt wird. Denn nein: Nur weil es Kommunismus gibt, heißt es nicht, dass es gar keinen Luxus mehr gibt. Wie gesagt: Die Wirtschaft wird demokratisiert, nicht gänzlich abgeschafft.

Karl Marx und der Klassenkonflikt

Und damit widmen wir uns dem guten, alten Karl und der Frage, was er eigentlich dazu gesagt hat – und warum er eigentlich so einflussreich bzgl. Sozialismus und Kommunismus war. Karl Marx war ein Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph aus Deutschland, der zwischen 1818 und 1883 lebte. Er hat vor allem über die Wirtschaft und die Folgen aktueller wirtschaftlicher Entwicklungen spekuliert – und zentral eben den Folgen des Kapitalismus.

Dabei schrieb er mehrere einflussreiche Werke. Am nennenswertesten seien „Das Kapital“ und „The Communist Manifesto“ (das tatsächlich ursprünglich auf Englisch erschien), das „Manifest des kommunistischen Bundes“, eines internationalen kommunistischen Zusammenschlusses. In „Das Kapital“ diskutiert er den Kapitalismus, seine Folgen für Arbeiter*innen und wie Marx‘ Einschätzung nach der Kapitalismus sich irgendwann immer selbst zerstören wird. Er geht darauf ein, wie in der kapitalistischen Gesellschaft alles – auch die Arbeit der Arbeiter*innen – zu Konsumgütern wird und für den maximalen Gewinn eingesetzt wird. Was dazu führt, dass Arbeiter*innen mehr arbeiten, als eigentlich notwendig ist, da sie für mehr Gewinn überproduzieren. Er schreibt außerdem, dass Kapitalismus, durch die massive Anhäufung von Kapital auf immer und immer weniger Leute, instabil wird – da das System eine gewisse gleiche Verteilung voraussetzt, um zu funktionieren.

Das bekanntere Werk ist allerdings „The Communist Manifesto“, wo Marx und Engels vor allem über das Konzept des Klassenkampfes sprechen (oder Klassenkonflikt). Dabei unterteilen sie die Gesellschaft in zwei Klassen: Die Bourgeoisie und das Proletariat. Die Bourgeoisie sind die Kapitaleigner. Diejenigen, denen die Arbeitsmittel gehören. Das Proletariat umfasst alle Arbeiter*innen, da diese durchgehend von der Bourgeois ausgenutzt werden. Marx und Engels sagen, dass Kapitalismus in dem Moment scheitern wird, in dem es ein Klassenbewusstsein im Proletariat entsteht und dieses zusammenarbeitet, da sie nun einmal die Mehrheit der Bevölkerung abbilden.

Spätere Kommunist*innen und Sozialist*innen sprachen auch darüber, dass die Bourgeois ihre Kontrolle bspw. über die Medien und Schulen nutzen, um zu verhindern, dass das Proletariat ein Klassenbewusstsein entwickelt. So wird das Proletariat dazu gebracht, von sich nicht als einer, sondern mehreren Klassen zu denken (Stichwort: Mittelschicht).

Marx strebte eine kommunistische Gesellschaft an, sah jedoch den Sozialismus als einen unabdingbaren Zwischenschritt an.

Reform vs Revolution

Unter Sozialist*innen (und Kommunist*innen) gibt es grundlegend zwei Ansichten darüber, das Zielstadium zu erreichen: Reform oder Revolution. Die Revolutionären sind diejenigen, die meistens als die „Extremist*innen“ bezeichnet werden. Reformer*innen wollen die Politik durch politische Regelungen Stück für Stück verändern. Das heißt eben: Im politischen System spielen und sich wählen lassen – etwas, das natürlich auch im eigentlich demokratischen Sinn von sowohl Sozialismus und Kommunismus ist.

Dabei gründen Reformer*innen eben linke Parteien oder treten bestehenden Parteien bei, um deren Programm weiter nach links zu lenken. Angestrebte Gesetzesgebungen können dabei sein:

  • Verbesserung der Krankenversicherung und medizinischen Versorgung, so dass alle Menschen gleichermaßen Zugang zum Gesundheitssystem haben. (Oft durch eine Vereinheitlichung der Krankenversicherungen angestrebt – also ein System, das alle notwendigen Sachen abdeckt ohne Zuzahlungen und in das alle einzahlen.)
  • Forderungen nach staatlichem Wohnungsbau, Aufkaufen von leerstehenden Wohnräumen oder auch maximalen Mieten, um dafür zu Sorgen, dass alle Menschen Wohnraum zur Verfügung stehen haben, ohne sich dafür ruinieren zu müssen.
  • Regelungen zur Verbesserung des Nahverkehrs als für alle zugängliche Transportmöglichkeit.
  • Stärkere Regulierungen von Firmen, speziell in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Gehälter und Rechte von Arbeiter*innen.

Sprich: Reformer*innen streben Gesetze an, die eine Grundlage bauen, auf der man später einen sozialistischen und darauf ggf. einen kommunistischen Staat aufbauen könnte. Gleichzeitig kann diese Grundlage jedoch auch ohne Weiterentwicklung dafür sorgen, dass es den „einfachen Menschen“, also den Arbeiter*innen, bzw. dem Proletariat eben besser geht.

Die Revolutionären dagegen sagen: „Das funktioniert so nicht. Die Bourgeoisie hat zu viel Macht über das politische System, dass man innerhalb des politischen Systems das wirtschaftliche System verändern kann. Deswegen muss eine Revolution angestrebt werden, in der das bestehende System umgeworfen und neu aufgebaut wird – im Notfall mit Gewalt. Die Bourgeoisie wird anders ihr Kapital nicht aufgeben.“ Anders gesagt: Die Millionäre und Milliardäre kontrollieren im aktuellen System die Parteien und die politische Landschaft durch Lobbyismus und auch Finanzierung von bspw. Parteiwerbung. Auch kontrollieren sie in vielen Ländern die Medien und damit die öffentliche Meinung. Dadurch verhindern sie den Aufstieg von Parteien und Politiker*innen mich sozialistischen Ideen, weshalb Reform nicht funktionieren kann. Deswegen, so die Revolutionären, braucht es eine Revolution.

Die UdSSR

Sprechen wir an dieser Stelle kurz über ein paar bekanntere und weniger bekannte Beispiele von sozialistischen (oder zumindest so geplanten) Staaten in der Geschichte – und geschichtliche Auswirkungen. Theoretisch könnte ich mit diversen historischen Gesellschaften anfangen von denen viele im Prinzip Sozialistisch oder Kommunistisch war: Menschen in einer Kommune produzierten gemeinsam, lebten gemeinsam, versorgten einander und stimmten meist darüber ab, wie vorzugehen war – und irgendwann kamen dann Europäer. Diese Gesellschaften bezeichneten sich natürlich aber selbst nicht als „kommunistisch“, daher fangen wir wohl mit dem Beispiel an, an das alle denken, wenn es um das Thema geht: Die UdSSR.

Gerne würde ich sagen: „Wir kennen die Geschichte ja alle“, doch erfahrungsgemäß ist dies eben nicht der Fall, da viele Schulen das Thema nicht oder nur unzureichend behandeln. Die Grundlage für die Sowjetunion wurde bereits während der Dezemberrevolution von 1825 gelegt, der viele Russen dazu brachte, die Monarchie und das Klassensystem zu hinterfragen. Es gab in den nächsten 90 Jahren mehr und mehr Bewegung, von einer absoluten Monarchie zu einer konstitutionellen Monarchie zu wechseln, wogegen sich Zar Nicholas II jedoch wehrte. Dann kam der 1. Weltkrieg mit all den Folgen, die ein Krieg nun einmal hat. Es gab eine weitere Revolution und dieses Mal wurde die Monarchie überworfen. Es wurde eine vorübergehende Regierung entwickelt – doch zur selben Zeit gab es mehr und mehr Arbeiterzusammenschlüsse und diese entmachteten so schließlich die vorübergehende Regierung und gründeten die Regierung der Sowjetunion. Es gab einen Bürgerkrieg zwischen den „Roten“, also den Sozialisten, und den „Weißen“, größtenteils dem alten Militär, das noch immer pro-monarchisch war, doch am Ende gewannen die Roten. Lenin wurde Regierungschef und versuchte Russland schnellstmöglich aus dem Krieg zurückzuziehen.

Als der Krieg zu Ende war, wurde die Sowjetunion ausgerufen und Regeln gemacht. Ja, das involvierte eine Ein-Parteien-Politik, auf die ich Freitag noch mal genauer eingehen werde, und Pläne, die Wirtschaft von Grundauf neu aufzubauen – was durchaus auch gelang. (Man sollte nicht vergessen, wie rapide sich die Sowjetunion technisch in kürzester Zeit weiterentwickelt hat.) Dann aber starb Lenin an seinem dritten Schlaganfall. Eigentlich sollte er von einem Triumvirat mit n Stalin als Fürsprecher für die Arbeiter*innen abgelöst werden – doch Stalin riss durch politisches Spiel die Macht an sich und wurde zum totalitären Alleinherrscher der Sowjetunion. Es folgten massive Fehlentscheidungen Stalins, die zu Hungersnöten führten, und eine Zunahme an Staatsgewalt, im Versuch Stalins seine Macht zu halten.

Zur gleichen Zeit gab es gewisse politische Entwicklungen in Deutschland und Italien, mit denen wir wahrscheinlich deutlich besser vertraut sind. Und schließlich begann der zweite Weltkrieg, der auf russischer Seite erstaunlich wenig mit Sozialismus zu tun hatte.

Der kalte Krieg

Wir sollten eine Sache über Stalin festhalten: Er war kein Sozialist. Lenin wollte eigentlich auch verhindern, dass Stalin an die Macht kommt, da er bereits misstrauisch ihm gegenüber war. Allerdings ist er damit – offensichtlich – gescheitert. Stalin war vornehmlich Autoritär und wollte Macht. Seine Regierungszeit war vornehmlich von seiner Angst geprägt, dass jemand ihn stürzen könnte, wodurch er immer stärker gegen Kritiker*innen vorgegangen ist. Etwas, das auch spätere Regierungen geprägt haben.

Das gesagt: Wir waren beim zweiten Weltkrieg und kommen damit zu dem, was bezüglich der UdSSR folgte: Die Ausbreitung des Gebiets, aber auch der kalte Krieg. Zur Erinnerung: Der kalte Krieg oder auch der Konflikt zwischen den USA und UdSSR, welche Wirtschaftsform die bessere ist. Zu dieser Zeit passierten in den UdSSR auch ohne Stalin eine Menge kritischer Entscheidungen und die Regierungen waren oft von Paranoia geprägt. Aber wir müssen an dieser Stelle auch über die USA sprechen. Denn zum kalten Krieg gehörten zwei Parteien.

Denn was in unserer historischen Betrachtung bezüglich des kalten Krieges ein großes Problem ist: Wir neigen dazu ihn als einen Konflikt zu betrachten, in dem es eine „richtige“ und eine „falsche“ Seite gab – anstatt zwei falsche Seiten. Denn ja, die UdSSR zu diesem Zeitpunkt war totalitär, aber darüber wird gerne vergessen, dass auch die USA zu dieser Zeit stark im Gegenzug eskalierte, inklusive dessen, dass im Kampf gegen Sozialismus Misstrauen und Hass gegen Atheisten geschürt wurde und Leute auf purer Vermutungsbasis „pro-sozialistisch“ zu sein verhaftet und gefangen gehalten wurden. (McCarthyismus wurde dies genannt – basierend auf dem Abgeordneten McCarthy, der für besonders hartes Vorgehen gegen Sozialisten stand.)

Dies waren aber nur die innenpolitischen Entscheidungen im kalten Krieg. Jedoch ging aus der Angst vor den „Roten“ auch noch anderes hervor.

Vietnam

Die bekanntesten Konflikte, die direkt oder indirekt durch den kalten Krieg geprägt wurden, sind wohl der Vietnamkrieg, der Koreakrieg und der Afghanistankrieg. Lasst uns hier aber erst einmal über Vietnam sprechen – da dieser auf internationaler Ebene mehr Aufsehen erregt hat und ebenso mit ein paar anderen Themen zu tun hat. Denn: Der Vietnamkrieg ging direkt aus dem Indochinakrieg hervor. Und der Indochinakrieg war ein Dekolonialisierungskrieg. Denn nach dem zweiten Weltkrieg wurde beschlossen, dass Frankreich „Indochina“ weiterhin beherrschen soll. Dagegen gab es Widerstand – und der Widerstand gewann. Die Länder bekamen Selbstständigkeit und in verschiedenen Ländern, wie beispielsweise Vietnam, wurden Regierungen gegründet, die der UdSSR, China und marxistischen Ideen positiv gegenüberstanden. Diese hatten jedoch auch Gegenwehr aus pro-westlichen und damit pro-kapitalistischen Gruppen.

Es kam dadurch zu einem innerländischen Konflikt und die USA mischte sich ein, brachte damit die UdSSR und China ebenfalls dazu sich einzumischen. Und auch wenn die wenigsten den Vietnamkrieg in der Schule behandelt haben werden, so sollte dank Popkultur den meisten zumindest so viel bekannt sein: Er war blutig. Er war unnötig brutal. Amerikanische Soldaten waren Zwangsrekrutiert worden. Zivilist*innen starben en masse entweder durch direkte Angriffe, Mienen oder Hunger. Und am Ende war es für die USA dennoch eine Niederlage. Der Krieg wurde beendet aufgrund des massiven Drucks innerhalb des Landes – sowohl in Folge der Zwangsrekrutierung, als auch in Folge dessen, dass mehr und mehr Menschen erfuhren, wie blutig der Krieg gefochten wurde.

Der Vietnam ist bis heute sozialistisch, wenngleich sie stark von maoistischen Modell beeinflusst sind.

Sozialismus in der Karibik, Mittel- und Südamerika

Die bekannten Fälle sind jedoch nicht die einzigen, in denen die USA interventioniert haben – auch wenn nicht immer die UdSSR direkt involviert waren. Denn nach dem zweiten Weltkrieg gab es auch in der Karibik, Mittel- und Südamerika immer wieder sozialistische Bewegungen. Kuba ist dabei den meisten bekannt, nicht zuletzt, da die Kubakrise den kalten Krieg hätte beinahe eskalieren lassen.

Doch Kuba war nicht allein. In diversen Gebieten gab es sowohl Reformen, als auch Revolutionen, mit dem Ziel die Staaten in eine sozialistische Richtung zu lenken. Oftmals wurden diese zentral auch von der indigenen Bevölkerung angeführt/unterstützt und beinhaltete nicht selten dekoloniale Aspekte. Ecuador und Chile seien hier genannt, aber auch in Brasilien gab es entsprechende Reformer*innen, wie auch in diversen der kleineren Staaten. Aber auch hier gab es US-Interventionen, mit dem Ziel entweder den Aufstieg des Sozialismus oder Kommunismus zu verhindern oder eine bestehende Regierung zu untergraben. So wurden bspw. verschiedene militärische Coups von den USA unterstützt und autoritäre Regimes an die Macht gebracht.

Besonders hart hat es dabei Chile getroffen, dessen neue (demokratisch gewählte!) Regierung von einigen Hardlinern aus den USA und auch aus den UK (damals noch unter Thatcher) gestützt wurde, die eine objektivistische Form des laissez-faire Kapitalismus dort testete. Etwas, das auf lange Sicht gesehen zu den heutigen Protesten dort geführt hat.

Es gibt in diesem Kontext zu viele Beispiele, wo die US sich in lateinamerikanische Politik eingemischt haben – fast immer durch den „Kapitalismus vs. Sozialismus“ Kampf motiviert. Es gibt eine eigene Wikipedia-Seite nur dazu. Und auch außerhalb von Lateinamerika gab es solche Eingriffe. Da das Thema in deutschen Medien oder Schulen kaum besprochen wird, ist es definitiv etwas, wobei es sich lohnt, sich weiter einzulesen.

Sozialismus und Dekolonialisierung

Was ihr vielleicht daraus lesen könnt: Dekoloniale Bewegungen gehen häufig mit Sozialismus einher. Häufiger sogar noch, als hier aufgeführt. Beispielsweise war auch die Anti-Apartheit Bewegung in Südafrika auch eine sozialistische und vor allem anti-kapitalistische Bewegung. Und dies ist kein Zufall.

Ich verweise an dieser Stelle auf meine Beiträge zur Geschichte des Kolonialismus (Teil 1, Teil 2, Teil 3). Es ist nun einmal traurige Tatsache, dass der Kolonialismus zentral durch Profitgier motiviert wurde – sicher, waren auch rassistische und religiöse Ideologien wichtig für den Verlauf, doch zentral war Profit die Hauptmotivation. Sowohl Natur, als auch Menschen in den Kolonien wurden erst im Merkantilismus, dann im Kapitalismus ausgebeutet und dies hielt auch nach dem offiziellen Ende des Kolonialismus an. Indigene Bevölkerungen wurden weiterhin ausgenutzt und unterdrückt – sowohl durch Rassismus, als auch durch die kapitalistische Wirtschaft. Deswegen sind so viele der Rebellionen eben nicht nur anti-kolonialistisch und anti-rassistisch, sondern auch anti-kapitalistisch.

Betrachtet man die Weltwirtschaft genauer, ist es an sich auch nicht schwer zu erkennen: In jenen Ländern arbeiten viele Menschen in globalen Produktionsketten für einen Hungerlohn, um meistens Rohstoffe zu fördern oder Zwischenerzeugnisse herzustellen. Diese Rohstoffe werden meist von westlichen Eigentümer*innen und Firmen besessen und verkauft. Die Arbeitsbedingungen sind schlecht. Bei der Rohstoffförderung werden oft Umwelt und Gewässer vergiftet. Während in westlichen Ländern Leute durch Folgen des Kapitalismus leiden und verarmen ist es hier häufig noch schlimmer.

Sozialismus und progressive Politik

Eine andere Sache, die in diesem Zusammenhang zu beobachten ist, ist, dass sozialistische Plattformen meistens auch eng mit progressiven Plattformen zusammenarbeiten. Progressiv in diesem Zusammenhang meint vor allem anti-hierarchische, anti-konservative, anti-rassistische, anti-patriarchische und pro-diverse Plattformen. Der Grund dafür lässt sich vornehmlich in etwas finden, das ich bereits am Montag erklärt habe: Als die Monarchien fielen, wandte sich der Konservatismus mit seiner hierarchischen Weltsicht dem Kapitalismus zu. Konservatismus ist dem Kapitalismus nicht eigen, aber in unserer Welt gehen die beiden meistens Hand in Hand. Da Konservatismus für hierarchische Gesellschaftsmodelle steht und Rassismus, Patriarchat oder bspw. auch Heteronormativität ebenfalls hierarchisch sind, passen diese dabei auch ins Bild.

Entsprechend ist es nur logisch, dass der Sozialist*innen und Kommunist*innen, die dem entgegenstehen, sich eben auch diesen Ideologien entgegenstellen. Doppelt so, weil Sozialismus und Kommunismus durch den Wunsch nach einer gerechteren Welt geprägt sind und diese Ideologien nun einmal ungerecht sind. Gleichzeitig ist es auch so, dass eben dieser Wunsch vor allem bei denen aufkommt, die am stärksten unterdrückt werden – und viele marginalisierte Gruppen sind oftmals nicht nur marginalisiert, sondern werden auch wirtschaftlich unterdrückt, da sie schlechtere Chancen auf (gut bezahlte) Jobs haben.

Ein ehrliches Gespräch

Was mich im Bezug auf das Thema Sozialismus und auch Kommunismus stört, ist, dass wir kaum ehrlich darüber reden. Wir reden nicht ernsthaft über die Ideen, wir unterrichten nicht tiefgehend über die Geschichte. Wenn man versucht, das Gespräch aufzunehmen wird man mit einem „Funktioniert nicht! Hat nicht funktioniert! Kapitalismus ist die einzige Möglichkeit!“ abgewürgt. Auf der anderen Seite ist es jedoch ebenso nicht immer besser, wenn man versucht darüber zu sprechen, warum die Sowjetunion gescheitert ist oder warum Stalin ein Diktator war, und etwaige Kriegsverbrechen Stalins einfach ignoriert oder schöngeredet werden.

Vor allem aber würde ich mir – auch hier – einmal wieder wünschen, dass die Gespräche, wenn sie überhaupt zustande kommen, nicht immer so vollkommen eurozentrisch ablaufen würden. Da sind eben die ganzen sozialistischen Bewegungen, die in Afrika, Südamerika und Asien stattgefunden haben – und diese werden im Gespräch meistens ignoriert. Genau so, wie ignoriert wird, dass diverse Kulturen eine Quasi-Kommunistische Wirtschaft hatten, bis es Kontakt mit Europa gab (was nicht heißen soll, dass in diesen Kulturen sonst immer alles toll lief, nur, dass Kapitalismus nicht „natürlich“ ist).

Und was mich besonders stört, ist, dass immer wieder dieselben paar „Argumente“ gebracht werden, wenn das Thema aufkommt. Nicht selten „Argumente“, die leicht zu widerlegen sind, wenn man sich nur ein wenig damit beschäftigt. Darüber werde ich übermorgen hier sprechen.


Das Beitragsbild stammt wieder einmal von Unsplash.