Dekolonialisierung der Phantastik: Kolonialismus & Geschlechterrollen – Teil 2
Wir haben am Dienstag bereits (oberflächlich, dank der Komplexität des Themas) über den geschichtlichen Kontext von Geschlechtern und Kolonialismus gesprochen. Doch diese Reihe heißt „Dekolonialisierung der Phantastik“ – also lasst uns heute über zwei Dinge reden: Wie dieses Geschlechterverständnis die Phantastik beeinflussen kann, wie wir Geschlechterverständnis dekolonialisieren können und was dies für die Phantastik heißen kann.
Dieser Beitrag gehört zu meiner Weblog-Reihe „Dekolonialisierung der Phantastik“. Wenn ihr mehr zu der Reihe erfahren wollt, schaut in den Einführungsbeitrag.
Geschlechterbild in Fantasy
An sich haben wir hier im Blog schon mehr als einmal über Geschlechter gesprochen. Sei es im Kontext von Weltenbau, bezogen auf Frauen, auf andere Geschlechter und auf gelebte Sexualität. Sei es im Kontext von Gewalt. Sei es bezogen auf den Stereotyp der „starken Frau“. Oder in Bezug auf die Repräsentation von Autorinnen in Fantasy-Regalen.
Effektiv lässt sich die Problematik
wie folgt zusammenfassen:
Phantastik kennt meistens nur binäre
Geschlechter. Ja, es gibt tendenziell bei neuen Publikationen schon
Bücher (oder allgemein auch Serien, Filme, Spiele), die nicht-binär
beinhalten (und ggf. im Deutschen dann doch wieder binärisiert
werden), aber sie sind eher die Ausnahme. Denn natürlich können wir
uns mit Drachen und Magie, mit FTL-Technologie und monokulturellen
Planeten anfreunden, aber mehr als zwei Geschlechter? Wo kämen wir
hin?! Selbiges gilt auch für trans Figuren, die häufig einfach
nicht existieren.
Die binären Geschlechter werden häufig dann auch in bestimmte Muster gepresst, was bei beiden bestimmte Stereotypen vorherrschen lässt. Wir haben junge Knaben, die noch mit großen Augen in die Welt ziehen und abgehärtet werden müssen. Wir haben grummelige Anti-Helden. Wir haben die „Zero to Hero“ Bauernjungen-Charaktere im Sinne von Luke Skywalker. Es gibt außerdem natürlich noch die Power-Fantasy Helden, die evtl. nebenbei auch massive Anziehung auf das weibliche Geschlecht ausüben. Und das sind die häufigsten männlichen Stereotypen.
Bei Frauen – das haben wir wirklich ausgiebig besprochen – haben wir Heldinnen, die eigentlich doch die ganze Zeit gerettet werden müssen, wir haben auch Heldinnen, die alles weibliche hassen und „stark und unabhängig“ sind, wir haben auch Heldinnen, deren ganzes Leben sich nur um ein Love Interest dreht, und wir haben Heldinnen, die alle traditionellen weiblichen Ideale darstellen und dafür belohnt werden. Das deckt einen großen Teil weiblicher Figuren an.
Natürlich gibt es für alles Ausnahmen, auch nicht zu wenige. Aber diese Muster lassen sich eben doch immer wieder erkennen. Sie sind traditionell-konservativ. Selbst wenn ein weiblicher Charakter ausbricht, dann muss dies gleich im Übermaß passieren, bei dem alles Weibliche verurteilt wird. Und ja, dieses Traditionelle, extrem Binäre ist ein Problem.
Tradition und Kolonialismus
Reden wir also darüber, warum es uncool ist, wenn Phantastik so traditionalistisch ist, wenn es um die Geschlechterrollen geht. Der eine Aspekt ist wahrscheinlich jeder*m Leser*in dieses Weblogs bereits klar: Mediendarstellungen, die immer und immer wieder dasselbe Weltbild wiederholen, helfen dieses Weltbild als Standard in den Köpfen der Konsument*innen zu etablieren. Da Phantastik nicht allein mit den traditionellen Geschlechterrollen ist, sondern diese bereits in Bilderbüchern für Kinder anfangen, wird dieses Weltbild früh gebaut und weiter verstärkt. Das führt dazu, dass Menschen, die nicht in dieses Bild passen (seien es Jungs, die mit Puppen spielen, oder Mädchen, die Mechanik auseinandernehmen), gezwungen werden, sich diesem Bild anzupassen. Jedenfalls wird dies oft versucht. Sei es im Kindesalter durch Eltern, Lehrer*innen oder Hänseleien von Mitschüler*innen. Sei es im Erwachsenenalter durch Mitarbeiter*innen, Vorgesetzte und allgemein die Jobchancen. Auch die bloße Tatsache, wenig Repräsentation – und sei es ein männlicher Kindergärtner oder eine weibliche Mechanikerin – zu finden, ist Stress. Allgemein sorgt dieses Starre Weltbild für psychische Belastung für fast alle.
Gleichzeitig ist da natürlich noch der Aspekt dieser Weblogreihe: Kolonialismus. Und wie wir am Dienstag ausgearbeitet haben: Unsere starren Rollenbilder entspringen zu nicht unerheblichen Teilen Rom. Und während Rom es großen Teilen Europas in der Antike aufdrückte, drückten dann die europäischen Mächte dieses Weltbild dem Rest der Welt im Kolonialzeitalter auf. Es wurde sich bemüht Menschen anderer Kulturen, die andere Rollen- und Weltbilder hatten abzuwerten, ja, diese Weltbilder als „unzivilisiert“ darzustellen. Auch heute herrschen in vielen Ländern, auch in solchen, deren indigene Kulturen andere Bilder hatten oder sogar noch haben, medial oft europäische Normen zu einem gewissen Teil vor. Dass westliche und vor allem eben die amerikanische Medienlandschaft weltweit medial einflussreich ist, trägt natürlich seinen Teil dazu bei. Und so werden nicht nur schädliche Weltbilder weiterverbreitet, sondern auch andere – egal, ob diese nun selbst schädlich sind oder nicht – unsichtbar gemacht.
Wenn alles binär ist
Und wo wir schon über Dinge sprechen, die unsichtbar gemacht werden: Die Tatsache, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, gehört ebenfalls dazu. Denn auch wenn in der realen Welt Menschen leben, die weder männlich, noch weiblich sind, und auch wenn verschiedene Kulturen dies seit Jahrtausenden anerkannt haben, so ist das moderne Weltbild eben auch kolonialgeprägt binär und auch dies zeigt sich in der Phantastik.
Erneut: Es ist ein Thema, das sich in den letzten Jahren wenigstens in der englischsprachigen Medienlandschaft verändert hat, selbst wenn es oftmals eben nicht in den deutschen Fassungen ankommt. Trotzdem sind selbst in der englischen Fantasy viele, viele Welten komplett binär. Egal ob Science Fiction oder Fantasy – oftmals kommen nicht-binäre Identitäten einfach nicht vor, obwohl man meinen sollte, dass alles möglich ist.
Allerdings ist es auch, selbst wenn nicht-binäre Figuren vorkommen, häufiger so, dass diese mit Stereotypen behaftet sind. Ein Klassiker (dessen ich mich selbst schuldig mache), ist dier genderfluide Gestaltwandler*innen, bei diem halt wieder die Tatsache, dass sier einen fluiden Körper hat, sich auf die Geschlechtswahrnehmung auswirkt. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber wieder, dass es den Autor*innen schwer fällt, den Körper von der Geschlechtswahrnehmung zu trennen.
Und selbst wenn sie keine Gestaltwandler*innen sind, so sind sie häufig nicht menschlich und stellen auch mal in Geschichten mit einem ansonsten komplett menschlichem Cast das einzige nicht-menschliche (wenngleich weiterhin humanoide) Mitglied dar. Was ein wenig impliziert, dass nicht-binäre Menschen irgendwie weniger menschlich sind.
Exkurs: Brave Mädchen und Horror
Ich möchte an dieser Stelle euch auf einen kleinen Exkurs in das Phantastik-Genre, über das ich sonst wenig spreche, nehmen: Horror. Horror kommt hier selten vor, da ich Horror recht selten konsumiere. Dennoch hat auch Horror – bekannterweise – seine Geschlechter-Themen. Und ich möchte über einen Trope sprechen, der vor allem in den 80ern beliebt wurde, selbst wenn er vorher schon lang existierte: Die Überlebende.
Denn tatsächlich ist es in vielen Horrorfilmen, bei dem ein Axtmörder oder ein Monster eine Gruppe junger Menschen einen nach dem anderen ermordet, häufig leicht absehbar, wer am Ende überlebt. Oft ist es eine junge Frau. Und zwar diejenige, die eben konservative Ideale einer Frau erfüllt. Sie ist lieb, sie ist nett, sie kümmert sich um kleinere Geschwister oder Nachbarskinder, sie hat keinen Sex, sofern sie nicht verheiratet ist, sie kleidet sich „anständig“ und ist oft der „Nerd“ der Gruppe. Aber eben ein Nerd, der einfach nur gut in der Schule, aber nicht zu ehrgeizig ist. Eventuell wird sogar etabliert, dass sie gut in der Küche ist. Wie gesagt: Sie ist das konservative Idealbild einer Frau. Und damit ist sie oft das absolute Gegenstück zum Monster oder Mörder, das/der natürlich alles verkommene in der Gesellschaft darstellt, weshalb sie ihn besiegen kann.
Derweil sterben andere. Mit als erstes die Frauen oder Mädchen, die Sex haben oder es versuchen. Oder die, die sich „aufbretzeln“, weil sie einfach gerne so aussehen wollen. Dies entspricht jedoch nicht konservativen (europäischen) Werten – und dafür werden sie bestraft.
Der Trope hat zwar an Beliebtheit verloren seit den 80ern, wo fast jeder Slasher-Horror und auch diverse Monster-Horror-Filme dem Trope erfüllten, aber man findet ihn dennoch immer wieder. Selbst wenn es mittlerweile nicht ganz so offensichtlich ist und es weniger Filme sind – was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass viele heutige Horrorfilme andere Ängste behandeln, als sie es in den 80ern und 90ern noch taten. Dennoch scheint es eine Zielgruppe zu geben, die für diesen Trope weiterhin empfänglich ist.
Allgemein ist das Verhältnis von Horror zu Geschlecht und Sexualität noch einmal ein spannendes Thema – für das ich mich nur leider nicht ausreichend mit dem Genre auseinandergesetzt habe.
White Feminism in der Phantastik
Kehren wir also in unsere klassischen Gewässer zurück: Fantasy und Science Fiction. Und reden über ein Thema, das in diesem Kontext noch wichtig zu verstehen ist – und gerade durch eine bekannte Serie und eine bekannte Autorin nicht irrelevant: White Feminism.
Ich habe dieses Thema bereits am Dienstag angesprochen, doch zur Auffrischung: Die Suffragetten-Bewegung war beinahe ausschließlich um weiße cis Frauen herum aufgebaut. Sie schloss WoC aktiv aus, wie natürlich auch trans Personen und häufig auch queere Frauen. Sie ist auch, was heute viele als „First Wave Feminism“ bezeichnen – und bis heute gibt es Feminist*innen, die die Einstellungen von damals vertreten: „Die rechtliche Unterdrückung der Frau ist das größte Problem, was wir gesellschaftlich haben. Alles andere (Rassismus, Queerfeindlichkeit, Ableism usw.) ist weniger relevant oder eigentlich nur die Folge davon, dass sich die Leute anstellen.“ Tatsächlich kann dieser Feminismus selbst was Sexismus angeht, recht altertümlich anmutende Meinungen vertreten. Da dieser „Feminismus“ häufig der in eher konservativen weißen Haushalten der Mittel- und Oberschicht vorherrscht, kann es sogar sein, dass er gegen frei verfügbare Verhütungsmittel oder gegen zugängliche Abtreibungen ist. Es sind auch diese „Feminist*innen“, die meinen, dass trans Rechte ihre Rechte irgendwie einschränken würden.
Was hat das nun aber mit der Phantastik zu tun? Nun, dass wir durchaus sich selbst feministisch ernannte Medien in der Phantastik haben, die diese Form von „Feminismus“ vertritt. Ein recht bekanntes Beispiel, das auch häufig dafür kritisiert wurde, ist The Chilling Adventures of Sabrina auf Netflix. Hier whitesplaint und straightsplaint die weiße, heterosexuelle Sabrina Rassismus und Queerfeindlichkeit weg und löst etwaige damit zusammenhängende Probleme „mal eben“.
Gleichzeitig haben wir auch ein paar recht publike Beispiele von Fantasy-Autorinnen, die diese Ansichten vertreten. Das bekannteste Beispiel ist wohl Rowling. Nicht nur, dass sie offen transfeindlich ist, was sie schreibt – gerade auf Pottermore – spricht deutlich für pro-koloniale Weltansichten, in denen weiße Menschen andere „gerettet“ und ihnen „Zivilisation“ geschenkt haben. Und pro-koloniale Ideologien sind gerade in der britischen Szene weißer „Feminist*innen“, also gerade unter den britischen TERFs, häufig verbreitet.
Und es ist genau aus dieser Richtung, aus der oft Darstellungen von auch weiblichen Heldinnen kommen, die entweder in den White Savior Trope fallen, oder halt eben doch wieder erstaunlich konservativ sind. Sprich: Entweder sie sind stark und unabhängig und hassen alles Weibliche, weil Stärke das Gegenteil von Weiblich ist. Oder sie müssen eben doch gerettet werden und sind durch die Beziehung mit einem Mann definiert. Und all diese Beispiele sind keine Lösung für das Problem mit den Geschlechterdarstellungen, sondern Teil davon. Sie sind sowohl in Bezug auf die Geschlechter problematisch, als eben auch in Bezug auf das kolonialistische Gedankengut.
„Historisch korrekt“ ist eine Lüge
Kommen wir damit zur üblichsten Ausrede, die man hören wird, wenn man sehr konservative Darstellungen in Fantasy-Büchern kritisiert: „Das ist aber eine mittelalterliche Welt. Das ist so historisch korrekt!“ Es ist ein Thema, über das andere schon großartige Beiträge geschrieben haben, doch von mir soviel:
- Nein, ist es nicht.
- Historische Gesellschaften hatten immer historischen Kontext, der aber selten identisch ist.
- Magie, Drachen und die offenbar federleichten Vollplatten sind auch nicht historisch richtig.
Warum erwähne ich das in diesem Kontext noch einmal? Nun, weil es – und dazu werde ich später noch einmal einen ganzen Dekolonialisierungs-Beitrag schreiben – eine Grundannahme zeigt, die ebenso falsch liegt: Nämlich, dass eine Welt mit mittelalterlichem Stand der Technik automatisch die Ideale und andere kulturelle Aspekte des europäischen hervorbringen würde. Betrachten wir aber weltweite, meist irgendwann kolonialisierte Kulturen, müssen wir feststellen, dass dies falsch ist. Natürlich ist es falsch: Kultur und Ideale im Mittelalter wurden durch das Christentum, das Christentum massiv durch Rom, Rom massiv durch seine lange, lange Geschichte und durch Griechenland und Griechenland wiederum durch Ägypten geprägt. Geschichte ist eine komplexe Kette von Ereignissen und Phasen, die jeweils die nachfolgenden Ereignisse beeinflusst haben.
Das mittelalterliche Geschlechterbild – das sowieso dennoch anders war, als die übliche Vorstellung, die auch in der Fantasy immer wieder aufgegriffen wird – wurde massiv durch das Christentum und seine Lehren geprägt. Und diese Lehren im konkreten waren massiv auch von den Römern oder der spätrömischen Kultur mitgeprägt worden. Eine Kultur kann aber den mittelalterlichen Technikstand erreichen, ohne dass Rom explizit vorherging. Man muss nicht weiter, als in den asiatischen Raum sehen, um das zu erkennen. Und darin liegt eben der koloniale Crux: Die Annahme, dass „mittelalterliche Technik“ gleichzusetzen ist mit Idealen und Weltbild des europäischen Mittelalters, entstammt, ist kolonial geprägtes, eurozentrisches Denken. Aber entgegen dieser Form zu Denken ist Europa mit seiner Geschichte keine Schablone dafür, wie Geschichte verlaufen muss, sondern nur eine Version von vielen, wie sie verlaufen kann.
Dekolonialisiertes Geschlechterverständnis
Wie aber sieht nun ein „dekolonialisiertes Geschlechterverständnis“ aus? Nun, die Antwort ist: Nicht ganz, wie ihr denkt. Denn „dekolonialisiert“ heißt nicht automatisch „alles gleich“ und „jeder wie er will“. Aus feministischer Sicht ist das definitiv etwas, das ich gerne lesen würde, ja, aber „dekolonialisiert“ heißt erst einmal zu hinterfragen, welche Teile von unserem Verständnis der Geschlechter durch den Kolonialismus und eben das eurozentrische Weltbild kommen. Und zu hinterfragen, ob dieses Verständnis im Rahmen von etwaigen gebauten Welten überhaupt Sinn ergibt. Das gilt nicht nur als Autor*in, sondern auch als Leser*in. Aktives Lesen heißt auch zu hinterfragen, was man liest.
Dekolonialisiert muss nicht einmal heißen, dass es zwangsweise ein drittes Geschlecht gibt – oder das dies nicht-bedeutend mit nicht-binär ist. Aber es heißt eben auch zu hinterfragen, inwieweit es in der Welt Sinn ergibt, dass die Trennung rigide, in zwei Lager geteilt und unüberwindbar ist. Es heißt auch zu überlegen, welche Einflüsse wenn es so ist dazu geführt haben.
Dekolonialisiert muss auch nicht heißen, dass es keine geschlechterspezifische Zuordnung von Eigenschaften oder Tätigkeiten gibt. Nur, dass diese nicht zwangsläufig unserer entsprechen muss. Das kann bei simplen Dingen anfangen: Während bei uns mittlerweile Reiten als „Mädchensport“ gilt, dürfen in anderen Kulturen Frauen nicht reiten, da dies ein Tabu ist. Wichtig ist zu erkennen, wie sich solche Dinge und Aufgabenfelder entwickeln – und dass sie eben nicht natürlich, sondern kulturell sind.
Und nein, das soll nicht heißen, dass ihr einfach oberflächlich die Zuteilungen einer anderen Kultur übernehmen sollt. Es heißt eben zu hinterfragen.
Phantastik macht frei
Auch wenn „dekolonialisiert“ definitiv nicht heißt, dass Phantastik direkt geschlechtergerecht ist, sollten wir eins nicht vergessen: Phantastik – egal ob nun Science Fiction, Fantasy oder sogar Horror – geben uns viele Möglichkeiten über die Realität zu reflektieren und auch neues zu erschaffen.
Wieso neigen wir dazu magische oder außerirdische Spezies zu erschaffen, die sich genau so fortpflanzen und ihre Geschlechter genau so unterscheiden, wie wir es tun? Wieso erschaffen wir andere Welten, die unsere Kultur replizieren, anstatt uns zu fragen, was sonst noch sein könnte? Denn der Vorteil an der Phantastik ist, dass sie frei ist. Sie ist nicht an die Realität gebunden und kann stattdessen als Linse agieren, durch die wir die Welt betrachten können.
Wo, wenn nicht in der Phantastik, kann man anfangen weitere Geschlechter (und Neopronomen) zu normalisieren? Wo, wenn nicht in der Phantastik, hat man die Freiheit Konzepte wie das Patriarchat, aber auch Matriarchate zu dekonstrukieren und neu zu erschaffen? Wo, wenn nicht in der Phantastik ist es leicht, eigene Regeln für alles – auch für Geschlechterollen – zu schaffen?
Phantastik macht frei. Anstatt sich mit losen Vorwänden wie „historischer Korrektheit“ an Klischees und Stereotype zu klammern, die wir nicht zuletzt einer historischen Periode der Unterdrückung zu verdanken haben, kann man hier probieren. Sei es was ganz neues, sei es Konzepte, die der Unterdrückung zum Opfer gefallen sind. Dies ist eine Chance, die in dem Maße keine andere Genregruppe bietet. Wir sollten sie nutzen.
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