Gewalt in Fantasy – Teil 3: Gender und Gewalt
Wenn es um Gewalt in Geschichten geht, gibt es noch eine andere Tatsache: Gewalt in Fiktion ist fast immer gegendert. Männer haben in der Fiktion meistens ein Gewaltmonopol und wenn nicht, ist Gewalt zumindest an Männlichkeit gebunden, mit zwei Ausnahmen.
CN: Thematisierung von Vergewaltigung
In diesem Eintrag stütze ich mich unter anderem sehr auf die kleine Analyse, die Innuendo Studios zu Mad Max: Fury Road (Link zum ersten Teil) verfasst hat. Ein knapp einstündiges Videoessay, dass ich wirklich jedem empfehlen kann und das einige Punkte, auf die ich hier eingehen werde, noch ausführlicher, allerdings vorrangig im filmischen Kontext behandelt.
Frauen in der Fiktion und Gewalt
Innuendo Studios identifiziert dabei verschiedene Stereotype weiblicher Figuren und ihr jeweiliges Verhältnis zu Gewalt. Dabei kommt er zu einem Ergebnis, das fraglos viele bestätigen können: Frauen haben ein sehr begrenztes Verhältnis zur Gewalt. Die meiste Zeit sind sie, wenn sie überhaupt direkt an Gewalt beteiligt sind, die Opfer von Gewalt. Täter sind sie nicht oder nur selten. Wenn sie Täter sind, dann sind sie oft sehr männlich präsentiert und gerade in Filmen auch entsprechend visuell codiert.
Doch selbst wenn sie die Opfer von Gewalt sind, kann man feststellen, dass diese Gewalt nicht jede Art von Gewalt sein kann. Ja, es kommt durchaus vor, dass auf Frauen geschossen wird oder Frauen geschlagen werden, wobei gerade in visuellen Medien diese Schläge selten das Gesicht treffen, das mann doch gerade weiterhin hübsch finden will, doch meistens hat die Gewalt, die an Frauen verübt wird, eine bestimmte Natur: Sexuelle Gewalt.
Wenn Frauen Gewalt erfahren, ist diese oftmals zumindest auf eine gewisse Art sexualisiert. Nicht selten ist zumindest die Androhung einer Vergewaltigung vorhanden, etwaige Angriffe sind auf bestimmte Körperregionen bezogen und auch Dinge wie sexuelle Bloßstellung kommen nicht selten dabei vor.
Selbst in Büchern und Filmen, wo Frauen und Männer beide an Gewalt teilhaben, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Frauen irgendwann im Verlauf der Handlung mit sexueller Gewalt konfrontiert werden, weit größer, als die Wahrscheinlichkeit, dass dies den männlichen Figuren geschieht.
Gleichzeitig ist sexuelle Gewalt auch oftmals der Auslöser für die eine Art von akzeptierter Gewalt, die durch Frauen geschieht: Rache. Rache für sexuellen Missbrauch. Rache für brutale Vergewaltigung. Rache für die Androhung sexueller Gewalt. Es ist gerade in den amerikanischen Medien schockierend zu sehen, wie viele Action-Heldinnen dies zumindest als Teilmotivation für ihr Handeln haben. Besonders, wenn sie wirklich brutal agieren, wird sexuelle Gewalt nicht selten als (Teil)Grund genannt.
Übrigens: Auch wenn diese Gewalt nicht unbedingt sexuell war, ist es so, dass weibliche Figuren sehr oft zumindest in Reaktion auf andere Gewalt gegen sie oder ihr direktes Umfeld selbst Gewalt einsetzen. Rache ist ein häufiger Motivator.
Das alles soll natürlich nicht heißen, dass es gar keine weiblichen Figuren gibt, die Gewalt einsetzen und dies auch aus anderen Gründen, als Rache tun – ich höre praktisch schon das Geticker der Tastaturen, auf denen Gegenbeispiele eingegeben werden – doch eine generelle Tendenz lässt sich, da können wir uns hoffentlich drauf einigen, schon feststellen.
Das Quasi-Monopol
Selbst in Geschichten mit weiblichen Hauptcharakter, der gewalttätig agiert, ist es oftmals so, dass dieser Charakter die einzige oder eine der wenigen weiblichen Figuren ist, die Gewalt ausüben. Dabei wird dann gerne betont, dass sie eine starke, unabhängige Frau und nicht wie andere Frauen ist. Selbst wenn sie, als weibliche Machtfantasie, auch sexy und weiblich codiert sein darf, so ist sie eben doch von anderen weiblichen Figuren getrennt, hängt gerne auch mit Männern ab und wird als Ausnahme gehandelt.
Kurzum: Sie ändert nichts daran, das in der Geschichte weiterhin Gewalt ein männliches Quasi-Monopol ist. Gewalt wird als männliche Eigenschaft gesehen, als eine Sache, die Männer tun, aber nicht Frauen. Jedenfalls nicht als physische Gewalt.
Das sieht man auch in der Betrachtung von historischer Gewalt ist es oftmals so, dass Frauen – wenn nicht als Opfer – oftmals ausgeschlossen werden. Damit rede ich nicht einmal von den Herren, die jedes Mal anfangen zu weinen, wenn sie damit leben müssen, dass in ihrem pseudo-historischen Shooter (bei dem Wunden sich magisch nach 5 Sekunden in Deckung heilen) auch weibliche Figuren spielbar sind, sondern von tatsächlichen historischen Betrachtungen von Kriegen, die Frauen oftmals ausschließen – mit ein paar wenigen Ausnahmen. Vollkommen unabhängig davon, inwieweit Frauen an den etwaigen Gewalttaten und Kriegen beteiligt waren.
Auch wenn wir über Kriminalität sprechen, bspw. über Morde, gehen viele beinahe automatisch davon aus, dass von Männern gesprochen wird. Umso mehr, wenn jemand von Serienmördern spricht, denn dass es dahingehend auch einige Frauen gab, ist vielen nicht einmal bekannt.
Das spiegelt sich ebenso in Geschichten wieder: Der generische Handlanger ist männlich, genau so wie der Oberbösewicht meistens männlich ist. Eventuell gibt es unter den „Generälen“ einer bösen Armee ein, zwei weibliche Figuren, um zu betonen, dass Frauen hier auch eine Rolle spielen, doch dadurch, dass sämtliche Bodentruppen ansonsten generisch männlich sind, wird das oftmals nur verwirrend.
Und ich gebe offen zu: Es ist etwas, das unterbewusst oftmals da ist. Ich merke es beispielsweise auch beim GMen von Rollenspielen. Solange ich nicht drauf achte, ist der gegnerische Goon immer ein „er“. Egal ob es eine vollkommen fantastische Welt mit ganz anderen Gendervorstellungen oder die Zukunft ist. Ich muss bewusst darauf achten, dass es ausgeglichen ist, da es einfach im Unterbewusstsein so ist – nicht zuletzt, da in Medien es eben ähnlich aussieht.
Sexuelle Gewalt
Das Thema sexuelle Gewalt ist sowieso noch ein Thema für sich, da hier so vieles in der Fiktion falsch ist. Sei es die Darstellung, dass sexuelle Gewalt historisch „normaler“ war, als sie es heute ist. Sei es die Darstellung von sexueller Gewalt als immer enorm brutal (in dem Sinne, dass wirklich physische Gewalt eingesetzt wird, um den Geschlechtsverkehr zu erzwingen) oder die Tatsache, dass sexuelle Gewalt gerne auf eine Art dargestellt ist, dass der Zuschauer nicht weiß, ob er angewidert sein oder sich daran aufgeilen soll. Doppelt so, meiner Erfahrung nach, wenn es um die Vergewaltigung einer Frau durch einen Mann in einer von einem Mann geschriebenen oder produzierten Geschichte geht.
Gleichzeitig ist es überraschend häufig – auch bei weiblichen Autoren – das weibliche Figuren zumindest in ihrer Vergangenheit Erfahrung mit Vergewaltigungen oder sonstigen Formen sexueller Gewalt gemacht haben oder diese im Verlauf der Handlung machen. Zugegebenermaßen ist das, wenn man sich Statistiken ansieht, gar nicht soweit hergeholt. Auffällig ist es aber dennoch. Umso mehr, wenn man bedenkt, wie selten es umgekehrt dargestellt ist.
Denn auch als Vergewaltiger haben Männer in der Fiktion beinahe ein Monopol. Sei es, weil auch diverse Autoren (männlich, wie weiblich) bei dem Versuch einer Frau, einen Mann zu vergewaltigen, der Mythos propagiert wird, dass dies praktisch nicht möglich sei, entweder weil ein Mann immer wolle oder weil es ja nicht möglich ist, wenn er nicht hart wird und das nicht passieren würde, wenn er nicht will. Zwei Aussagen, die natürlich Unsinn ist. Und wenn so etwas doch einmal vorkommt, wird es eventuell sogar als lustig dargestellt oder zumindest nicht ernst genommen.
Dahingehend möchte ich Buffy als Beispiel nennen, wo im Faith-Arc Xander mehrfach mit Faith flirtet und ihr entsprechende Angebote macht. Dies endet jedoch damit, dass Faith versucht ihn gewalttätig – sie würgt ihn dabei – zu vergewaltigen. Ein Thema, das zwei Szenen später schon wieder vergessen ist. Niemand erwähnt es. Im Gegensatz zu anderen Dingen wird es Faith nie groß zur Last gelegt. Auch Xander hat davon im speziellen kein Trauma.
Zusammengefasst
Zusammengefasst: Gerade wenn es um das Thema „Gewalt“ geht, werden Frauen in der Fantastik, aber auch in anderen Genres oft sehr anders als Männer betrachtet. Frauen, die selbst Gewalt auf dieselbe Art einsetzen, wie Männer, sind selten und wenn es sie gibt, wird oftmals betont, dass sie eine Ausnahme sind. Nicht selten sind sie dabei im Verhalten männlich codiert – auch im Kontext ihrer Welt. Es ist recht selten, dass wir Frauen in Armeen sehen oder als Goons von einem etwaigen Bösewicht, selbst wenn es fantastische Welten sind, in denen Gendervorstellungen eigentlich anders sind.
Wenn Frauen an Gewalt teilhaben, ist diese Gewalt gerne auch einmal sexualisiert. Vergewaltigungen sind gerade in der Fantastik ein sehr häufiges, vielleicht zu häufiges Plotdevice, wenn es um weibliche Figuren geht.
Und ja, was soll ich dazu sonst großartig sagen? Ich wette fast, dass viele, die diese Beiträge lesen, selbst bereits darüber nachgedacht haben und eventuell auch andere Geschichten schreiben. Dennoch vielleicht eine allgemeine Aufforderung einmal in euren Geschichten, als Autoren, und den Büchern und Filmen, die ihr konsumiert, das Ungleichgewicht in Sachen Gewalt zwischen Männern und Frauen zu hinterfragen.
Anmerkung: Ich habe Gender in diesem Beitrag vorrangig in binären betrachtet, da die genannten Medien
selten nicht-binäre Genderbetrachtungen beinhalten und es schlicht und ergreifend kaum
Beispiele für Gender und Gewalt außerhalb des binären Spektrums gibt, was generell mit dem
Mangel an nicht-binären Figuren in sämtlichen Genre zusammenhängt.
Das Beitragsbild zeigt Lyudmila Pavlochenko, eine russische Scharfschützin in WW2. Das Bild steht im Public Domain.
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