Solarpunk-Weltenbau: Wir bauen eine Utopie
Da Solarpunk noch ein so junges Genre ist, sind sich viele potentielle Autor*innen unsicher, wie das Genre eigentlich aussehen kann oder vielleicht auch soll. Damit möchte ich diese und nächste Woche helfen. Diese Woche möchte ich euch in die Potentiale von Solarpunk-Weltenbau einführen.
Einleitung
Du willst also eine Solarpunk-Geschichte schreiben, weißt aber nicht, wie so eine Solarpunk-Welt aussehen könnte oder sollte? Dann lasst uns einmal über Solarpunk-Weltenbau sprechen, beziehungsweise darüber, wie ihr in einzelnen Bereichen eine solche Welt aufbauen könntet. Dabei werde ich anders, als in meinen anderen Weltenbau-Beiträgen in den meisten dieser Bereiche nicht in die Tiefe gehen, sondern viel mehr eine Übersicht geben, was sein kann.
Das Kann ist an dieser Stelle wichtig: Denn es gibt keine feststehenden Regeln in Solarpunk – genau so wenig, wie in anderen Regeln. Prinzipiell gilt, dass die meisten Solarpunk-Geschichten utopisch sind. Dies bedeutet aber nicht, dass eine Solarpunk-Welt in bestimmten Bereichen nicht auch dystopische Aspekte haben kann. Genau so kann eine Solarpunk-Geschichte eben auch von der solarpunkigen Rebellion gegen eine dystopische Welt handeln. All das ist möglich. (Darum wird es auch nächste Woche noch einmal im Detail gehen: Wie können Konflikte in Solarpunk-Geschichten aussehen?)
Solarpunk hat sich als Bewegung als sehr anarchistisch, anti-kapitalistisch, umweltbewusst, sozialbewusst, egalitär und dekolonial herausgestellt. Deswegen soll es hier darum gehen, wie eine Welt unter diesen Gesichtspunkten aussehen könnte.
Politik
Fangen wir mit dem ersten Aspekt an, der tendenziell doch sehr anders wäre, als in unserer Welt. Denn wie gesagt: Die Solarpunk-Bewegung ist anarchistisch eingestellt, was bedeutet, dass sie die Demokratie in der Form, wie wir sie aktuell in vielen Ländern haben, tendenziell eher ablehnt.
Der Grund dafür ist, dass es im aktuellen System wenig Kontrolle der Bevölkerung über die Politiker*innen gibt, die tatsächlich agieren. Deswegen gibt es wenig Anreiz für diese im Sinne der Bevölkerung zu handeln. Sie handeln entsprechend eher im Sinne von Lobbygruppen, die Einfluss auf sie nehmen. Es gibt effektiv eine Politiker*innen-Klasse, die über dem Rest der Bevölkerung steht – was entgegen anarchistischer Ideale steht.
Ideale Politik in einer Solarpunk-Welt wäre also anarchistisch: Das heißt jeder, der von einer Entscheidung betroffen ist, hat direkt oder indirekt die Möglichkeit über diese mitzubestimmen. Wie dies genau umgesetzt wird, hängt von den technologischen Möglichkeiten eurer Solarpunk-Welt ab. Vielleicht gibt es online Befragungen, vielleicht senden Gemeinschaften auch Repräsentanten aus.
Wichtig dabei ist allerdings auch, dass Solarpunk-Politik in erster Linie dezentral aufgezogen wird. So viel, wie möglich ist, wird auf einer lokalen Ebene entschieden, anstatt auf einer landesweiten Ebene.
Ein paar Details zum Thema Anarchismus könnt ihr auch hier nachlesen.
Energie
Kommen wir zu dem Thema, an das alle zuerst denken, wenn es um Solarpunk geht. Das Thema, das dem Genre seinen Namen gegeben hat: Die Energieversorgung. Denn Solarpunk-Welten sind in der Regel (es gibt ausnahmen) Science-Fiction-Welten. Das bedeutet es gibt moderne Technologien. Anders, als in unserer Welt, wird diese jedoch nicht mit fossilen Brennstoffen versorgt, die der Umwelt schaden, sondern basierend auf erneuerbaren Energien.
Entgegen des Namens des Genres, hat sich tatsächlich eine Tendenz herauskristallisiert, dass die am häufigsten verwendeten Energiequellen Wasser und Wind sind – auf Grund ihrer in der Realität höheren Effizienz. Während Windkraftwerke häufig die klassischen Windturbinen sind, die wir in der Realität bereits kennen, sind Wasserkraftwerke allerdings nicht die großen und oft umweltschädlichen Staudämme. Stattdessen gibt es neuartigere Kraftwerke, die Energie aus Strömungen, Wellen oder auch den Gezeiten ziehen.
Natürlich gibt es allerdings auch Solarkraft. Teilweise auf die klassische Art und Weise, teilweise aber auch mit Technologien, die in der Realität nur theoretisch existieren.
Genau so könnte es in einer Solarpunk natürlich auch noch andere neuere Technologien – wie Wasserstoffbasierende Kraftwerke oder Fusionsreaktoren geben. Der Klassiker für das Genre sind allerdings die üblichen Erneuerbaren Energien.
Wenn ihr Informationen dazu sucht, wie diese genau funktionieren (könnten), kann ich euch diesen YouTube Kanal empfehlen, der sich genau damit beschäftigt. (Selbst wenn er ein wenig sehr die Tesla-Koolaid trinkt.)
Verkehr & Reisen
Am weitesten auseinander gehen Solarpunk-Welten vor allem in Bezug darauf, wie Verkehr und Reisen gestaltet sind.
Prinzipiell ist es in der Solarpunk-Bewegung so, dass es einen starken Drang weg vom Auto gibt, aber auch weg von der Auslegung von Städten und Infrastruktur auf das Auto gibt. Es soll mehr zu Fuß gegangen werden, es soll mehr Fahrräder oder eventuell auch E-Scooter geben. Und natürlich einen weit ausgebauten, kostenlosen öffentlichen Nahverkehr.
Inwieweit es nun aber Autos oder vergleichbare private Fortbewegungsmittel in einer Solarpunk-Welt gibt, ist von Autor*in zu Autor*in unterschiedlich. Da hat sich das Genre noch nicht wirklich festgelegt. Dennoch werden andere Fortbewegungsmittel definitiv bevorzugt.
Was Fernreisen angeht, werden übrigens meistens langsamere Fortbewegungsmittel in Solarpunk-Welten bevorzugt. Luftschiffe oder auch normale Schiffe – immerhin wäre eine Solarpunk-Welt auch weniger hektisch, als unsere. Außerdem natürlich viele schnelle Züge. Aus Accessibility Gründen würden normale Flugzeuge wahrscheinlich aber nicht wegfallen.
Übrigens ist ein sehr beliebtes Nahverkehrsmittel in Solarpunk in Gegenden, wo die Geographie es zulässt, auch Seilbahnen. Denn diese brauchen fast keine Energie, um betrieben zu werden.
Wirtschaft
Kommen wir zu einem großen Bereich, der natürlich ebenfalls relevant ist und sich auf viele der nachfolgenden Bereiche auswirkt: Das Wirtschaftssystem. Denn hier ist eine Richtung klar: Solarpunk ist anti-kapitalistisch. Dies ist auch ein Punkt, der beinahe eine Voraussetzung ist – allein da ohne diese Änderung eine Umstellung auf erneuerbare Energien kaum möglich ist.
Denn ja, Solarpunk ist post-kapitalistisch oder anders gesagt sozialistisch oder kommunistisch. Das heißt, die Produktionsmittel befinden sich entweder unter Kontrolle eines zentralen Organs (oder auch dezentralen Organs, wie der Kommune als Gemeinschaft) oder unter Kontrolle der Arbeitenden.
Die Details dazu sind ein wenig zu umfassend für diesen Beitrag, deswegen verweise ich auf meine Weblog-Beiträge zu Sozialismus, Kommunismus und den 10 Vorurteilen dazu.
Eine Frage, wo sich in der Solarpunk-Community aktuell die Geister scheiden, ist Geld. Wird es in einer Solarpunk-Welt weiterhin Geld geben oder wird darauf komplett verzichtet?
Wohnen & Gebäude
Aber wie wohnt man nun in einer Solarpunk-Welt? Nun, da gibt es zwei Bereiche, die interessant sind: Die Lebensräume, die man hat, und wie genau Gebäude gestaltet sind.
In Bezug auf die Lebensräume scheiden sich in Solarpunk ebenfalls die Geister. Die einen tendieren zu einer wesentlich stärker agraren und gesamt dezentralen und damit deurbanisierten Gesellschaft, die anderen bauen Solarpunk-Städte mit viel Land drumherum, das der Natur zurückübergeben wurde.
Fakt ist aber, dass selbst bei einer eher urbanen Solarpunk-Welt, die Art der Gebäude sich wahrscheinlich verändern würde. Denn Hochhäuser haben aus ökologischer Sicht einen zu großen negativen Fußabdruck. Kleine bis Mittelgroße Gebäude sind besser. Auch sollten diese Gebäude nicht so stark auf umweltschädlichen Materialien wie Beton und Stahl aufbauen, sondern eher auf natürlichen Materialien wie Ton und Holz.
Aufgebaut ist das Leben meistens in Bezug auf eine Kommune – eine nachbarschaftliche Gemeinschaft, die sich gegenseitig hilft und unterstützt. Wie groß diese Kommune ist und wie sie strukturiert ist, kann dabei unterschiedlich sein.
Agrarkultur
Ein weiterer Bereich, der häufig im Gespräch in Solarpunk-Communities ist, ist Agrarkultur und Landwirtschaft. Denn natürlich würde sich auch dort eine Menge ändern, wenn wir zum einen den ökologischen Fußabdruck reduzieren wollen und zum anderen versuchen, die Industrie zu dezentralisieren, bedeutet das große Änderungen.
Zum einen ist das Ideal von Solarpunk, viel Lebensmittel lokal anzubauen, sofern es möglich ist. Dies würde nicht länger in Monokulturen geschehen, sondern eher im Sinne indigener Agrarwirtschaft, mit Konzepten wie Waldgärten. Das würde auch bedeuten, dass sehr wahrscheinlich – wenn wir nicht coole Roboter dafür haben – mehr menschliche Arbeit bei dem Anbau und der Ernte von den angebauten Pflanzen haben.
Natürlich bauen nicht alle Solarpunk-Welten auf diesen dezentralen Strukturen auf. Dennoch würde man zumindest sich von der sehr zerstörerischen Monokultur fort, wie auch weg von zu viel Dünger und Insektoziden. Auch würden nicht länger Wälder abgeholzt, um Landwirtschaft zu erlauben.
Ebenso müsste in einer Solarpunk-Welt der Fleischkonsum reduziert werden, damit die Fleischproduktion reduziert werden kann. Eventuell soweit, dass Rindproduktion – die mit Abstand die schädlichste ist – komplett wegfallen würde. Viele Solarpunk-Welten, die wir soweit haben, bauen fast komplett auf Fisch und Geflügel auf.
Schule & Bildung
Der Bereich Schule wird soweit eher wenig von Solarpunk-Geschichten abgedeckt (nicht zuletzt, weil wir soweit nur eine YA-Solarpunk-Geschichte haben). Doch sprechen wir darüber, wie Schule in einer anarchokommunistischen Welt aussehen könnte. Denn natürlich würde sich hier auch sehr viel ändern.
Aktuell in unserer realen Welt ist Schule sehr auf die kapitalistische Leistungsgesellschaft ausgelegt und natürlich in ihrer Struktur stark hierarchisch. Entsprechend ist das aktuelle Schulsystem praktisch Anti-Solarpunk.
Wie könnte also Schule solarpunkiger gestaltet werden. Nun, eine Solarpunk-Schule ist nicht länger darauf ausgerichtet, Lernende zu gehorsamen Lohnsklav*innen auszubilden. Sie ist außerdem dekolonialer. Macht es weiterhin Sinn eine grundlegende Ausbildung von Mathematik, Sprache, Geographie und Geschichte aufzunehmen? Ja. Aber gerade Geographie und Geschichte werden dekolonial unterrichtet. Außerdem haben die Lernenden einen viel größeren Einfluss auf den Lehrplan. Sie können selbstbestimmter lernen. Auch ist der Unterricht losgelöst von Noten und Prüfungssituationen und stärker auf die Kooperation von Lernenden ausgelegt. Lerngruppen sind außerdem kleiner.
Außerdem würde gerade in einer Solarpunk-Welt in einer Schule wahrscheinlich praktische Fähigkeiten vermittelt, die ein Mensch braucht, um sich selbst zu versorgen. Kochen, Nähen, Bauen, Landwirtschaft, vielleicht auch ein wenig Ingeneurwesen. Es macht Sinn, dass alle Leute ein paar Grundlagen kennen, um in ihrer Kommune mit anzufassen.
Arbeit
Auch die Arbeitswelt würde sich natürlich ohne Kapitalismus stark verändern. Viele Berufsfelder würden sich ohne Kapitalismus stark verkleinern oder sogar komplett wegfallen (man denke an das Finanzwesen und im Speziellen Börsenhandel und alles, was damit zusammenhängt). Auch würde der Druck überzuproduzieren wegfallen, der eine der Grundlagen für die (wissenschaftlich schon lang als unnötig bescheinigte) 40-Stunden Woche ist.
Es lässt sich auf jeden Fall also feststellen: Es würde weniger gearbeitet werden. Außerdem würden sich Arbeitsbedingungen sowohl unter Sozialismus, als auch unter Kommunismus deutlich verbessern. Mehr Pausen, weniger Druck, mehr Selbstbestimmung auf der Arbeit. Ebenso wären natürlich die Strukturen sehr flach gehalten – weil Anarchismus – und das nicht im Sinne von üblichen Startups, die dahingehend viel reden, aber eben doch sehr hierarchisch sind.
Was sich natürlich auch ändern würde, wäre, was gearbeitet wird. Zum einen gäbe es viel mehr Anerkennung für Berufe, die wirklich gebraucht werden (bspw. Pflege und Lehre). Aber es gäbe auch wesentlich mehr praktische Berufe, die mit Bau, Ingeneurswesen und natürlich Agrar zu tun hätten – weil hier in einer eher dezentralen Solarpunk-Welt mehr benötigt würde.
Es ist allerdings auch gut möglich, dass es ebenso eine stärkere Verschiebung in Richtung der kreativen Berufsfelder gibt. Dazu gleich mehr.
Ein sehr beliebtes Konzept in Solarpunk-Geschichten ist auch, dass innerhalb einer Kommune alle eine Grundausbildung in allen wichtigen Aspekten haben. Also jeder kann zumindest Grundlagen der Lehre, der Landwirtschaft, der Pflege, des Baus, der Essenszubereitung, des Kleidernähens und der technischen Sachen, so dass Jobs leichter durchgetauscht werden können und man nicht sein ganzes Leben an einen Job gebunden ist.
Freizeit
Genau so interessant, wie die anderen Umstände der Arbeit, sind auch die anderen Umstände der Freizeit und wie diese verbracht werden würde. Die große Frage in einer post-kapitalistischen Welt wäre wohl, wie deutlich die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit wäre. Denn wenn man eine Arbeit hat, die man nicht machen muss und die man sich auch freier aussuchen kann … wo zieht man dann die Grenze?
Allerdings lässt sich natürlich feststellen, dass man prinzipiell mehr Freizeit hat, da eben die Überproduktion wegfällt und daher Arbeitsstunden deutlich weniger sein würden. Auch gäbe es mehr Freiheit in der Freizeit, sofern die Grundlage gegeben ist, dass bspw. der Nahverkehr kostenlos ist.
Kunst & Kultur
Was ich als interessante Überlegung empfinde, ist, wie sich ein anarchokommunistisches Weltbild auf den Kunst- und Kulturbereich auswirken würde. Denn es lassen sich zwei Dinge feststellen: Es ist ein großer Bedarf auf Unterhaltung jeder Art gegeben und es gibt gleichzeitig eine Menge Menschen, die sich gerne kreativ ausleben wollen. Im aktuellen kapitalistischen System ist dies leider nur wenigen Menschen möglich, da die Strukturen so geprägt sind, dass es starke Hierarchien gibt.
Würden diese Hierarchien wegfallen, würde es vielleicht mehr Leuten möglich, sich kreativ auszuleben. Natürlich würde es wahrscheinlich auch bedeuten, dass es eventuell weniger „razzle-dazzle“ um die Kreativen Bereiche (vor allem Filme) geben würde, da dieses Modell eben sehr auf die hierarchischen Modelle zurückgeht. Es würde wahrscheinlich auch bedeuten, dass es weniger Blockbuster à la Avengers und Co. gäbe, weil diese eine Folge der kapitalistischen Marktstrukturen sind. Dafür würden sich aber auch die festen Strukturen dieser Bereiche auflösen und dadurch mehr Vielfalt hineinkommen.
Hier müssen wir natürlich frei spekulieren, wie dies aussehen könnte – denn die moderne Unterhaltungsindustrie gab es nie unter einem wirklichen anarchischen System.
Forschung
Ein Bereich, der sich auch sehr verändern würde, ist der Bereich der Forschung. Denn auch hier leidet der Bereich aktuell sehr unter dem kapitalistischen Konzept – sprich darunter, dass man auf Gelder angewiesen ist, die man eher bekommt, wenn sich ein finanzieller Erfolg von der Forschung versprochen wird.
In einer Solarpunk-Welt wäre es wahrscheinlich so, dass allgemein mehr geforscht wird – denn genau so wie Kreativität ist menschliche Neugierde ein grundlegender Antrieb. Dabei wäre die Forschung eben nicht länger darauf ausgelegt, damit so viel Geld wie möglich zu machen, sondern darauf, das Leben der Menschen zu verbessern und unsere Welt besser zu verstehen.
Dabei dürfen wir am Ende nicht vergessen, dass auch heute die erfolgreichste Forschung staatlich finanziert wird – große Konzerne kaufen sich nur die Ergebnisse, um damit Umsatz zu machen. (Was besonders bösartig ist, wenn wir über medizinische Forschung sprechen.)
Globale Strukturen
Sprechen wir über ein Thema, um das sich soweit noch viele Solarpunk-Geschichten umgehen, weil sie fraglos die größte „Suspension of Disbelieve“ verlangt. Hier gibt es ebenfalls noch keine klare Linie, wie Solarpunk damit umgehen wird: Die globalen Strukturen und wie die Welt als ganzes funktioniert.
Denn wenn wir von unserer gegenwärtigen Welt ausgehen, müsste die ganze Welt oder zumindest ein großer Teil der Welt gleichzeitig dem Kapitalismus entsagen. Denn wenn aktuell ein kapitalistisches Land allein Sozialismus Wählen würde, würden andere kapitalistische Staaten versuchen militärisch zu intervenieren, wie es die USA in der Realität immer wieder gemacht hat.
Entsprechend muss man, gerade wenn man einen Roman schreibt, entweder erklären, wie nur ein Teil der Welt post-kapitalistisch sein kann, oder erklären, wie der Kapitalismus weltweit enden konnte.
Eine große offene Frage ist auch: Wenn die ganze Welt anarchistisch sein sollte, gibt es dann überhaupt noch Grenzen? Denn Grenzen sind eine Form von Gewalt die entgegen dem anarchischen Grundgedanken stehen.
Dekolonialisierung
Ein weiterer Aspekt, der nicht ignoriert werden sollte, ist der der Dekolonialisierung. Denn Solarpuk ist explizit dekolonial, das steht in dem Solarpunk-Manifest. Aber was bedeutet dies für den Weltenbau?
Nun, es sollte zum einen erst einmal bedeuten, dass es Wiedergutmachungen für die Gewalttaten des Kolonialismus gab oder auch anhaltend gibt. Wie diese genau aussehen – nun, das wird von der Welt und ihrem System abhängig sein. Doch ja, es gab Wiedergutmachungen für diejenigen, die ihr Land verloren haben, für diejenigen, die (oder deren Vorfahren) unter Genoziden gelitten haben, und natürlich auch für die Opfer der Sklaverei und ihre Nachfahren.
Auch heißt es, dass in der Regel indigene Menschen wieder auf ihrem eigenen Land leben und auch wieder über dieses verfügen können. Sollte es noch Nationen geben, würde dies wahrscheinlich auch bedeuten, dass in unserer Realität bestehende Nationen eventuell aufgebrochen und durch indigene Nationen ersetzt wurden.
Queerness
In diesem Kontext sollten wir auch noch einmal kurz über Queerness in Solarpunk-Welten sprechen. Solarpunk lebt definitiv für Diversity. Diese gehört definitiv zu den zentralen Aspekten von Solarpunk. Dazu gehört auch Queerness.
Stellen wir uns also eine Utopie in Bezug auf Queerness vor: Wie würde diese Aussehen? Nun, auf jeden Fall würde es nicht länger Heteronormativität geben. Menschen würden nicht länger davon ausgehen, dass jeder, den sie treffen, cis, hetero, allo und dya ist. Es wäre genau so normal homosexuell zu sein oder asexuell oder aromantisch oder eben trans, wie alle andere auch. Es ist alles normalisiert. Wahrscheinlich ist die Welt auch sexpositiv.
Das bedeutet übrigens auch, dass es in einer Solarpunk-Welt wahrscheinlich normal ist, nicht länger beim Treffen mit einem Menschen anzunehmen, was sein Geschlecht und seine Pronomen sind. Dies würde sich entsprechend im Verhalten und Denken der Figuren zeigen. Sprich: Solange man einen Personalerzähler hat, wird der Erzähler einer neu vorkommenden, unbekannten Figur kein Geschlecht zuweist und erst einmal neutral schreibt.
Behinderungen
Ein letztes Thema, das in der Hinsicht noch angesprochen werden kann, sind Behinderungen und chronische Krankheiten. Denn das ist ein Bereich, der in Bezug auf Diversity häufig vergessen wird – und entsprechend auch in Bezug auf den Weltenbau, egal ob nun bei normaler Fantasy und Science Fiction oder eben bei Solarpunk.
Doch denken wir das Thema der Utopie hierhingehend weiter, wäre natürlich zu hoffen, dass in einer Solarpunk das Thema Accessibility weitergedacht worden ist. Es sollte möglich sein überall ohne Probleme bspw. mit einem Rollstuhl hinzukommen, es gibt Möglichkeiten für Untertitel in allen möglichen Settings, vielleicht sind Gebärdensprachen sogar weiter verbreitet und so weiter. Eben mehr Möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten am Leben teilzuhaben.
Wichtig ist auch, dass Menschen mit Behinderungen in so einem Setting nicht zu einer Heilung gezwungen werden. Gibt es Möglichkeiten Sachen zu heilen? Gut. Aber es sollte in der Geschichte klar sein, dass Menschen zu dieser Heilung nicht gezwungen und entsprechend für die Entscheidung gegen die Heilung nicht bestraft werden. (Ich empfehle dahingehend die entsprechende Folge vom Podcast „Our Opinions are Correct“.)
Übrigens sollte es natürlich auch für neurodivergente Menschen entsprechende Möglichkeiten geben, einfach ihr Leben entsprechend ihrer besonderen Ansprüche zu leben.
Abschluss
An dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen: Alles, was in diesem Text steht ist ein Kann, kein Muss. Eine Solarpunk-Welt muss keine perfekte Utopie sein, selbst wenn sie sehr wahrscheinlich bestimmte Grundlagen beinhalten werde – oder diese Themen in der Geschichte aufgegriffen werden.
Das bedeutet, dass wenn eine Welt nicht anarchistisch ist, es vielleicht um eine anarchische Bewegung geht. Wenn die Welt nicht post-kapitalistisch ist, dann handelt es vielleicht vom Kampf gegen den Kapitalismus. Wenn die Welt nicht dekolonial ist … Nun, ihr versteht, denke ich. Sprich: Sind ein paar dieser zentralen Aspekte nicht gegeben, sollten sie dennoch innerhalb der Geschichte vorkommen.
Um diese fraglichen Konflikte geht es übrigens in der nächsten Woche, wenn wir über Konflikte in Solarpunk-Geschichten sprechen.
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