Romantik – Genre und Vorurteil

Vor einigen Wochen habe ich (nicht zuletzt in Folge einer Diskussion auf dem r/Fantasy Subreddit) über das Thema Romantik getwittert. Um genau zu sein, dass oftmals eine negative Einstellung gegenüber Romantik und internalisierte Misogynie Hand in Hand gehen. Heute will ich mich ein wenig weiter mit dem Thema auseinandersetzen.

„Ich würde es ja lesen, aber Romantik …“

Wie oft habt ihr so etwas schon gehört: „Ich würde gerne ein Fantasy-Buch lesen, aber bitte ohne Romantik!“ oder „Das Buch war eigentlich ganz gut, aber wozu der unnötige Romantik-Subplot? Das war so nervig!“ Wie oft habt ihr so etwas selbst schon gesagt? Denn in den Foren, in denen ich unterwegs bin, sehe ich es häufig.

Auch die genannte Diskussion auf dem r/Fantasy Subreddit hatte das Thema indirekt … nur, dass es um etwas anderes ging. Nämlich darum, dass in „Ich suche Fantasy, das …“ Threads so selten Autorinnen vorgeschlagen wurden und es allgemein auffällig war, dass kaum Autorinnen für Reviews gelesen wurden. Und womit wurde sich verteidigt? „Na ja, ich würde ja auch Autorinnen lesen, aber ich hasse nun einmal Romantik.“ Mit einer indirekten Unterstellung, dass alle Autorinnen Romantik schreiben oder Romantik immer prinzipiell gleich sei.

Diese Begründung ist neben „habe ich nie drauf geachtet“ übrigens auch eine der häufigsten, die ich in meinem Freundeskreis gehört habe, wenn ich gefragt habe, warum die Leute beinahe nur männliche Autoren im Regal stehen haben. Erneut. Mit indirekter Unterstellung von zwei gewissen Dingen.

Die Autorinnen-Zwickmühle

Diese Sache, zusammen mit dem allgemeinen Bias in der Literatur, bringt Autorinnen auch in eine Zwickmühle, die ein ohnehin bereits bestehendes Muster verstärkt. Denn ja, wie wir wissen sind Genre gegendert und Romantik ist ein „Frauen-Genre“. Es ist das Genre, in dem die meisten Autorinnen veröffentlicht werden. In dem sogar mehr Autorinnen, als Autoren veröffentlicht werden.

Derweil haben die meisten anderen Genre einen gewissen Bias gegen nicht-männliche Autor*innen allgemein. Außer natürlich, man schreibt es mit viel Romantik und/oder Erotik, so dass es eventuell im New Adult „hot and steamy“ Regal stehen kann. Wie gesagt: Ein nicht unerheblicher Teil der Fantasy-Publikationen von Frauen, die ich im Rahmen meiner kleinen Suche gefunden habe, waren Romantasy.

Und das führt eben zu einer selbsterfüllenden Prophezeihung. Frauen werden tendenziell eher mit Romantik veröffentlicht. Frauen schreiben. Frauen sehen, dass ihre Chance mit anderen Genre nicht sehr gut sind. Was macht Frau also, vollkommen unabhängig davon, ob sie Romantik schreiben, will? Es ist quasi eine selbsterfüllende Prophezeihung, die nicht zuletzt mit Erwartungsbias zu tun hat.

Und das ist ohne den anderen Teil der Gleichung zu bedenken: Viele männlichen Autoren sind gelinde gesagt mies darin oder sowieso desinteressiert daran weibliche Figuren zu schreiben. Geschweige denn als Protagonistin. Wenn Frau nun aber sich selbst repräsentiert sehen will, ist daher die Chance besser, wenn man halt zur Romantik greift …

Es gibt gute Kritikgründe an Romantik

Das heißt natürlich nicht, dass es nicht berechtigte Gründe gibt, bestimmte Romanzen oder Tropes zu kritisieren gibt. Da sind ein paar Punkte, die man leider immer wieder findet und die natürlich entsprechend toxisch oder wenigstens problematisch sind. Nur um ein paar Beispiele zu nennen:

  • Heteronormativität
    Das fängt vielleicht mit etwas an, dem ich bereits einen eigenen Eintrag vor knapp einem Jahr gewidmet habe: Sehr, sehr viel Romantik ist heteronormativ. Cisheteroallonormativ, um genau zu sein. Beide Partner sind hetero, Heterosexualität wird allgemein angenommen und Vorausgesetzt. Maximal ist da ein schwuler bester Freund. Das gilt umso mehr in einigen Büchern oder Filmen, die nicht in erster Linie eine Romanze sind, jedoch eine einbauen und es einem vorkommt, als wäre das Paar zusammen, weil Mann und Frau nicht zusammenarbeiten können, ohne am Ende in einer Beziehung und/oder im Bett zu landen. Auch darüber hinaus sind die Dynamiken dabei auf eine bestimmte Art aufgebaut – mit bestimmten Dynamiken, was halt eben auch zum nächsten Punkt führt.
  • Toxische/ungesunde Beziehungen
    Ein anderer Aspekt, den man bei sehr, sehr vielen Romanzen beobachten kann, dass sie zumindest insofern ungesund sind, dass es einen immensen Macht-Unterschied zwischen den Figuren gibt. Und das sorgt eben dazu, dass die Romanze nicht auf Augenhöhe stattfindet. Das ist natürlich nicht besonders gesund. Im schlimmsten Fall haben wir natürlich Romanzen, in denen gestalkt wird, in denen ein Partner den anderen erpresst usw. Wenn es heteronormativ ist, dann ist es meist der männliche Charakter, der sich so verhält – aber wir sehen teilweise auch in queeren Romanzen.
  • Abwertung von Freundschaft/anderen Beziehungen
    Was natürlich ein wenig mit dem Punkt „wenn Mann und Frau viel miteinander machen muss es mit Beziehung/Sex enden“ zu tun hat, ist, dass es neben cisheteroallonormativ auch oft wirkt, als wären andere Arten von Beziehungen irgendwie weniger erfüllend. Also zum einen indem gerne getan wird, als wären männlich-weibliche-Freundschaften nicht möglich, aber auch, als wäre das irgendwie mieser, als eine Beziehung. (Allein der Begriff „Friendzone“ wertet es ja schon ab.) Und gerade aus Perspektive dass es zum einen aromantische Menschen gibt, aber allgemein viele Leute sehr erfüllte Freundschaften haben …
  • Klischeehafter Aufbau
    Der letzte Punkt ist vielleicht nicht toxisch, aber dennoch ein durchaus berechtigter Punkt, und dass ist die Kritik, dass Romanzen oft einfach sehr klischeehaft oder einfach nur unausgereift sind. Entweder indem sie halt alle möglichen bekannten Klischees abhaken oder (dies gilt besonders, wenn die Beziehung nur ein Subplot ist) passiert von einem Moment auf den anderen. Frei nach dem Motto: Die Welt wurde gerettet und übrigens, X und Y sind jetzt zusammen.

Nicht alles ist gleich

Die Sache ist nur: Nicht alles ist gleich. Diese Kritikpunkte treffen nicht auf alle romantischen Geschichten zu. Findet man sie häufig oder auch zu häufig? Vielleicht. Sicher. Kann man drüber reden. Aber es heißt eben nicht, dass alles so ist oder dass es deswegen gerecht wäre, sich über das Genre oder eher über das Konzept als solches aufzuregen. Denn einmal ehrlich: Beinahe jede*r wird auch schon einmal ein Buch gelesen oder einen Film gesehen haben mit einer Romantischen Beziehung, die sie*ihn angesprochen hat, oder?

Anstatt über das Genre oder die Art von Geschichte allgemein zu meckern oder „Iih, da ist aber Romantik drin“ zu rufen, wenn man einen ansonsten guten Film oder ein ansonsten gutes Buch hat, wäre es weit hilfreicher genauer zu kritisieren. Sprich: Ist die Romanze toxisch, dann kritisiert sie als toxisch. Ist alles wieder so furchtbar heteronormativ, dann kritisiert es als heteronormativ. Ist eine Romanze voller rassistischer Stereotype, kritisiert diese. Die Geschichten sind nicht so, weil sie Romanzen sind, sondern weil sie eben toxisch, heteronormativ oder rassistisch sind. Durch entsprechende Kritik kann man weit besser Aufmerksamkeit auf diese konkreten Probleme lenken, anstatt ein Genre schlecht zu machen, das eins der wenigen ist, in denen Autorinnen weitläufig veröffentlichen können.

Denkt daran: Fast jedes Genre hat – gerade in seinen bekanntesten und am weitesten verbreiteten Geschichten – seine Probleme. Fantasy ist durchzogen von Sexismus und Rassismus. Science Fiction idealisiert oft genug Kolonialismus. Krimis und Thriller sind nicht selten exploitiv. Und auch in den „literarischen“ Genre haben wir häufig genug Autor*innen, die über Themen schreiben, die nicht ihre sind (frei nach dem Motto Weiße, die über Rassismus schreiben, Männer, die über Sexismus schreiben usw.). Aber selten werden diese Genre auf eine ähnliche Art verurteilt, wie Romantik.

tl;dr

Romantik ist ein Genre, wie viele andere auch. Es ist technisch gesehen sogar eins der beliebsten Genre, wenn es um Bücher geht. Kaum ein anderes Genre verkauft Bücher so gut. Gleichzeitig ist es auch das eine Genre, in dem Frauen gute Chancen haben, veröffentlichen zu können. Trotz des Erfolges auf der einen Seite erhält das Genre jedoch auf anderer Seite sehr viel Hass. Romantische Subplots reichen für viele ungeachtet der Qualität, um Bücher zu verurteilen.

Und während nicht jeder, der Bücher (oder Filme oder Serien) prinzipiell für Romanzen kritisiert, bewusst durch Misogynie motiviert ist, spielt diese doch eine Rolle bezüglich des schlechten Rufs des Genres. Natürlich gibt es gute Gründe verschiedene Tropes im Genre zu kritisieren – oder die Tatsache, dass Romanzen innerhalb ihrer Geschichten oftmals als wichtigere Beziehungen dargestellt werden, als bspw. Freundschaften. Ebenso ist es verständlich, dass aromantische Menschen von diesem Genre frustriert sind, da es sie unsichtbar gemacht hat. Dennoch möchte ich daran erinnern, dass der schlechte Ruf des Genre – außerhalb ihrer Leserschaft – massiv durch Misogynie motiviert ist.

Kurzum: Natürlich gibt es gute Gründe vorsichtig bei dem Genre zu sein. Aber ich kann euch garantieren: Genau so, wie es High Fantasy ohne normativ eurozentrische weiße Welten gibt, gibt es auch gesunde tolle Romanzen. Man muss sie nur finden.


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