Rick Riordan – Meister der inklusiven Fantasy

Endlich habe ich einen guten Grund über dieses Thema zu sprechen. Einen Autor, der nun mehr fünf Reihen für Mid Grade Leser geschrieben hat, die sich mit Mythologie beschäftigen. Mehr oder minder durchweg Urban Fantasy, selbst wenn es teilweise auch Portal Fantasy Ansätze gibt. Was mich allerdings heute über die Bücher sprechen lässt, ist, dass sie Mid Grade sind – und dennoch unglaubliche Diversity beinhalten. Worum es geht? Natürlich um Rick Riordan.

Der Anfang: Percy Jackson

Die eine Reihe von Riordan, von der fraglos die meisten gehört haben, ist Percy Jackson, auch bekannt als „Percy Jackson and the Olympians“. Hier geht es um den namensgebenden Percy, der herausfindet, dass er der Sohn des griechischen Gottes Poseidon ist. Um sicher vor Monstern, die Halbgötter wie ihn jagen, zu sein, muss er das „Camp Halfblood“ zu seinem eigenen Schutz aufsuchen. Doch lang ist er nicht da, ehe er bereits den Namen seines Vaters und seinen eigenen gleich dazu retten muss …

Dabei folgt die Reihe Percys Leben mehr oder minder über fünf Jahre hinweg. Während die ersten Bücher eher lose verbunden sind, zeigt sich später eine zusammenhängende Handlung.

Riordan hat die Bücher tatsächlich für Repräsentation geschrieben – Repräsentation für seinen Sohn, der ADHS hat und ebenfalls von Legasthenie betroffen ist. Deswegen hat er für ihn eine Geschichte über einen Helden mit ADHS und Legasthenie geschrieben. Das allerdings ist so ziemlich die einzige Repräsentation, die diese erste Reihe beinhaltet. Denn soweit sind fast alle Charaktere weiß und cishetero. Sicher mit ein Grund, warum die Reihe mich nie so begeistert hat. Doch dankbarerweise änderte sich das schon bald.

Die Fortsetzung: Helden des Olymp

Die Percy Jackson Reihe wurde von einem Sequel gefolgt: „Die Helden des Olymp“. Hier erfahren wir davon, dass die griechischen Götter ein kleines Problem haben. Denn leider wurden sie von den Römern übernommen – und das hat dazu geführt, dass sie mehr oder weniger mit mehreren Personas zu kämpfen haben. Und als eine böse Macht versucht, dies auszunutzen, um Olympus zu stürzen … verschwindet Percy aus Camp Halfblood. Statt seiner taucht ein anderer Junge auf: Jason Grace, Sohn des Jupiter.

Riordan hat Percy Jackson für mehr Repräsentation für seinen Sohn geschrieben – doch Riordan ist auch Lehrer und hat als solcher gesehen, dass nicht nur seinem Sohn es an Repräsentation in der Jugendliteratur fehlte. Und das nahm seinen Einfluss auf diese Reihe: Wir haben ein wild durchmischtes Cast. Während Percy, Annabeth und Jason weiterhin weiß sind, haben wir Leo, einen hispanischen Jungen, Piper, die indigener Abstammung ist, und Hazel, die schwarz ist, und Frank, der chinesische Wurzeln hat. Mehr noch: Nico di Angelo, den wir bereits in Percy Jackson kennen lernen, wird hier als schwul geoutet und hat am Ende der Reihe einen Freund.

Kurzum: Die Diversity ist in diesem Buch deutlich mehr geworden – etwas, das sich deutlich bemerkbar macht.

Die erste Nebenreihe: Die Kane Chroniken

Mit den Helden des Olymps war die Reihe rund um die Götter des Olympus und ihre halbgöttlichen Kinder erst einmal abgeschlossen, doch Riordan entschloss sich, im selben Universum zu bleiben. Dieses Mal sollte es jedoch um andere Götter gehen: Die Ägyptischen.

Seit dem Tod ihrer Mutter leben Sadie und Carter Kane getrennt. Während Sadie bei ihren Großeltern in London aufwächst, reist Carter mit seinem Vater um die Welt. Als sie zu Weihnachten Sadie besuchen, sucht ihr Vater im British Museum den Rossetta Stein auf. Das nächste, was die Geschwister wissen, ist wie der Stein explodiert, ihr Vater vom Gott Seth entführt wird und sie beide von den Göttern Horus und Isis besessen sind. Denn die ägyptischen Götter haben über die Jahre an Macht verloren und seit Ra verschwunden ist, werden die Mächte des Chaos stärker.

Zugegebenermaßen schneiden die Kane-Chroniken schlechter ab, wenn es um LGBTQ* Repräsentation geht, sofern man nicht Sadies Love Triangle mit ungewöhnlicher Lösung als Triade oder V-Polycule interpretieren will. Dafür haben wir hier eine Geschichte, in der ein Großteil der Charaktere schwarz ist oder arabische Wurzeln hat – etwas, das wir ansonsten ebenfalls selten sehen. Außerdem wird mit Sadie und Carter auch auf die Probleme von Geschwistern eingegangen, die dank der genetischen Lotterie mit unterschiedlichen Hautfarben geboren wurden.

Nach Valhalla: Magnus Chase

Die bisher zuletzt abgeschlossene Reihe ist für mich (und einige meiner Freunde) so ein wenig der heilige Gral der Repräsentation in Jugendliteratur. Denn nach den ägyptischen Göttern wurden die nordischen behandelt und wir bekamen Magnus Chase …

Seit dem Tod seiner Mutter lebt Magnus Chase auf der Straße von Boston. Halb so schlimm. Dank seiner Freunde Blitzen und Hearthstone schafft er es zu überleben – und hat nebenbei auch Gebärdensprache gelernt, um mit dem tauben Hearthstone reden zu können. Dann allerdings findet sein Onkel ihn und redet irgendetwas von magischen Schwertern. Als nächstes taucht ein flammender Riese auf und ehe Magnus sich versieht, ist er tot. Blöd gelaufen. Ein Glück allerdings, dass er besagtes magisches Schwert in der Hand hielt, denn ein Tod im Kampf gewährt ihn eintritt nach Valhalla. Doch als jemand das Video seines Todes manipuliert, um seine Valkyrie Samirah schlecht darstehen zu lassen und sich dunkle Mächte regen, muss Magnus durch die sieben Welten reisen, um Ragnarök zu verhindern.

Magnus Chase hat beinahe alles an Repräsentation. Magnus selbst ist pansexuell. Sein Love Interest ist dier genderfluide Alex Fierro, Kind Lokis. Blitzen, der eigentlich ein undercover Zwerg ist, ist schwarz. Hearthstone ein tauber Elf. Und Samirah, Magnus‘ Valkyrie, ist gläubige Muslima. Und ja, all diese Themen werden im Buch angesprochen – wie auch die Tatsache, dass vor allem LGBTQ* Jugendliche schnell in den US auf der Straße landen. Habe ich schon erwähnt, dass Alex genderfluid ist? Ja? Gut! Denn non-binary Repräsentation in einem Jugendbuch? Unbezahlbar!

Der Fall von Olympus: Die Abenteuer des Apollo

Nach Valhalla ist Riordan zu Olympus zurückgekehrt – mehr oder minder. Denn tatsächlich ist genau das das Problem des Helden: Er ist von Olympus verstoßen worden. In der dritten Pentalogie rund um die Griechischen Götter geht es nämlich um Apollo, der eines Tages fällt und in einem Müllhaufen irgendwo in New York landet. Soweit, so gut. Zeus hat ihn mehr als einmal zu einem Menschen gemacht, um ihm eine Lektion zu erteilen. Dieselbe Sache, wie immer, oder? Er wird Diener eines Halbgotts und am Ende seinerseits zum vollen Gott. Leider soll es dieses Mal nicht so leicht sein, denn seine Halbgöttin wird Meg, die nicht die beste Herrin ist. Außerdem ist da die Gruppe alter römischer Kaiser, die die Welt beherrschen will, und Apollos lang ignorierte Orakel, die von diesen übernommen wurden. Wie soll er das in einem sterblichen Körper nur überleben?

Apollo ist ebenfalls bi- oder gar pansexuell. Nein, seien wir ehrlich, es ist Apollo. Wer die Mythen kennt weiß, er ist „Was nicht bei 3 ein Baum ist“-sexuell – auch wenn Riordan aufgrund der Zielgruppe natürlich den gesamten Vergewaltigungsaspekt aus sämtlichen Mythen herausgenommen hat. Auch ansonsten gibt es hier wieder einiges im Verlauf der Bücher. Während diverse Charaktere aus Percy Jackson und Helden des Olymps wieder auftreten, haben wir auch neue, diverse Charaktere. Und natürlich Meg, die auch das Thema Kindesmisshandlung mit sich bringt.

Riordan und ich

Ich gebe offen zu: Ich war lange nicht besonders angetan von Riordan oder viel eher von Percy Jackson, das damals das einzige war, das ich kannte. Ich hatte es als Hörbuch gehört, ja, aber wirklich begeistert war ich nicht. Denn ja, eins muss man direkt sagen: Der Storyaufbau ist (und bleibt) sehr „Malen nach Zahlen“. In Sachen Struktur gibt es wenig neues bei den Büchern und der Stil ist natürlich auf Mid Grade Leselevel (das heißt optimiert, um sich von einer 8 – 14jährigen Zielgruppe lesen zu lassen). Nun und auch ansonsten hatte Percy Jackson eben recht wenig, was mich ansprach.

Mit „Helden des Olymp“ sah es schon besser aus. Immerhin kam hier Diversität rein, die mich immer begeistern konnte. Die Kane-Chroniken ließ ich damals allerdings aus. So richtig begeisterte ich mich allerdings erst für Magnus Chase. Denn das „Diversitäts-Level“ dieser Trilogie ist überragend. Außerdem hat Alex Fierro eine besondere Bedeutung für mich, da ich vor ihm/ihr nicht von Genderfluidität gehört hatte und darüber zu meiner eigenen Identität gefunden habe. (Allerdings: Entgegen dem so leicht entstehenden Eindrucks, habe ich mich als Alex nicht nach ihm/ihr benannt. Stattdessen war Alex ein Name, den ich seit meiner Kindheit mochte.)

Generell lassen die Bücher mich wünschen, dass ich heute aufwachsen würde oder generell die Chance gehabt zu haben, solch inklusive Geschichten als Kind und Jugendliche*r gehabt zu haben. Derweil hatte ich jedoch nur exklusive Literatur, wie Harry Potter, Eragon und Co. Insofern: Ich beneide Kinder, die diese Geschichten als Kind lesen können.

Ein paar Kritikpunkte

Wie schon gesagt: Inhaltlich halte ich per se die Bücher für gut, aber halt nicht überragend. Viele Entwicklungen sind vorhersehbar, umso mehr, wenn man mit den Mythen vertraut ist, selbst wenn jede Reihe ein, zwei Entwicklungen hat, die dann doch überraschen können. Dennoch: Zu einem nicht unerheblichen Teil hat man immer eine gute Idee, was man bekommt.

Was mich außerdem ein wenig stört, ist, wie bestimmte Götter dargestellt werden. Speziell an der Darstellung von Isis und Loki störe ich mich nach wie vor. Gerade da ich es bei Loki so leid bin, ihn als Antagonisten zu sehen – was eben passiert, wenn man Götter mit symbolischen Bedeutungen in ein Gut/Böse-System presst. Auch das Isis Sieg über Ra als etwas negatives dargestellt wird, während diese Geschichte im alten Ägypten als etwas positives gesehen wurde, hat mich sehr gestört. Zu letzterem empfehle ich übrigens dieses schöne Video.

Auch stört es mich weiterhin, dass die Geschichten sehr mononormativ sind. Ja, sicher, Sadie hat ihr Love Triangle dessen Ergebnis man als Triade lesen könnte – aber gleichzeitig ist dieses Endergebnis doch sehr auf mono getrimmt. (Ohne zu sehr Spoilern zu wollen.) Und auch ansonsten scheint Liebe hier immer (oftmals wortwörtlich) für die Ewigkeit zu sein.

Zuletzt ist da ein Aspekt, den Judith Vogt so schön zu Worte gebracht hat: „Das sind Teenager und keiner denkt an Sex?“ Und ja, das ist etwas, das sehr, sehr auffällig ist. Natürlich ist dies eine Folge der Zielgruppe – und des amerikanischen Marktes – doch teilweise wirkt die Sexlosigkeit schon etwas seltsam. Umso mehr, als Apollo dann der Erzähler wird und „Was nicht bei 3 ein Baum ist“-Apollo zwar hier und da sich verguckt, jedoch keinen einzigen sexuellen Gedanken hat. Es fühlt sich etwas bizarr an, selbst wenn es verständlich ist.

Seid mehr wie Riordan

Dennoch sollte die allgemeine Moral dieses Eintrags sein: Seid mehr wie Riordan. Denn Riordan macht vieles richtig, wenn es um Diversität geht. Er bringt sehr, sehr viel Diversität ein (jedenfalls nach der ursprünglichen Percy Jackson Trilogie), jedoch nie auf eine Art, dass er sich deren Probleme aneignen würde. Ja, Themen (wie die Gefahr von Polizeigewalt, der schwarze junge Männer ausgesetzt sind, oder das Unverständnis von Eltern, bei einem tauben Kind) werden angesprochen, doch sie definieren die Charaktere nicht. Die Charaktere sind in erster Linie einfach Helden, Magier, Mechaniker und mehr – und erst dann was auch immer. Und genau das macht es so großartig.

Allerdings hat Riordan noch eine andere Sache gemacht, die ihn zu einem großen Vorbild machen: Er hat mit Disney Press „Rick Riordan presents“ ins Leben gerufen. Ein Label für Jugendbücher mit mythischen und fantastischen Aspekten, die von Own Voice Autoren geschrieben worden. Kurzum: Er hat seinen Ruhm und Einfluss genutzt, um eine Bühne für Own Voice Autoren zu schaffen. Und gerade dafür bin ich so dankbar!

Entsprechend: Seid mehr wie Riordan. Und wenn ihr Kinder habt: Lasst sie die Bücher lesen. Denn es sind wichtige Bücher.

Hat euch dieser Beitrag gefallen? Wenn ja, unterstützt mich doch eventuell mit einem Ko-Fi oder über Patreon. und/oder teilt den Artikel mit euren Freunden. Ich bin für jede Unterstützung dankbar!


Die Bilder im Beitrag wurden, da ich die Bücher größtenteils nur als Ebook und Audiobooks besitze, netterweise von Charley Quinn bereit gestellt.