Ewige Liebe – Absolute Monogamie in Jugendbüchern
Verliebt sich ein Charakter in einer Geschichte in Jugendjahren, ist es nicht selten, dass er diese Person später auch heiratet. Klar, immerhin ist es „wahre Liebe“, oder? Doch genau das ist eine Sache, die mich häufiger stört, gerade wenn es um Jugendbücher geht. Nicht zuletzt, da es unrealistische Vorstellungen in die Köpfe von Jugendlichen pflanzt und oftmals eine indirekte Bewertung von Beziehungen, die nicht so lange anhalten, mit sich bringt.
Ich selbst identifiziere mich, auch wenn ich aktuell nur einen Partner habe, als polyamour. Das heißt, ich sage, dass ich mehrere Menschen gleichzeitig auf romantische Art lieben kann und auch schon geliebt habe. Doch während es mit der Repräsentation von nicht cisheterosexuellen Paaren gerade in Jugendbüchern (umso mehr auf dem deutschen Buchmarkt, wie Stürmische Seiten sehr gut analysiert hat) schon düster aussieht, sieht man Triaden und Polycules praktisch nie.
Dabei soll es in diesem Beitrag jedoch nicht einmal unbedingt um Polycules gehen und die Repräsentation von diesen – sondern erst einmal um ein viel grundlegendes Thema: Scheiternde Beziehungen.
Liebe ist nicht immer für immer
Geht in euch: Wie viele romantische Beziehungen hattet ihr in eurer Jugend? Wie lange haben diese gehalten? Denn sehen wir es, wie es ist: Gerade in der Jugend, wenn man die ersten romantischen Gehversuche macht, gibt es diverse Beziehungen, die nur ein paar Monate, teilweise sogar nur ein paar Wochen dauern. Diese Beziehungen sind oftmals sehr intensiv, sehr emotional, aber eben auch nicht haltend.
Natürlich gilt es nicht für alle. Diverse Jugendliche haben gar keine Beziehungen und ein paar gibt es auch, die bereits mit 15, 16 oder 17 tatsächlich einen bleibenden Partner finden – doch dies ist eher die Ausnahme. Und natürlich gibt es aroace Personen, die allerdings ebenfalls kaum Repräsentation bekommen und in Zusammenhang mit diesem speziellen Trope allerhöchstens im Sinne des „war wohl doch nur eine Phase“ Tropes vorkommen. Letzten Endes haben die meisten Menschen wenigstens zwei andere Sexualpartner, ehe sie einen dauerhaften Partner finden. Und diese Statistiken zählen oft die kurzen Jugendlieben nicht mit.
Denn hier ist die Sache: Wir Menschen sind keine wirklich monogamen Tiere. Biologisch gesehen sind wir polygam, also darauf ausgerichtet uns mit verschiedenen Partner*innenn zu paaren. Monogamie ist bei uns kulturell, was nicht heißen soll, dass jeder polygam oder polyamour leben soll. Doch anders als bei Pinguinen, verändern sich unsere Gefühle und wir können uns auch noch in einer Beziehung romantisch und sexuell von anderen Menschen angezogen fühlen. Selbst so, wie wir real leben, ist unser Lebensmodell eher saisonal monogam. Wir haben also wechselnde Partner*innen, mit denen wir dann eventuell monogame Beziehungen pflegen, solange diese Beziehung anhält.
Liebe in Jugendbüchern
In Jugend- und Kinderbüchern sieht es jedoch oftmals anders aus. Natürlich, es gibt berühmtberüchtigte Love Triangles und eventuell gibt es auch irgendwann einmal eine kurze Romanze, die sich schnell im Sande verläuft. Nicht selten, damit sich Protagonist*in danach der wahren Gefühle für das eigentliche Love Interest bewusst wird. Je nach Art der Reihe kommt Protagonist*in mit diesem Love Interest fix oder erst am Ende der Reihe zusammen. Nicht selten erfahren wir dann explizit oder implizit, dass diese Beziehung bis ins Erwachsenenalter gehalten hat, die beiden ein, zwei Kinder haben und alles.
Was hierbei oftmals impliziert wird: Die erste Beziehung, sollte es sie gegeben haben, oder die Anziehung zur dritten Ecke im Love Triangle war nicht „real“. Es war keine „wahre Liebe“. Was „wahre Liebe“ sein soll? Das ist nicht ganz klar. Es ist ein Konzept, aber erklärt wird es nie. Gern wird impliziert, dass sexuelle oder generell „äußerliche“ Anziehung es weniger „wahre Liebe“ macht. Dass „wahre Liebe“ in erster Linie idealistisch, in zweiter loyal und erst in letzter Linie sexuell ist.
Was dabei ignoriert wird: „Verliebt sein“ ist am Ende vollkommen unromantisch gesehen eine körperliche Reaktion. Diverse Hormone sorgen dafür, dass wir diese oder jene Gefühle haben (natürlich nicht nur auf Liebe bezogen). Und ja, für viele, zumindest viele allosexuelle Menschen, spielt dahingehend auch Sexualität eine Rolle. Aber das macht die Anziehung nicht unehrlicher. Doch gerade dieser sexuellen Anziehung wird implizit gerne diese „Ehrlichkeit“ abgesprochen.
Drama und toxische Beziehungen
Ist die Beziehung ein zentraler Aspekt eines Jugendbuches, enthält diese oftmals viel Drama und leider, leider damit auch oftmals viele toxische Elemente. Immerhin ist es spannender, wenn das Drama aus der Beziehung selbst kommt. Natürlich gilt das dankbarerweise nicht für alle Jugendbücher, doch viele bekannte Reihen sind nicht zuletzt für missbrauchende Aspekte verschrien. Nicht selten ist der männliche Partner kontrollierend, abweisend, kühl und hat eventuell Probleme, seine Wut zu kontrollieren. Er ist ein Badboy und Aufgabe der Protagonistin ist es, ihn aufzutauen und ihn zu einen guten, potentiellen Ehemann zu bekehren.
Das bedeutet allerdings nicht zuletzt für sie, erst einmal eine Menge Missbrauch auszuhalten. Selbst wenn es noch andere Handlung in den Büchern gibt, ist die Chance nicht gering, dass die Beziehung die Protagonistin häufiger zum Weinen bringt, ihr eventuell sogar physisch geschadet wird. Doch natürlich bleibt sie bei ihm, denn es ist schließlich „wahre Liebe“ und „wahre Liebe“ kommt schon zu ihm durch!
Ein seltsames Weltbild
Was letzten Endes durch solche Darstellungen vermittelt wird, ist, dass die Gefühle in geendeten Beziehungen nicht „echt“ waren. Es ist keine „wahre Liebe“, wenn die Beziehung endet. Es ist außerdem ein Liebesbeweis, wenn man bei einem Partner bleibt, der einen scheiße behandelt. Immerhin: Wenn man ihn wirklich liebt, kommt man zu ihm durch und macht ihn zu einem besseren Menschen. So implizieren es jedenfalls diese Geschichten.
Und gerade in Jugendbüchern finde ich die Kombination beider Tropes unschön. Umso mehr, da ich sie vor allem gehäuft in Young Adult Romanen bemerkt habe. Denn ein Teil von Fiktion wird immer mitgenommen und prägt die Weltbild, egal wie sehr sich manche einreden, dass es anders wäre. Eine Folge davon kann „Slutshaming“ von Jugendlichen sein, die häufiger die Partner wechseln – was in der Jugend noch nicht wirklich dramatisch sein muss. Oder für die betroffene Person auch Zweifel daran, selbst „wirklich lieben“ zu können.
Schlimmstenfalls kann es aber auch dazu führen, dass man sich einredet, man müsse bei einer*m toxischen*m Partner*in bleiben, um die „wahre Liebe“ zu diesem zu beweisen. Und ja, das ist ein Grund, warum manche Menschen zu einer*m solchen Partner*in zurückkehren. Dass sie wirklich verinnerlicht haben, dass „wahre Liebe“ irgendwann zu dieser Person durchdringen wird und sie besser machen wird.
Medienbeispiele
Wie gesagt, natürlich ist es nicht in allem Medien so. Eine Sache, die mir sehr gut gefallen hat, war „The Legend of Korra“, wo die Beziehung zwischen Korra und Mako deutlich toxische Elemente in beide Richtungen beinhaltete. Und ja, die Charaktere haben dies erkannt und die Beziehung beendet. Ob Korra und Asami am Ende zusammenbleiben? Wer weiß. Dagegen haben wir allerdings in der Vorgängerserie mit Aang und Katara, sowie Zuko und Mai zwei Paare, wo die etwaigen Partner mit der „ersten Liebe“ zusammengekommen und -geblieben sind. Im Falle Aangs sogar mit der Liebe, die er mit 12 entwickelt hat.
Gerade im YA-Bereich sind die Beispiele für Geschichten, die so etwas beinhalten, schier endlos. Egal ob Twilight, Hunger Games, Divergent, Mortal Instruments, Selection oder wie sie auch alle heißen. Am ehesten leben kann man hier vielleicht noch mit „Hunger Games“, da die Beziehung zwischen Katniss und Peeta sehr desillusioniert ist und selbst in der Zukunft mehr auf einem gemeinsamen Verständnis beruht.
Aber auch Kinderbücher, wie Harry Potter, haben dahingehend oft beinahe nur Leute, die eine Jugendliebe heiraten – sowohl in der alten, als auch in der neuen Generation. Inklusive dem Herunterreden und Schlechtdarstellen der einzelnen anderen Beziehungen, die etwaige Protagonisten haben. Bei Harry Potter kommen beispielsweise weder Lavender, noch Cho gut dabei weg.
Und generell kann ich mich nur an ein Jugendbuch aus meiner eigenen Jugend erinnern bei dem es nicht so war. Dieses hatte einen Epilog, in dem der Protagonist erzählte, dass die Hauptbeziehung ein paar Monate nach Ende der Handlung selbst endete und er jetzt in einer anderen Beziehung sei. Allerdings war dieses Buch auch autobiographisch aus Erlebnissen des Autors in seiner Jugend beeinflusst.
Einziges anderes Beispiel, das mir dahingehend auf Suche hin genannt wurde, war Sakura, die Vollkommenen, von Kim Kestner, wo die Beziehung und deren Weiterverlauf am Ende wohl offen steht.
Was ich mir wünsche
Was ich mir in Büchern wünschen würde, wäre, dass mehr Beziehungen auch einmal enden dürfen, ohne, dass diese niedergemacht werden. Manchmal ist die Liebe einfach weg und das muss nicht schlimm sein. Manchmal stellt man auch fest, dass es mit einem Partner im Alltag nicht so funktioniert wie gedacht. Auch das muss nicht schlimm sein. Der Partner muss dafür am Ende nicht als das Arsch dastehen.
Auch würde ich mir mehr Bücher wünschen, die entweder auf die toxischen Beziehungen verzichten, in diesen den betroffenen Partner*innen erlauben, die Beziehung zu beenden oder tatsächlich vernünftig mit den Folgen umgehen. Es gibt Psycholog*innen, es gibt Paartherapie, warum kann das in Fiktion nicht auch eine Möglichkeit sein? Wieso muss dort immer die „wahre Liebe“ heilen?
Und ja, zu guter Letzt würde ich mich auch freuen, würde es mehr (positive!) Darstellungen von Polybeziehungen in Büchern geben – auch in Jugendbüchern. Es müssen ja nicht einmal die Hauptfiguren sein. Vielleicht hat ein Charakter Poly-Eltern oder eine Mentorenfigur lebt in einer Triade? Es gibt viele Möglichkeiten, so etwas einzubringen. Nicht alles muss Mono-Hetero sein. Auch nicht in Jugendbüchern.
Ach ja, und wenn ihr jetzt denkt: „Hmm, aber ist es nicht falsch einem Kind solche Perversitäten als positiv darzustellen?“ Dann sagt mir doch: Was ist perverser? Eine Beziehung zwischen drei oder mehr Personen, die einander gut behandeln und lieben, oder eine Beziehung, in der ein Partner den anderen permanent missbraucht? Ich denke, die Antwort ist klar.
Das Beitragsbild wurde von freestocks bereit gestellt.