Dekolonialisierung der Phantastik: Dekolonialisierung des Rollenspiels
Im Rahmen der Dekolonialisierung der Phantastik Reihe, haben wir bereits über verschiedene Aspekte von kolonialistischen Denkweisen in phantastischen Medien – speziell Fantasy und Science Fiction – gesprochen. Doch es gibt eine Medienform, die von der Phantastik beherrscht wird und daher eine besondere Betrachtung verdient: Das Pen & Paper Rollenspiel.
Auch Rollenspiel ist politisch
Fangen wir mit einer wichtigen Feststellung an: Rollenspiel ist politisch, selbst wenn man es eigentlich nicht politisch haben möchte. Zu betonen, dass es in einer Rollenspielwelt queere Menschen, Elves of Color oder Frauen in Regierungspositionen gibt, ist genau so politisch, wie eine Welt zu erschaffen, in der alle weiß sind, niemand explizit queer ist und heterosexuelle weiße Männer die Regierung schmeißen. Zweiteres kommt uns nur nicht als politisch vor, weil es uns lang genug als die Norm vorgegaukelt wurde, die nicht weiter zu hinterfragen ist. Deswegen wird seltener hinterfragt, was für ein politisches Weltbild dadurch vermittelt wird – doch es ist ein Weltbild und als solches fraglos politisch.
Entsprechend ist es nur angemessen, das Weltbild verschiedener Rollenspiele in Hinblick auf den Kolonialismus zu hinterfragen. Denn wie die Reihe bisher etabliert hat, ist gerade die Phantastik an vielen stellen durch den Kolonialismus und Denkweisen, die aus diesem entwachsen sind, geprägt worden. Dahinter steht eher selten die Absicht, kolonialistische Weltbilder zu verbreiten, als eine Gewöhnung an die Normativität dieser Bilder.
In diesem Zusammenhang soll im folgenden eine Reihe von Beispielen, wie bestimmte kolonialistische Denkweisen sich im Rollenspiel zeigen, betrachtet werden, ehe wir einen Blick auf fünf konkrete Rollenspielsysteme werfen, um zu sehen, wie sie davon betroffen sind.
Das Rassenproblem
Fangen wir mit einem Problem, das vor allem in klassischen Fantasy-Systemen weit verbreitet ist, an: Rassen. Viele Fantasy- aber auch diverse Science-Fiction-Systeme geben den Spieler*innen die Möglichkeit ihren Charakter einer Spezies – in vielen alten Fantasy-Systemen „Rasse“ genannt – zuzuordnen. Einer der ersten Beiträge dieser Reihe hat sich bereits ausführlich damit beschäftigt.
Diese „Rassen“ haben, selbst wenn das problematische Wort mittlerweile oft umgegangen und durch Spezies oder Volk ersetzt wird, häufig einige Implikationen. So kommt es beispielsweise häufiger vor, dass leicht in die verschiedenen Spezies einer Welt, eine reale Kultur oder zumindest eine karikaturhafte Darstellung einer solchen, hineininterpretieren lässt. Ein klassisches Beispiel dafür sind Orks, die bei Tolkien einen starken chinesischen und mongolischen Einfluss hatten, derweil in vielen Regelwerken jedoch durch Stereotype, die häufig mit Afroamerikaner*innen in Verbindung gebracht werden, besetzt sind.
Ein in Rollenspielsystemen aber vor allem problematisches Thema, sind die Vor- und Nachteile, die mit einer Spezies einher gehen. Denn häufig erhalten Charaktere je nach Spezies Boni oder Mali auf bestimmte Fähigkeiten und Attribute. Problematisch ist dies, weil es häufig erneut reale Vorurteile aufwirft, wie bspw. dass Menschen bestimmter Kulturen intelligent oder weniger intelligent seien oder bestimmte Fähigkeiten hätten.
Natürlich mögen einige dieser Boni und Mali offensichtlich sein. Ein Drachenmensch hat dicke Schuppen und damit praktisch eine natürliche Rüstung. Da macht es nur Sinn, dass er auch einen Bonus auf Verteidigungswürfe bekommt. Orks sind derweil groß und werden häufig von Natur aus muskulös dargestellt. Da macht es ja Sinn, dass sie stärker sind, oder? Doch das Problem kommt häufig auf, wenn versucht wird solch vermeintlich offensichtlichen Vorteile durch andere Dinge auszugleichen um die Spielbalance zu bewahren. Und so sind Orks häufig weniger intelligent, als andere Spezies – was gerade dann, wenn sie kulturell kodiert sind, umso bitterer ist.
Eurozentrische Welten
Ein weiterer Aspekt, der sich aus kolonialistischen Denkweisen ergibt, ist ein häufiger Eurozentrismus des Settings. Das heißt in einem Fantasy-System, dass der Hauptkontinent häufig einem mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Europa entspricht. Bei einem SciFi-System basieren häufig zentrale Planeten oder Sonnensysteme auf einer europäisierten Welt, in deren Kultur sich europäische Ansichten und Normen widerspiegeln. Ist ein System in unserer Welt selbst angesiedelt, so behandeln die Regeln häufig vornehmlich Zentraleuropa, die USA und vielleicht noch Kanada.
Das heißt nicht, dass es nicht andere Kulturen und Länder in diesen Regelsystemen und den begleitenden Geschichten gibt, nur, dass weiße, europäisierte Kulturen häufig die Norm sind. Andere Länder werden eventuell in Erweiterungsregeln festgehalten und dargestellt, sind aber selten ein Teil des Hauptsettings.
Entsprechend ist auch die Annahme häufig implizit, dass die Charaktere der Spieler*innen aus diesen Gegenden des Spielwelt stammen. Andere Settings werden dann häufiger – besonders innerhalb von Kampagnen – als Orte dargestellt, die von den Charakteren erforscht werden. Kampagnen, in denen die europäisierten Teile der Welt von diesem Teil des Settings fremden Charakteren erforscht werden, sind dagegen in vielen Systemen eher selten.
Das Problem dahinter ist, dass es die Weltsicht in ein „Normal“ und ein „Exotisch“ unterteilt. Was europäisiert ist, ist normal – es ist das Standardsetting, wer das entsprechende System Vanilla ohne Zusatzregelwerke spielt, spielt wahrscheinlich hier. Nicht europäisierte Teile dieser Welt sind derweil exotische Orte, die erforscht werden können und sollen und dabei vornehmlich diese Rolle spielen.
Rassistische Klischees
An dieser Stelle kommen auch weitere rassistische Klischees ins Spiel. Ein Teil davon findet sich, wie gesagt, in den verschiedenen Spezies. Diese können visuell und in ihrer Beschreibung entsprechend oft klischeebeladener Darstellungen einer oder einer Mischung verschiedener Kulturen entlehnt sein. Wie häufig sieht man in älteren Regelwerken noch Orks, die Knochenschmuck in den Haaren haben – etwas, dass rassistischen Darstellungen aller möglichen nicht-weißen Kulturen entnommen ist?
Doch auch wenn es nicht auf eine bestimmte Spezies aufgedrückt ist, finden sich immer wieder rassistische Klischees in den Spielwelten. Beispielsweise in den Teilen der Welt, die eben exotisiert sind. Speziell in älteren Systemen ist es erneut etwas, das sich häufig findet: Der ostasiatische Teil der Welt, in dem alle von Ehre reden, Kung Fu können und Katanas tragen. Der arabische Teil der Welt, wo alle Frauen Bauchtänzerinnen sind und alle Männer Harems haben. Der afrikanische Teil der Welt, wo Leute in Stämmen in der Wüste oder im Dschungel leben.
Dabei ist nicht schlimm, dass die Welt in Teile unterteilt sind, die unterschiedliche Kulturen haben – so ist es in der realen Welt ja auch – sondern, dass sich oft extremer Klischees bedient wurde und teilweise bis heute noch wird. Klischees, die teilweise extremen Schaden anrichten, da sich auch ein fiktionaler Kontinent oder Planet, der mit negativen Afrika-Stereotypen beladen ist, unterschwellige Vorurteile gegenüber dem realen Afrika hervorrufen kann und wird, wenn das Spiel nicht mit entsprechender Reflektion konsumiert wird.
Kolonialismus in der Spielwelt
In diesem Kontext muss jedoch auch über etwas anderes gesprochen werden: Kolonialismus als Teil der Spielwelt. Das fängt schon mit den Szenarien an, in denen Charaktere aus einem europäisch kodierten Land oder einer europäisch kodierten Planeten, andere Länder, Kontinente oder Planeten bereisen, um sie zu „erforschen“. Denn das allein bringt schon koloniale Ideen mit sich, wenn wir beispielsweise an Captain Cook denken und andere Forscher, die nicht nur die Einheimischen der Länder, die sie bereist haben, herabwürdigend behandelt haben, sondern auch Krankheiten verteilt haben.
Doch in einigen Rollenspielen geht es noch weiter und es wird tatsächlicher Kolonialismus betrieben. Vielleicht gibt es ein fremdes Land, das gerade erst entdeckt wurde, und wo nun die ersten Leute hingeschickt werden, um es zu besiedeln und von den neuen Siedlungen zu erforschen. Vielleicht gibt es diese Kolonien sogar schon länger und es gibt Konflikte darum – eventuell auch mit den Einheimischen, die vorher dort waren. Und eventuell dienen diese Kolonien auch dazu, um Rohstoffe zu extrahieren und an die kolonialisierende Macht zurück zu senden.
Wenn es ganz hart kommt, gibt es Sklaverei. Sprich: Es gibt eine Kolonie, es werden Rohstoffe extrahiert und dies geschieht durch versklavte Einheimische.
Das größte Problem dabei ist häufig, dass so nicht nur ein koloniales Setting gewählt wird, sondern dass diese Settings häufig kaum hinterfragt werden. Oftmals ist bei solchen Szenarien die Annahme, dass die Spieler-Charaktere Teil der kolonialen Macht sind, die eben in die „neue Welt“ kommen und Abenteuer erleben. In denselben Systemen sind vorgefertigte Abenteuer, die sich darum drehen, gegen die Kolonialmächte zu rebellieren eher selten, beziehungsweise kamen erst in jüngerer Zeit hinzu.
Kulturelle Aneignung
Neben den Aspekten des Setting selbst, ist auch kulturelle Aneignung immer wieder etwas, das in verschiedene Spiele mit hineinkommt. Dies läuft häufig parallel zu den kodierten Völkern, aber teilweise auch außerhalb von diesen ab. Bei den Kodierungen ist die Problematik klar: Dafür werden visuelle und teilweise auch kulturelle Aspekte einer realen Kultur genommen und häufig stark entfremdet – und das in vielen Fällen durch Menschen, die dieser Kultur nicht entstammen. Dies kann dadurch sein, dass Schmuck oder Kleidung einer bestimmten Kultur übernommen wird, aber auch inhaltliche Aspekte.
Es gibt so beispielsweise diverse Rollenspielsysteme, die in irgendeiner Form Skinwalker als ein Monster inkorporieren. Auch diverse Wesen aus der japanischen Mythologie, wie bspw. Kitsune oder Tengu sind mal spielbar als Charaktere, mal ebenfalls Monster, die bekämpft werden müssen. Dabei muss es in der Spielwelt nicht einmal ein Pseudo-Japan geben, um diese Wesen vorkommen zu lassen. In einigen Fällen werden sogar Gottheiten fremder Religionen ausgeborgt, entfremdet und in eine fiktionale Religion oder einen fiktionalen Kult aufgenommen.
Ein Konzept, das von einigen Rollenspielsystemen (und nebenbei auch verschiedensten Videospielen) übernommen und entfremdet wurde, ist mana. Mana entstammt ursprünglich einer Vielzahl von pazifischen Kulturen und beschreibt in dortigen Religionen eine Kraft, die Lebewesen und der Natur innewohnt – ein Spielen ist es dann einfach ein Wort für Magie.
In eine ähnliche Kerbe schlagen auch Schamanen, die per se schon ein problematisches Konzept sind. Verschiedene Systeme nutzen Schamanen und häufig wird bei ihnen die ein oder andere tatsächliche Religion impliziert – was jedoch erneut häufig nur auf sehr oberflächliche und eben aneignende Art und Weise geschieht.
Gewalt als zentrales Instrument
Zuletzt sollten wir noch über ein anderes Konzept sprechen, das zwar nicht per se kolonial ist, aber dennoch mit kolonialen Denken zu tun hat: Gewalt als Standard in der Interaktion mit der Spielwelt. Klingt etwas seltsam, war jedoch lange für viele Systeme zutreffend. Sie waren entworfen als Spiel, in dem Spieler-Charaktere gewaltsam mit ihrer Umgebung interagieren und dafür Erfahrung bekommen, um so noch stärker zu werden. Das ist ein Konzept, das lange Zeit auf viele Rollenspielsysteme zutraf und teilweise bis heute zutrifft – und das natürlich auch für verschiedene Videospiele zutreffend ist. In einigen Systemen geht es soweit, dass es kaum Alternativen gibt, wenn es darum geht, mit der Umwelt zu interagieren, da Regeln für bspw. soziale Interaktionen kaum definiert sind.
Aber was daran ist nun kolonial? Immerhin haben ja auch nicht-koloniale Kulturen Gewalt genutzt und Kriege miteinander geführt.
Die Problematik ist letzten Endes in der Spielwelt zu finden. Denn wenn wir ein System haben, das auf Gewalt optimiert ist, werden Spieler*innen vornehmlich gewalttätig mit der Spielwelt interagieren. Treffen sie auf fremde Kulturen innerhalb dieser Welt, ermutigt sie das System also, diesen gewaltsam entgegen zu treten. Das hat besonders dann einen faden Beigeschmack, wenn diese fremden Kulturen etwaig kodiert sind.
„Warum ist das nun schlimm?“, mag der ein oder andere nun fragen. „Es ist ja nur Fantasie.“ Und nein, es soll hier nicht impliziert werden, dass Leute, die gewalttätige Spiele spielen eher zu Gewalt neigen. Viel eher geht es darum, wie es gerade im Bezug auf Erzählungen Gewalt als normal einfärbt. Das kann auch dazu führen, in historischen Betrachtungen die Gewalt zu normalisieren – gerade wenn es um jene Konflikte geht, in denen fremde Kulturen aufeinander trafen. Denn entgegen dem, was wir oft lernen, müssen solche Begegnungen nicht gewaltsam passieren.
Es wird besser
Beim Lesen der bisherigen Aspekte, wird der ein oder andere sicher schon den Drang gehabt haben, zu schreiben: „Aber …!“ Vielleicht: „Aber viele Systeme haben aufgehört das Wort ‚Rassen‘ zu verwenden.“ Oder: „Aber in vielen Systemen wurden die nicht-europäischen Kulturen weiter ausgearbeitet und werden nun teilweise auch von Own Voices geschrieben.“ Oder: „Aber dieses oder jenes Wesen wurde mittlerweile rausgeworfen aus dem Monsterkatalog.“ Oder: „Aber mittlerweile benutzt DnD ein Meilensteinsystem.“ Na ja, oder vielleicht auch einfach ein: „Aber das ist nicht politisch. Hör auf alles zu politisieren!!“
Auf letztere weiß ich nicht viel mehr zu sagen, als auf den Anfang des Betrags zu verweisen. Für alle anderen: Ja, das stimmt. Und es ist absolut positiv. Dazu gleich auch noch mehr. Viele Verlage sind sich mittlerweile der hier beschriebenen Problematiken bewusst und arbeiten ihnen gezielt entgegen. Teams werden diversifiziert, es gibt Sensitivity Reading und entsprechend problematische Punkte wurden geretconned oder zumindest versucht besser zu machen. Mehr noch: Viele neuere Systeme, die herauskommen, haben keins der beschriebenen Probleme, da sie direkt mit einer diversen Spielerschaft als Ziel entworfen wurden.
Dennoch ist es wichtig, sich diese Punkte noch einmal in den Kopf zu rufen. Sei es, weil man noch mit alten Versionen der Systeme spielt, sei es, weil man sich vielleicht auch daran stört, dass manche Dinge, die teilweise 20, 30 Jahre auf eine Art waren, sich auf einmal geändert haben. Oder sei es, weil man selbst ein*e Rollenspielentwickler*in ist und problematische Klischees im eigenen System vermeiden möchte.
Fünf Beispiele
Soweit zur Theorie – kommen wir zum konkreteren Teil dieses Beitrag: Den Beispielen. Denn während die bisherigen Aspekte allgemein gehandhabt waren, möchte ich einzelne Aspekte und ein paar bisher nicht genannte Sachen anhand von fünf Systemen genauer Betrachten: Shadowrun, World of Darkness, Call of Cthulu, Das schwarze Auge und natürlich Dungeons & Dragons.
Shadowrun
Shadowrun ist in unserer Welt, wenngleich in der Zukunft angesiedelt. Einer Zukunft, in der es diverse magische Spezies, hier „Metamenschen“ genannt, gibt – sowie Magie und Drachen und neue technische Errungenschaften.
Was bei Shadowrun direkt auffällt, ist eine sehr, sehr starke Kodierung der „Metamenschen“ auf real existierende Menschengruppen. Besonders auffällig ist die Kodierung der Orks und Trolle auf schwarze Menschen, sowohl von den Vorurteilen, die ihnen entgegen gebracht werden, als auch von ihrer gesellschaftlichen Stellung. Umso bitterer ist es hier, dass die Metamenschen erneut Boni und Mali auf ihre Werte haben – inklusive Mali auf Charisma und Intelligenz auf Seiten von sowohl Trollen, als auch Orks.
Darüber hinaus merkt man Shadowrun an, dass es aus der Anfangszeit von Cyberpunk entstammt und daher sowohl die japanophobischen Untertöne beinhaltet, als auch über die Zeit japanophile Eigenschaften aufgenommen hat.
Ebenso ist es teilweise problematisch, wie Shadowrun mit indigenen Kulturen umgehen. Denn diese spielen im Lore eine große Rolle. Allerdings wurde das Lore ursprünglich ohne Input von Own Voices geschrieben. Während der Text durchaus versucht mitfühlend zu sein, liest sich vieles auch jetzt noch mehr als kulturelle Aneignung – zumal es ein indigener Schamane speziell eine Charakteroption für alle Spieler*innen ist.
Zentral ist Shadowruns Setting in den USA angesiedelt, auch wenn es Erweiterungsmaterialien für verschiedene andere Länder gibt. Das Hauptsetting ist jedoch Seattle, wo sowohl viele der Romane, als auch des Fluffs innerhalb der Quellenbücher angesiedelt sind.
Leider leidet Shadowrun als System zur Zeit darunter, dass es vom Herausgeber Catalyst eher stiefmütterlich behandelt wird. Auch wenn das Fandom an vielen Stellen sich der Problematiken bewusst ist und teilweise kompensiert, gibt es von Catalyst soweit wenige Bemühungen, das System inklusiver zu gestalten.
World of Darkness
World of Darkness ist eine Sammlung verschiedener Regelwerke, die alle auf ähnlichen Systemen aufbauen. Zentral drehen sich die Systeme alle um klassische Horror-Kreaturen: Vampire, Werwölfe, Mumien, aber auch Feenwesen und Magier. Angesiedelt ist es in unserer Welt, wobei Regeln sowohl für historische Settings, als auch moderne Settings vorhanden sind.
Die magischen Wesen, die man spielen kann, sind nicht zwischen den Wesen rassistisch kodiert. Allerdings sind die Vampire in verschiedene Clans mit unterschiedlichen Eigenschaften unterteilt – und unter diesen Clans gibt es auch die Assamiten, ein arabischer Clan, der lange Zeit mit vielen orientalischen und teilweise feindlichen Stereotypen dargestellt war. Selbiges gilt für die Ashirra, eine islamische Sekte an Vampiren, die teils mit anti-islamischen Tropes dargestellt wurden. Auch die Kuei-jin, die ost-asiatischen Vampire, sind teilweise mit problematischen Klischees dargestellt.
Ein anderer kritischer Aspekt ist auch hier, dass das Hauptsetting die USA oder Europa sind. Andere Settings existieren, wurden aber in den vergangenen Editionen oft exotisiert dargestellt. Ein Quellenwerk zu Asien beinhaltete einige starke Stereotypen, sowie auch massive kulturelle Aneignung an Wesen aus chinesischer und japanischer Mythologie. So sind Tengu und Kitsune sogar die Standardnamen für Raben- und Fuchsgestaltwandler in dem Werk.
Bei White Wolf, dem Herausgeber von World of Darkness, ist allerdings ein Bewusstsein eingetreten dafür, was daran problematisch ist. Es wurde sich für die 5. Edition bemüht, ein diverseres Team anzuheuern, um mehr Own Voices zu haben, die an entsprechenden Aspekten schreiben. Wir werden sehen, wie dies ausgehen wird, da bisher für die 5. Edition noch keine Bände, die die asiatischen Gestaltwandler oder Vampire beinhaltet, erschienen sind. Dafür wurde sich bei den Assamiten bemüht, sie von Own Voices schreiben zu lassen und so die problematischen Klischees zu entfernen.
Call of Cthulu
Auch Call of Cthulu ist in unserer Welt angesiedelt – und zwar in den 1920er Jahren, in denen auch Lovecraft seine Geschichten geschrieben hat, auf denen es aufbaut. Da die meisten Kampagnen in den USA angesiedelt sind, sollte direkt ein Thema ins Auge springen.
In den 1920ern war vielerorts in den USA Trennung von weißen Menschen und BI_PoC aktiv, inklusive damit einhergehenden Rassismus aktiv. Etwas, dass ein Rollenspiel, das zu der Zeit spielt, eventuell adressieren sollte. Das passiert allerdings nicht. Die Regelwerke verlieren alles in allem kaum Worte darüber und scheinen auch halb damit zu rechnen, dass etwaige Spieler*innen weiß sind und weiße Figuren spielen werden.
Entsprechend wird leider auch wenig gemacht, um sich kritisch mit H.P. Lovecrafts Rassismus auseinander zu setzen. Dinge, wie die monströsen Kinder von Menschen und Deep Ones – eine von Lovecrafts Metaphern darüber, dass weiße Menschen keine Kinder mit nicht-weißen Menschen haben sollten – sind einfach unkommentiert übernommen. Auch andere dieser Metaphern oder auch jener Sachen, die nicht einmal Metaphern sind (Stichwort: Kannibalismus), sind einfach übernommen.
Dann gibt es da noch den Kampagnenband „Expeditionen ins Herz der Finsternis“, der einfach nur aus einer Aneinanderreihung von rassistischen Klischees und Exotisierung ist. Nicht alle der fünf Kampagnen beinhalten diese, doch gerade „Herz der Finsternis“ und die praktisch schon vom Titel her Rassismus schreiende Kampagne „Curso Cannibale“ sind sehr kritisch zu betrachten.
Ja, diese Werke sind schon mehr als 10 Jahre alt – doch von allem, was ich online und in Gespräch mit Spieler*innen des Systems herausgefunden habe, hat sich daran wenig getan.
Das schwarze Auge
Dungeons & Dragons
Dungeons & Dragons in seiner originalen Form kann praktisch als die Schablone für diesen Eintrag gesehen werden. Denn alles, was hier angesprochen wurde, kam in irgendeiner Form in Dungeons & Dragons vor – teilweise sogar schlimmer als angesprochen. Natürlich hat Dungeons & Dragons verschiedene „Rassen“, die auch so heißen, und natürlich haben diese bestimmte Werte. Mehr noch: Dungeons & Dragons hat eine Schablone für die moralische Ausrichtung eines Charakters (von „lawful good“ zu „chaotic evil“) und einige der Spezies waren darin eingeschränkt, welche Ausrichtungen sie haben konnten. Das ging soweit, dass bestimmte „Spezies“ nur böse sein konnten – dabei war es umso problematischer, dass ausgerechnet diese Spezies oft rassistisch kodiert waren und teilweise bis heute sind.
Auch von den Spielwelten her gab es Orientalismus, Exotismus und diverse rassistische Stereotypen, die sich auf Gruppen, die in der Welt lebten, niedergeschlagen haben. Ja, es gab die Expeditionskampagnen und teilweise auch Formen von Besatzung und Kolonialismus, die normale Teile der Spielwelt waren.
Und natürlich hat das große, umfassende Monsterkompendium diverse Kreaturen aus allerhand Mythologien übernommen und entfremdet.
Jedoch ist Dungeons & Dragons dennoch aktuell als eins der positivsten Beispiele zu betrachten, denn der Verlag – Wizards of the Coast – ist mittlerweile sehr reflektiert, was all diese Aspekte angeht. Der Begriff „Rasse“ wurde in diversen nicht-englischen Fassungen entfernt (im Englischen gilt der Begriff als reclaimed) und ersetzt. Die nicht-europäischen Settings werden nun vornehmlich von Own Voices geschrieben und lektoriert. Inhärent „böse“ Spezies gibt es nicht länger.
Es ist noch nicht alles gut – aber Wizards of the Coast ist sehr offen in ihrem Prozess, koloniale Aspekte aus ihrem System zu entfernen und suchen auch den Dialog mit ihren Fans, vor allem den marginalisierten Fans. Dies geschieht sehr transparent und ist ein aktuell noch laufender Vorgang.
Fazit
Viele der Aspekte, über die soweit in der Dekolonialisierung der Phantastik Reihe besprochen wurden, zeigen sich auch in phantastischen Rollenspielen. Dort sind sie teilweise sogar noch deutlicher, da verschiedene Aspekte des Weltenbaus in klare Regeln gegossen werden müssen, die die Problematiken deutlich machen. Aber auch in den Aspekten von Rollenspielen, die nicht mit klaren Regeln dargestellt werden, findet man immer wieder kolonialistische Darstellungen.
Einer der häufigsten und kritischsten Aspekte von phantastischen Rollenspielen, ist die Darstellung verschiedener Spezies, die häufig gleichzeitig nach rassistischen Stereotypen kodiert, aber auch mit festen Werten dargestellt ist. Dies bringt unschöne Implikationen mit sich und ist ein Thema, dass sich durch viele Systeme zieht.
Allerdings lässt sich feststellen, dass an vielen Stellen die Verlage und Herausgeber*innen von Rollenspielsystemen angefangen haben sich dieser Probleme bewusst zu werden. An vielen Stellen gibt es mehr und mehr Bestrebungen, diese Probleme zu beseitigen, so dass Regeln entsprechend angepasst werden. Auch sind mehr und mehr Verlage bemüht, ihre Teams divers zu besetzen, so dass auch dadurch die Spiele inklusiver werden.
Es lässt sich zuletzt feststellen, dass es neben den großen Systemen mittlerweile auch eine Vielzahl unterschiedlicher Indie-Rollenspiele gibt, die teilweise aus komplett anderen Perspektiven geschrieben sind. Teilweise gibt es sogar explizit dekoloniale Rollenspiele, die sich auch über entsprechende Unterstützung freuen werden.
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