Weltenbau 101: Religionen

Es gibt ein Thema, dass beim Weltenbau je nach Autor*in entweder eine zentrale oder gar keine Rolle spielt: Religion. Denn tatsächlich scheint es bei diesem Thema nur die Extreme zu geben: Welten ohne nennenswert ausgearbeitete Religion oder Welten, bei denen Religion im Vordergrund sämtlicher Konflikte steht.

Was ist Religion?

Wenn wir über Religion im Weltenbau sprechen wollen, ist es nur sinnvoll, vorher zu definieren, was eine Religion überhaupt ist. Doch auch wenn viele Leute sicher irgendein Bild vor Augen haben, wenn sie das Wort „Religion“ hören, so ist es gar nicht mal so leicht, eine stimmige Definition zu finden.

Generell beschreibt Religion einen Glauben an irgendwelche übernatürlichen Sachen, der in Traditionen und Ritualen verfestigt ist. In vielen Fällen dient eine Religion dabei als Grundlage für eine Kultur. Wichtig dabei ist, dass sich zentrale Glaubenselemente der Religion nicht beweisen lassen, was eben den „Glauben“ in den Vordergrund rückt. Wie jedoch diese „übernatürlichen Elemente“ genau definiert sind, ist von Religion zu Religion unterschiedlich. Übliche Elemente sind jedoch Gottheiten, sowie Heilige oder Prophet*innen, die quasi magische Taten vollbracht haben.

In unserer Realität ist häufig noch eine Diskussion, wie man Religion von Kulten abgrenzt. Diese Abgrenzung ist allerdings ein umstrittenes Thema, weshalb ich darauf nicht in diesem Beitrag eingehen werde.

Urreligionen

Fangen wir mit dem Ursprung von Religionen an – zugegebenermaßen auch ein Thema, das nicht komplett unstrittig ist.

Aber prinzipiell begleitet uns als Menschen Religion schon sehr lange. Die ersten Bauwerke, die von Menschen geschaffen wurden, waren wahrscheinlich religiöse Stätten. Zumindest sind die ältesten Bauwerke, die wir heute gefunden haben, wahrscheinlich Kultstätten mit einer religiösen Bedeutung, selbst wenn wir wenig über die etwaige Religion wissen.

Was wir wissen, ist, dass viel des Glaubens an das Übernatürliche durch das Bedürfnis entstanden, Dinge zu erklären, die ohne zu einem etwaigen Zeitpunkt nicht erklärbar waren. Naturgewalten zum Beispiel. So waren es dann auf einmal Gött*innen, die Blitze über den Himmel schleuderten und die Sonne auf und untergehen ließen.

Viele frühe Religionen – so viel wissen wir – hatten außerdem Gottheiten mit tierischen Aspekten, wie wir es beispielsweise auch von der ägyptischen Religion kennen. Um diese Gottheiten wurden dann Geschichten und Rituale herum entwickelt. So entstanden Mythen, aber eben auch Sachen, wie beispielsweise Opfergaben zu bestimmten Anlässen oder regelmäßige Besuche der Kultstätten, um Dinge von den Gottheiten zu erbitten.

Religionsentwicklung

Wie praktisch alle kulturellen Dinge, entwickelt sich Religion mit der Zeit. Verschiedene Religionen verbreiten sich, spalten sich in unterschiedliche Religionen auf, vermischen sich mit anderen Religionen und werden so zu etwas Neuem. Das für die meisten Deutschen wohl am besten bekannte Beispiel, ist der Zusammenhang zwischen Judentum, Christentum und Islam als miteinander verwandte Religionen.

Doch können wir das ganze viel weiter zurückverfolgen. Prinzipiell hängen viele der Mythen und damit auch Religionen von Europa und Asiens zusammen. Es wird davon ausgegangen, dass alles, was wir hier kennen – von griechischen und römischen Mythen, über nordische Gottheiten hin zum Christentum – einen gemeinsamen Ursprung hat: Die proto-indoeuropäische Kultur und ihre Religion.

Auch den Ursprung des Judetums und damit auch des Christentums können wir genauer auf die Kanaaniten zurückverfolgen. Einige Klans dort führten irgendwann JHW als Gottheit bei sich ein, der dann in seiner Relevanz stieg und erst zum Kopf des Pantheons wurde, dann sogar die anderen Gottheiten des Pantheons ersetzte und damit zum Gott einer neuen Religion wurde.

Bedenkt, dass solche religiösen Entwicklungen üblich sind und wahrscheinlich auch in eurer Welt die Religionen nicht statisch sein werden. Es werden sich immer wieder neue Strömungen entwickeln, ganze neue Religionen abspalten und natürlich dazwischen auch Konflikte entstehen.

Religionskonflikte

Wo verschiedene Gruppen an verschiedene Dinge glauben, wird es Konflikte zwischen diesen Gruppen geben. Dies ist zwar kein universales Gesetz – es gibt durchaus Religionen, die diesen Konflikt eher geschmäht haben – aber es ist dennoch häufig wahr.

Wer heute an Religionskonflikte denkt, denkt vielleicht an den Islam, aber wir dürfen nicht die ganzen Konflikte vergessen, die allein innerhalb des Christentums entstanden sind. Direkt zu Beginn des Christentums war es zum Beispiel ein riesiger Konflikt darum, ob Gott nun „Vater, Sohn und heiliger Geist“ in einer Person ist oder ob Gott, Jesus und heiliger Geist doch getrennte Entitäten sind, die alle gleichermaßen göttlich sind. Auch später gab es immer wieder Konflikte zwischen christlichen Konfessionen. Der bekannteste Konflikt, zwischen Katholiken und Protestanten, dürfte den meisten noch aus dem Geschichtsunterricht bekannt sein.

Natürlich hatten auch Religionen, die nicht aus dem Abrahamitischen abstammen, miteinander Konflikte. Es gab in Japan historisch gesehen lange Konflikte zwischen Leuten, die buddhistischen Glauben durchsetzen wollten, und dem einheimischen Shinto-Glauben gegeben.

Religiöse Glaubenskonflikte müssen nicht immer zu Kriegen werden. Dennoch lohnt es sich, darüber nachzudenken, wo es eventuell Konfliktpotential zwischen verschiedenen Religionen oder auch nur Glaubensrichtungen gibt und wie sich diese äußern. Es kann alles zwischen kleineren Anfeindungen, hin zu einer Form der Inquisition sein.

Es braucht nicht immer Gött*innen

Eine Neigung, die ganz deutlich viele Fantasy-Autor*innen verspüren, ist, ihre Religion komplett um ein Pantheon herum aufzubauen. Das heißt, es gibt ein Pantheon aus Gottheiten, die von allen angebetet werden und denen Opfer gebracht werden, um bestimmte Dinge zu erreichen. Je nach Welt haben Leute entweder bevorzugte Gottheiten oder es gibt auf Aufgaben bezogene Gottheiten, wie „Gott der Ernte“, „Göttin der Jagd“, „Kriegsgott“ und so weiter.

Es sollte allerdings bedacht werden, dass nicht alle Teile einer Religion Gottheitenbezogen sein müssen und dass es eventuell auch ein wenig simplistisch gedacht ist, eine Religion komplett um die Gött*innen herum aufzubauen. Was das ganze dabei auslässt, ist der menschliche Aspekt einer Religion. Das heißt, das alltägliche Rituelle, das nicht direkt auf „gehe zu Tempel von Gottheit X“ hinausläuft.

Außerdem sollten auch nicht die Menschen (oder andere sterbliche Wesen) vergessen werden, die in der Religion eine Rolle spielen. Seien es einfache Priester*innen oder andere Gottesdiener*innen, seien es Heilige, seien es die einfachen Angehörigen einer Religion. Was macht die aus? Was verbindet diese? Was bewegt jemanden dazu Priester*in zu werden? Was macht die Heiligen zu Heiligen?

Zu guter Letzt sollte auch bedacht werden, dass nicht zwangsläufig jede Religion um Gottheiten herum aufgebaut sein muss. Ja, die meisten Religionen haben Gottheiten oder gottgleiche Wesen, aber nicht alle sind um diese Figuren und ihre Anbetung herum konzipiert. Es muss nicht immer alles im graeco-römischen Sinne konzipiert sein.

Reale Gottheiten

Was natürlich der andere Aspekt mit Gottheiten ist, der bedacht werden sollte, ist die Auswirkung, wenn Gottheiten real sind. Was Religion in unserer Welt ausmacht, ist, dass wir die Existenz von Gottheiten nicht nachweisen können. Natürlich glauben die Angehörigen einer Religion an ihre etwaigen Gottheiten oder zumindest einen Teil von diesen, aber sie können ihre Existenz nicht beweisen.

In phantastischen Welten kann dies schnell anders aussehen. Hier kommt es häufiger vor, dass Gottheiten real existieren und ihre Existenz auch immer wieder unter Beweis stellen. Sei es dadurch, dass sie ihren Priester*innen reale Kräfte verleihen, sei es dadurch, dass sie sich selbst zeigen und selbst Wunder vollbringen. Ihre Existenz wird dadurch belegbar und ist nicht länger eine Glaubensfrage.

Allerdings muss dies nicht zwangsweise bedeuten, dass es keine Religionskonflikte und keine Ungläubigen mehr gibt. Denn zwar ist die Existenz einer Gottheit so belegbar, aber nicht zwangsläufig ihre Göttlichkeit. Ungläubige können anzweifeln, dass es sich bei einer Gottheit um eine solche handelt, anstatt bspw. einem größeren Geist, oder daran, dass diese Gottheiten den Menschen wohlgesonnen sind.

So oder so lohnt es sich allerdings darüber Gedanken zu machen, was für Auswirkungen es haben könnte, wenn Gottheiten real existieren und in ihrer Existenz beweisbar sind.

Religion und Magie

Zu guter Letzt lohnt es sich auch, sich über die Bedeutung von realer Magie für eine Religion Gedanken zu machen. Denn wir sollten uns immer wieder vor Augen führen, dass Magie eine zentrale Rolle in jeder Religion spielt. Egal, ob nun daran geglaubt wird, dass ein*e Priester*in das Wetter verändern kann oder daran, dass ein*e Priesterin durch Handauflegen heilen kann: All das stellen magischen Glauben und magische Rituale dar.

Entsprechend ist es wichtig sich darüber im klaren zu sein, was für Auswirkungen es hat, wenn Magie real existiert. Denn genau so, wie die Religion in unserer Gesellschaft durch die Technik, die vieles möglich macht, immer mehr verdrängt wird, so kann etwas vergleichbares auch in einer Gesellschaft passieren, in der Magie gibt. Wofür braucht man eine*n Priester*in, wenn es halt reale Heiler*innen und reale Wettermagier*innen gibt, die garantiert und ohne göttliche Hilfe und Opfergaben dasselbe Ergebnis erzeugen können?

Das heißt natürlich nicht, dass es in einer solchen Gesellschaft keine Religion mehr gäbe – in unserer Gesellschaft gibt es ja auch weiterhin Religion. Aber es könnte mehr Leute geben, die an der Religion zweifeln, wenn sie übliche religiöse Dinge auch ohne Religion erhalten können. Im Umkehrschluss kann es natürlich auch bedeuten, dass die Religionen ein verstärktes Interesse daran haben, den Einsatz von Magie zu kontrollieren und regulieren – idealerweise ausschließlich auf Leute begrenzt, die ihrer Religion angehören.

Auch sollte man sich als Autor*in Gedanken darüber machen, wie Magie, wenn sie denn existiert, in die Religion eingebunden wird. Wie wird diese innerhalb der Religion begründet und sollte es Magie außerhalb der Religion geben: Wie wird damit umgegangen? Gibt es Unterschiede im Einsatz von Magie zwischen religiösen und nicht-religiösen Magier*innen?


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