Dekolonialisierung der Phantastik: Koloniale Magie
Wenn wir speziell Fantasy betrachten, so gibt es etwas, das praktisch zentral für dieses Genre ist: Magie. Fantasy lebt von verschiedenen Arten von Magie, die beinahe in jeder Geschichte irgendwie vorkommen. Doch auch Magie als Konzept ist nicht davor gefeit, durch Kolonialismus beeinflusst zu werden.
Dieser Beitrag gehört zur Reihe Dekolonialisierung der Phantastik. Wenn ihr mehr über diese Reihe erfahren wollt findet ihr die Einführung, sowie die Übersicht der anderen Beiträge hier.
Magie, Phantastik und Kolonialismus
Wenn wir Magie in der Fantasy, aber auch das Konzept der Magie in der realen Welt betrachten, so gibt es zwei Bezüge zu Kolonialismus. Der erste findet sich in den phantastischen Welt selbst, wenn es darum geht, wie Magie dargestellt wird – und vor allem auch, wer Zugriff auf diese Magie hat und wie dieser Zugriff aussieht.
Der andere Aspekt ist jedoch weit komplizierter, entstammt der realen Welt, schlägt sich aber auch immer wieder darin nieder, welche Arten von Magie wir in der Phantastik sehen. Immerhin kommen unsere Vorstellungen von Magie aus der realen Welt und aus einer langen Tradition auch dort Magie zu wirken und gewirkte Magie zu beobachten.
Dabei dürfen wir allerdings nicht vergessen, dass die Linien zwischen „Magie“ und „religiöser Praxis“ sehr verschwommen sind. Und genau das ist häufig ein Problem, bei dem sich schnell erkennen lässt, dass wir Magie und Religion auch heute noch aus einer christlich-zentrierten Weltsicht betrachten.
Religion und Magie
Ganz neutral ließe sich feststellen, dass so ziemlich jede Religion magische und übernatürliche Elemente beinhaltet. Es wird an übernatürliche Wesen, wie Götter, Engel, Geister und Dämonen geglaubt und nicht selten haben die spirituellen Menschen einer Religion – beispielsweise Priester*innen – magische Kräfte. Häufig können sie heilen, können eventuell mit Geistern und Göttern kommunizieren oder haben die Gabe in die Zukunft zu sehen.
Für die meisten, die in Deutschland oder einem anderen vornehmlich christlich geprägten Land aufgewachsen sind, würde es sich jedoch falsch anhören, einen christlichen Priester als Magier zu bezeichnen. Dabei werden diesen oftmals magische, durch Gott vergebene Mächte nachgesagt, wie eben die Fähigkeit durch Gebet und Handauflegen zu heilen oder beispielsweise böse Geister auszutreiben. Man kann natürlich sagen: „Nun, technisch gesehen ist es im christlichen Glauben so, dass der Priester dabei nur die Macht Gottes durch sich handeln lässt.“ Und je nach genauer Glaubensrichtung ist dies fraglos so. Allerdings ist es im Glauben diverser anderer Kulturen nicht anders, dass Menschen, die aus der christlichen Perspektive als Magier bezeichnet werden, ebenfalls nur Gottheiten oder Geister durch sich handeln lassen.
In unserer Sprache schlägt sich diese Unterscheidung dadurch nieder, dass wir dazu neigen, eine vermeintlich durch abrahamistische Religionen erfolgte Heilung zum Beispiel als „Wunder“ bezeichnen, eine solche Handlung in einer andere Religion dagegen als eine Form von „Magie“. Wir trennen also in „Wunder“ und „Magie“ auf, als seien dies zwangsläufig getrennte Konzepte.
Mittelalterliche Magievorstellungen
Vieles, was fest in der Darstellung von Magie in der Phantastik verankert ist, ist eine Abwandlung von mittelalterlichen Magievorstellungen. Denn im mittelalterlichen Europa waren verschiedene Formen von Magie recht verbreitet, bei denen sich ältere und oftmals lokale Versionen von Magie mit christlichen Wundervorstellungen vermischten.
Dabei war ein zentrales Bild die Unterteilung in weiße und schwarze Magie. Weiße Magie wurde als etwas gesehen, dass durch die Mächte von Gott, Heiligen und Engeln gestützt wurde, während schwarze Magie böse Magie war, die direkt oder indirekt von Satan kam. Entsprechend wurde Zauberei, die einen positiven Effekt erzielen sollte – wie Heilung oder Schutz – als weiße Magie eingeordnet. Schlechte Dinge, wie Flüche, wurden derweil als schwarze Magie bewertet. Wenngleich auch ein*e „Magier*in“, di*er eine Heilung versprach, die jedoch keine gesundheitliche Besserung mit sich brachte, der schwarzen Magie bezichtigt werden konnte.
Das Wirken von weißer Magie wurde jedoch weitgehend toleriert, selbst wenn es Gegenden gab, in denen es lokal verboten war. Dort fielen diese weißmagischen Aufgaben ausschließlich auf Gottesdiener*innen wie Priester, Mönche und Nonnen.
Auch entnehmen wir viele Vorstellungen davon, wie Magie aussieht, aus mittelalterlichen Darstellungen und ebenso der Alchemie. Hierzu gehören magisches Wirken durch Sprüche und Gesänge – die nicht selten in fremden Sprachen, in den meisten Fällen auf Latein zitiert werden – und magische Zeichen, die Teil von magischen Ritualen sind. Auch die Verwendung von Zauberbüchern, im spezifischen Grimoires, entstammt dem Mittelalter, selbst wenn sie sich in die frühe Neuzeit zog, sowie auch verschiedene Variationen von Zauberstäben.
Der Hexenhammer
Eine andere Quelle, für magische Vorstellungen entstammen der Hexenverfolgung und natürlich dem Malleus Maleficarum, dem Hexenhammer – einer Schrift, die von dem deutschen Priester Heinrich Kramer geschrieben wurde.
Natürlich muss man immer wieder klar stellen: Die Hexenverfolgung kam je nach Land erst gegen Ende des Mittelalters oder nach dem Mittelalter. Es war also keine wirklich mittelalterliche Praktik – und es nicht in allen Ländern war der Malleus Maleficarum die Quelle dafür. Die Frage, inwieweit der Malleus Maleficarum verwendet wurde, hing auch damit zusammen, wie stark sich die Hexenverfolgung auf Frauen bezog. Denn während die spanische Inquisition recht gleichermaßen Männer, wie Frauen betraf, war der Malleus Maleficarum eine stark misogyne Schrift. Während überall auch immer Männer von der Hexenverfolgung betroffen waren, so konzentrierte sich dort, wo der Malleus Maleficarum Grundlage war, die Verfolgung vornehmlich auf Frauen.
Während im Rahmen der Hexenverfolgung viele wirklich alberne Vorstellungen reingebracht wurden, sind einige bis heute geblieben. Dazu gehören die Hexenbesen, Zaubertränke, sowie die Verbindung von Sexualität und Magie, die zwar auch in vor-christlichen europäischen Religionen teilweise vorkam, jedoch in der Vorstellung vor allem durch Darstellungen in der Hexenverfolgung gefestigt wurden.
Antike Magie
Natürlich hat viel der mittelalterlichen magischen Interpretationen seinen Ursprung sowohl in alten keltischen und germanischen Traditionen, als auch in der Antike. Denn natürlich hatten auch die Antiken Kulturen sehr verbreitete magische Traditionen, bei denen wir davon ausgehen, dass sie gewissermaßen zum Alltag gehörten.
Dazu gehörten Schutzzauber, Heilzauber, Liebeszauber, aber natürlich auch Flüche. Auch hier finden wir viele Elemente, die später aufgegriffen werden. Alle drei der uns so gut bekannten antiken Hochkulturen – Rom, Griechenland und Ägypten – haben Formen von Zaubersprüchen und -amuletten verwendet, um sich beispielsweise vor Krankheiten und Unglück zu schützen. Während in Ägypten solche Amulette meist aus kunstvoll zusammengewickeltem Papyrus, auf dem der Zauber geschrieben war, bestanden, war es in Griechenland und Rom üblicher, die Sprüche auf Tonscherben oder Kupferplatten festzuhalten und dann bei sich zu tragen. Genau so konnten Amulette aber auch verwendet werden, um jemanden zu schaden – bspw. indem man ein solches Amulett mit einem Fluch vor jemandes Türschwelle vergraben hat.
Auch interessant: Zumindest Ägypten und Griechenland kannten ebenso auch Zauber, die unseren modernen Vorstellungen von Voodoo nicht unähnlich sind. Hierzu wurden Figuren meist aus Ton oder Wachs hergestellt. So etwas wurde nicht selten für Liebeszauber verwendet, aber natürlich auch für Flüche jedweder Art.
Dabei ist es nicht verwunderlich, dass viel von diesen Antiken Bräuchen sich auf ins Mittelalter weitergetragen hat. Vor allem im Spätmittelalter und der Rennaissance galt es unter besser gebildeten Magiegläubigen als besonders gut alte Zaubersprüche und -rituale aus der Antike in ihre neuen Formen der Magie mit aufzunehmen. Nicht wenige der Grimoire beinhalten Zauber, die der Antike entnommen sind. Und nachdem es dank Champollion es möglich war Hieroglyphen zu übersetzen, wurden viele ägyptische Zaubersprüche in den europäischen Gebrauch aufgenommen und spielten eine große Rolle in der Entwicklung hermetischer Traditionen.
Die Magie anderer Kulturen
Soweit lässt sich Magie noch gut, mit unserer Sprache und unseren Vorstellungen beschreiben. Dies endet jedoch, wenn wir den Blick von Europa abwenden. Betrachten wir die anderen Kontinente und all jene Praktiken, die wir dort als Magie bezeichnen, gehen uns schnell die Worte aus – und das wortwörtlich. Denn während es meistens noch möglich ist, die Praktiken anderer indo-europäischer Kulturen irgendwie mit unserer Sprache zu beschreiben, endet dies, sobald wir uns aus dem Rahmen entfernen.
Das sorgt dafür, dass wir oftmals versuchen, religiöse und magische Praktiken mit unserer Sprache zu beschreiben, ihnen aber nicht wirklich gerecht werden können. Allein dadurch, dass wir jedoch unsere Sprache benutzen, drücken wir diese fremde Magie und Religion durch eine europäische Linse. Genau deswegen ist es oft nicht ohne weiteres möglich, diese Dinge zu verstehen, ohne sich lange Zeit und tiefgehend mit dieser Kultur zu beschäftigen.
Wir müssen technisch gesehen nicht einmal Europa verlassen, um dieses Phänomen zu betrachten. Eine Magie, die schon im Mittelalter bekannt und gefürchtet war, war die Magie der Sámi. Diese sind eine normadische Kultur, die im Bereich vom östlichen Skandinavien und in Teilen Russlands lebten und bis heute leben. Sie haben eine lange und ausgeprägte magische Tradition, doch wer versucht, darüber mehr zu lernen, wird einen von zwei Fällen treffen: Entweder es wird sich auf Texte bezogen, die von Christ*innen geschrieben wurden und diese Magie durch eine christliche Linse beschreiben – inklusive Erwähnung, dass die in der Magie zentralen Trommeln von Satan stammen. Oder aber man findet Texte, die viele, viele Fremdwörter benutzen – gemischt germanische, nordische und Sámi Begriffe – aus einem Mangel es anders beschreiben zu können.
Um ein konkreteres Beispiel zu bringen, so kann man sich die Shinto-Kultur in Japan ansehen. Es erscheint allgemein anerkannt, den Begriff kami mit „Gott“ zu übersetzen. Selbst anders herum wird auch der christliche Gott als kami übersetzt. Dennoch beschreiben die beiden Worte zwar ähnliche, aber nicht komplett identische Konzepte. Ähnlich sieht es mit den yokai aus, die gerne als Geister oder Dämonen übersetzt werden – doch erneut: Ganz treffen die Worte das Konzept nicht. Es sind sprachlich nur Annäherungen. Deswegen ist es für Europäer*innen schwer, sehr schwer, Shinto als Religion zu verstehen, von anderen Konzepten dieser Religion ganz abgesehen.
Es gibt keine Schamanen
Dieser Mangel an Vokabeln, um
andere Religionen und Traditionen auszudrücken, hat auch dazu
geführt, dass westliche Forscher neue Konzepte entwickelt haben, um
dies zu können. Konzepte allerdings, die nicht zwangsläufig
wirklich ausdrücken was dort vor sich geht. Das beste Beispiel ist
das Konzept des Schamanen oder Schamanismus.
Das Wort Schamane leitet sich aus der tungusischen Sprache von dem Wort šaman ab, was soviel wie „der, der weiß“ ab. Die tungusische Sprachfamilie und damit auch Kulturfamilie findet sich in östlichen Russland und Teilen der Mongolei. Der šaman beschreibt damit ein Konzept aus der Manchu-Tungus Kultur speziell. Der niederländische Abenteurer Witsen brachte das Wort im 18. Jahrhundert aus einer Reise mit und machte es in Europa bekannt. Dieses Wort mischte sich in Europa dann mit anderen, ähnlichen Worten zum „Schamanen“. Damit verbunden wurde dann ein vages Konzept einer Figur in einer Kultur, die irgendwie mit Geistern arbeitet – und fortan wurde dieses Konzept in der Vorstellung auf jede Kultur gedrückt, die irgendeinen spirituellen Aspekt in ihrer Religion hatte.
So fanden dann europäische Forscher in Nordamerika, Afrika, Asien und teilweise selbst in Europa Kulturen und nannten diese schamanistisch. Das Problem damit sollte recht offensichtlich sein: Durch die sprachliche Gleichbezeichnung, wurde etwas gleichgemacht, was eigentlich nicht gleich war. Es wurden viele unterschiedliche Kulturen unter denselben Begriff gefasst, was massiv dazu beigetragen hat, dass viele glauben, dass indigene Religionen egal wo sehr ähnlich seien.
Dass dieses Konzept von dort an dann spätestens mit dem Aufkommen von Rollenspielen in den 70ern tief in die Fantasy-Kultur importiert wurde, hat dafür gesorgt, dass das Konzept mit noch weiteren Klischees besetzt und verwässert wurde.
Magie und Frauen
Ein Aspekt, der zumindest erwähnt werden sollte – auch was kulturelle „Missverständnisse“ angeht – ist die Verbindung von Frauen zur Magie. Denn nicht zuletzt dank dem erwähnten Hexenhammer ist es so, dass gerade in Europa vor allem Frauen mit dem Begriff „Hexe“ verbunden werden – auch wenn der Begriff eigentlich geschlechtsneutral ist und lange so benutzt wurde. Doch zumindest der Hexenhammer bezieht sich zu großen Teilen auf weibliche Hexen und so ist das Bild in Europa weit verbreitet, dass Hexen immer weiblich war und Hexenverfolgung sich überall auf Frauen bezog. Gleichzeitig gibt es auch in der modernen Hexenbewegung definitiv Blasen, die versuchen alles auszuschließen, was keine cis Frau ist.
Diese Verbindung von Konzepten merkt man jedoch auch häufig, wenn Magie, magische Praktiken und vor allem negativ konnotierte Magie in anderen Kulturen, mit Frauen in Verbindung stehen. Man ist sehr schnell darin, dort Parallelen zu dem europäischen Konzept „Hexe“ herzuziehen und es sprachlich damit gleichzusetzen. Auch dann, wenn die Kultur eigentlich nicht einmal ein ähnliches Konzept kennt.
Dennoch sei natürlich angemerkt, dass gegenderte Magie in vielen Kulturen existiert. Sprich: Es gibt verschiedene magische Traditionen, in denen oft bestimmte Zweige der Magie nur einem Geschlecht offen stehen – inklusive jener Kulturen, bei denen ausschließlich nicht-binäre Menschen Magie erlernen können. Mal ist Magie so bestimmten Geschlechtern komplett untersagt, mal nur bestimmte Arten der Magie und mal ist es einfach nur so, dass bestimmte magische Rollen vornehmlich mit einem Geschlecht besetzt sind, es jedoch Umstände gibt, unter denen auch jemand eines anderen Geschlechts Magie oder diese Art von Magie erlernen kann.
Darstellung von Magie in Fantasy
Damit kommen wir zurück zur Fantasy und der Frage wie Magie hier dargestellt wird. Dies lässt sich natürlich schwer verallgemeinern, da immerhin für viele der Magiebau ein zentraler Aspekt des Weltenbaus ist. Dennoch lassen sich ein paar Konzepte feststellen, die auf die eine Art oder Weise immer wieder finden lassen. Nicht zuletzt ist es hier hilfreich in die gängigen Rollenspielwerke zu schauen, die diese gängigen Formen fast immer zusammen destillieren.
Dabei ist es nicht überraschend, dass wir eben viel aus den mittelalterlichen Darstellungen sehen: Schwarze und weiße Magie, Heilen, Rituale, Zauberstäbe, Zaubersprüche, Grimoires und natürlich irgendwelche Formen von Alchemie. Dann aber gibt es noch einen anderen Aspekt, der zwar auch in der Alchemie vorkam, jedoch wesentlich älter als Konzept ist: Die Elementarmagie. Gerne mit den in verschiedenen indo-europäischen Kulturen verwendeten vier Elementen – Feuer, Wasser, Luft, Erde – aber ebenso gerne um andere Dinge, wie Elektrizität, ergänzt. Dazu kommen dann meistens als Ergänzungen Druidentum, was jedoch selten etwas mit realen Druid*innen zu tun hat, sondern in Fantasy meistens Naturmagie beschreibt. Und eben den bereits genannten problematischen Schamanismus – in der Fantasy meist ein Überbegriff für Geisterbeschwörer*innen.
An sich kann es als positiv bewertet werden, dass die Darstellung von Magie meist auf europäischen magischen Darstellungen aufbaut – immerhin muss sich dabei nicht mit kultureller Aneignung auseinandergesetzt werden. Doch natürlich wird es dann problematisch, wenn diese westlichen Ideen auf einmal in deutlich nicht westlich inspirierte Welten eingefügt werden. Das wohl aktuellste Beispiel ist Disneys Realverfilmung zu Mulan, in der westliche Konzepte einfach auf China gemünzt wurden.
Magie haben oder nicht?
Ein Aspekt in der Fantasy, den man jedoch nicht ignorieren darf, ist auch, die Frage wer welche Magie hat und wer nicht – beziehungsweise auch inwieweit die verschiedenen Gruppen, vor allem verschiedene Spezies, mit Magie assoziiert werden. Denn auch hier sind subtile koloniale Gedanken verankert.
Vorweg: Zumindest heutzutage ist dies ein Problem, dass die Rollenspielsysteme mittlerweile nur noch selten betrifft, jedoch früher häufiger vorgekommen ist. In verschiedensten Fantasy-Welten finden wir es jedoch immer wieder, dass Magie nur einem Teil der Spezies (oder „Rassen“, nur dass das Wort problematisch ist) zur Verfügung steht. Dabei ist es häufiger auffällig, dass besonders die weiß kodierten Spezies, besonders Elfen und Menschen, oft weiten Zugriff auf Magie haben, die nicht-weiß kodierten Spezies, ähnlich der nicht-humanoiden Arten dagegen eher nicht.
Bei den klassischen Spezies haben wir oft sehr magische Elfen, teilweise magische Menschen, wenn überhaupt passiv magische Zwerge und unmagische Orks. Alternativ nutzen Orks schamanistische Magie, die, wie hier schon erörtert, nun ebenfalls ein rassistisches, europäisches Konzept ist.
Ob beabsichtigt oder nicht: Diese Aufteilung der Magie gibt auch koloniale Ideen darüber, wer Macht hat und Macht verdient mit sich. Fraglos wäre es ein Konzept, dass man so auch auf interessante Weise nutzen könnte (ich verweise immer gerne auf Star vs die Mächte des Bösen), nur passiert das eher selten.
Fazit
Es sollte immer wiederholt werden: Magie spielt in den meisten menschlichen Kulturen irgendeine Rolle – und nicht selten eine große. Sei es durch kleine alltägliche Rituale, sei es durch Schutzzauber, Heilung, Wunder und Flüche – Magie findet sich in vielen Aspekten einer Kultur. Dabei sind wir jedoch dazu erzogen, von christlich religiösen Praktiken, die dem Glauben nach ebenso eine magische Wirkung entfalten sollen, nicht als Magie zu denken, was mit einem starken Othering zu Kulturen und Religionen, die bei uns weiterhin als magisch bezeichnet werden, einher geht.
Europäische Magievorstellungen der Moderne sind vor allem durch die Vorstellungen des späten Mittelalters geprägt, die ihrerseits jedoch große Einflüsse aus der Antike bezogen haben.
Eine große Problematik dabei ist, dass europäische Forscher*innen immer wieder europäische Konzepte verwendet haben, um magische Konzepte anderer Kulturen und Religionen zu beschreiben. Daher, dass diese Konzepte jedoch nicht identisch sind, kommt es zu einer Verzerrung der Wahrnehmung, die in manchen Fällen – speziell bei frühen, christlichen Forscher*innen – sogar beabsichtigt war. Ebenso ist es jedoch auch vorgekommen, dass in Europa neue Konzepte, wie bspw. der Schamanismus, entwickelt wurden, um damit andere Religionen fremdzubezeichnen.
Dies alles schlägt sich in der Phantastik durch die Darstellung der Magie wieder, in der solche falschen oder unzutreffenden Konzepte häufiger übernommen werden, was diese in der Vorstellung weiter festigt. Auch sei festgestellt, dass es immer wieder eingeschränkt ist, welche Spezies in Fantasy Zugriff auf Magie haben.
Magie ist ein kulturell enorm wichtiges Konzept. Es lohnt sich, sich mit der Geschichte verschiedener magischer Traditionen auseinanderzusetzen, gerade als Autor*in der Phantastik.
Quellen, weiterführende Links & Texte
Videos:
- In Praise of Shadow: A History of Witches (Teil 1, 2, 3)
- Religion for Breakfast: The Archaeology of Magic & Shinto
Links:
- Laura Hayward: Magic in Ancient Greece and Rome
- Graeme Barber: Decolonizing Magic
- Leben im Mittelalter: Magie im Mittelalter
- Ellen Alm: So what is „gand“ sorcery really?
Bücher & Texte:
- Jean Markale: The Druids – Celtic Priests of Nature (1985)
- Dennis William Hauck: The Emerald Tablet – Alchemy for Personal Transformation (1999)
- Corinne Saunders: Magic and the Supernatural in Medieval English Romance (2010)
- Städtisches Museum Ägyptischer Kunst, München: Isisblut & Steinbockhorn (2011)
- Lars Kirkhusmo Pharo: A Methodology for a Deconstruction and Reconstruction of the Concepts „Shaman“ and „Shamanism“ (2011)
- Natasha Helvin: Slavic Witchcraft: Old World Conjuring Spells and Folklore (2019)
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