Triggerwarnung – aber wie?
Lasst uns heute einmal über Triggerwarnungen sprechen. Denn während wir hoffentlich uns alle einig sind, dass es Triggerwarnungen oder Content Notes geben sollte. Die Frage ist nun aber: Wie fügt man diese am besten ein.
CN: Erwähnung von Essstörungen, Depressionen und Suizid
Warum Triggerwarnungen?
Auch wenn ich schon einmal einen sehr langen Beitrag geschrieben habe zum Thema, warum wir Triggerwarnungen brauchen, möchte ich kurz noch einmal darauf eingehen. Denn eine Sache muss festgehalten werden: Triggerwarnungen sind wichtig. Denkt von ihnen, als Allergenangaben für Inhalte. Allergene werden bei Essen angegeben, weil sie für Allergiker Lebensgefährlich sein können. Genau so ist es mit möglichen Triggern für Leute, die davon betroffen sind.
Wenn Menschen ein Trauma irgendeiner Art haben, dann kann dieses für sie im schlimmsten Fall lebensgefährlich sein. Trauma, die getriggert werden, können komplett unterschiedliche Folgen haben. Für manche schlägt es einfach nur stark auf die Laune oder kann extreme emotionale Zustände auslösen, wie bspw. depressive Schübe. Schlimmstenfalls kann es aber auch selbstverletzendes Verhalten auslösen, Essstörungen triggern oder sogar zu Selbstmordversuchen führen. Wie gesagt: Es kann lebensgefährlich sein.
Deswegen ist es schlicht und ergreifend wichtig, auf einige Themen, die viele Menschen betreffen, aufmerksam zu machen, wenn sie in einer Geschichte (egal ob Kurzgeschichte, Roman, Comic, Film oder Serie) vorkommen. Denn ich denke niemand möchte, dass es jemandem wegen so etwas schlecht geht.
Triggerwarnungen oder Content Notes?
Klären wir eine Sache zum Anfang: Sollten wir es „Triggerwarnungen“ oder „Content Notes“ nennen? Das klingt nach einer seltsamen Frage, die allerdings auch mit einer zweiten Frage zusammenhängt: Für wen sind diese Notizen eigentlich? Denn das wird hiermit auch ausgedrückt.
Denn ja, wichtig ist es vor allem aus dem oben genannten Grund: Für Menschen, die Trauma haben, die getriggert werden können, kann es lebensgefährlich und zumindest stark gesundheitsgefährdend sein. Allerdings sind das nicht die einzigen Menschen, die von entsprechenden Übersichten profitieren würden.
Wer sonst noch profitiert? Nun, zum einen Leute, die sich mit bestimmten ernsten Themen (nicht immer) wohlfühlen, zum anderen aber auch Leute, die spezifisch über ein solches Thema lesen wollen.
Anders gesagt: Nicht jeder muss von einer ausführlichen Darstellung von einer Vergewaltigung getriggert werden, um das nicht lesen zu wollen. Oder vielleicht möchte eine Person schlicht und ergreifend gerade oder bei einem bestimmten Genre nicht lesen. Zum Beispiel mag jemand vielleicht einfach keine Romanzen lesen, in denen Vergewaltigungen thematisiert werden.
Genau so gibt es aber auch das gegenteilige Beispiel: Eine Freundin wollte letztens einen möglichst brutalen Horrorroman lesen – also hat sie über Autor*innenwebseiten nach Büchern gesucht, bei denen Content Notes für „explizite Gewalt“ genannt wurden.
Deswegen sind viele mittlerweile der Meinung, dass „Content Notes“ der bessere Begriff ist – weil er eben nicht die eine Gruppe in den Vordergrund stellt, sondern neutraler ist. So fühlen sich auch andere Menschen davon abgesprochen.
Welche Themen sollten erwähnt werden?
Eine Frage, die mal in good faith, mal in bad faith gebracht wird, ist folgende: „Aber welche Sachen soll ich da alles erwähnen? Immerhin können Leute ja von allem möglichen Sachen getriggert werden!“ Wie gesagt, leider passiert das häufig genug in bad faith, weil man effektiv sagen möchte: „Braucht es nicht, weil man kann eh nicht alles abdecken.“ Hier sei natürlich folgende Sache gesagt: Natürlich kann man nicht alles abdecken – aber bestimmte Themen sollten idealerweise abgedeckt werden, weil sie für viele Leute unangenehm oder triggernd sind.
Diese sind:
- Mord
- Gewalt
- ggf. spezifiziert: Gewalt gegen Frauen, Kinder, marginalisierte Gruppen
- Vergewaltigung, sexuelle Belästigungen und sexualisierte Gewalt
- Kindesmissbrauch
- Sex
- Schwangerschaft und Fehlgeburt
- Tod (ggf. spezifiziert: Tod eines Kindes, aber auch „Tod einer Hauptfigur“)
- Toxische Beziehungen/missbräuchliches Verhalten in Beziehungen (ggf. definiert, ob in romantischer Beziehung, Familie, etc.)
- Inzest
- Pädophilie
- Nekrophilie
- Mobbing
- Krankheit (ggf. spezifiziert: Krebs, Herzinfakt, COVID, Depression usw.)
- Essstörungen
- Emeto/Übergeben
- Körperdysphorie (ggf. spezifiziert bei Geschlechtsdysphorie)
- Sexismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit, Ableismus, Antisemitismus usw.
- Suizid und Selbstverletzendes Verhalten
- Alkohol und Drogen (ggf. spezifiziert, wenn expliziter Missbrauch vorkommt)
- Sucht (ggf. spezifiziert auf die Art der Sucht)
- Krieg
- Folter
- Genozid (ggf. spezifiziert auf Holocaust/Shoa)
- Terrorismus
- Nazis/Nationalsozialismus
- Kannibalismus
- Tierquälerei/Tierleid
- Gore
- Body Horror
- Armut
- Naturkatastrophen
Ein weiterer Vorteil von Content Notes
Ich wurde in diesem Zusammenhang übrigens darauf ausgesprochen, dass einige Leute noch einen weiteren Vorteil aus einigen spezifischen Content Notes gezogen haben: Sie haben über bestimmte Themen genauer reflektiert und haben dadurch Themen verstanden, die ihnen bis dahin nicht klar waren.
Spezifisch wurde es zu mir in Bezug auf zwei Dingen an mich heran getragen: *ismen und Vergewaltigungen.
Das hieß speziell: Jemand erzählte, dass er ein Verhalten erst als Sexismus, etwas anderes erst als Ableismus verstand, als er einen Text las, in dem die beiden Themen als Content Notes gegeben waren. Beides hatte er bis dahin als „normal“ angesehen, doch die CNs hatten ihm geholfen, das Verhalten als problematisch zu erkennen.
In einem anderen Beispiel hatte ich vorher jemanden die CN „Vergewaltigung“ gegeben. Das hat einer Freundin erst ermöglicht, eine nicht-konsentuelle Sexszene als Vergewaltigung zu erkennen, nachdem sie solche Szenen mehrfach als „romantisch“ präsentiert bekommen hat.
Aber nun die Frage: Wie?
Kommen wir damit zum eigentlichen Thema dieses Weblogs. Der Frage nach dem „Wie“. Wie gibt man Content Notes am besten an? Was sind die Vor- und Nachteile der etwaigen Versionen es anzugeben. Darauf möchte ich im folgenden eingehen.
Ins Buch oder auf die Webseite?
Die erste Frage ist natürlich: Wo packt man die Content Notes nun hin. Es gibt da in der Regel zwei Möglichkeiten. Entweder man packt es in das Buch selbst oder auf die Webseite der*s Autor*in (ggf. mit einem Link oder QR-Code im Buch selbst). Hier würde ich sehr dazu raten, es ins Buch selbst zu schreiben – wenn es nur irgendwie geht (leider sperren sich weiterhin viele Verlage dagegen). Der Grund: Nicht alle haben ein Smartphone, das QR-Codes lesen kann. Nicht jede*r Lesende hat Lust oder Energie, erst auf der Webseite di*er Autor*in nach den Content Notes zu suchen.
Wenn euer Verlag sich absolut gegen Content Notes sperrt, dann sorgt zumindest dafür, dass diese auf eurer Webseite leicht zu finden sind. Ich hatte es bei einigen meiner Rezensionen nun bereits so, dass offenbar Content Notes auf der Autor*innenwebseite vorhanden waren, ich diese allerdings nicht gefunden habe.
Vorne oder Hinten im Buch?
Eine weitere Diskussion gibt es auch darüber, ob die Content Notes vorne oder hinten im Buch stehen sollten. Auch hier habe ich eine eindeutige Meinung: Vorne. Ja, ich weiß, manche Leute wollen kein Content Notes lesen – doch rein von den möglichen Effekten her, sehe ich den Anspruch der Leute, die die Content Notes brauchen, als wichtiger an. Und für diese kann es gerade bei Ebooks eine riesige Sucherei sein, die Content Notes am Ende des Buchs zu finden. Umso mehr, wenn sie auf Hilfsmittel wie Screenreader angewiesen sind.
An dieser Stelle sei übrigens auch angemerkt: Während ich die Lösung, die einige hatten, durch Illustrationen am Seitenrand auf Trigger in Kapiteln oder sogar spezifischen Seiten, sehr elegant fand, hat es leider Probleme für Leute, die bspw. Screenreader benutzen.
Für das Buch oder für Kapitel?
Nun gibt es eine andere Frage, die ein wenig komplizierter ist: Gibt man Content Notes für das Buch oder für einzelne Kapitel? Ich denke, das hängt stark davon ab, wie viele Trigger vorkommen und in wie vielen Kapiteln es vorkommt. Wenn ein Thema Dauerthema ist, dann macht es schon Sinn, die für das Buch anzugeben. Kommt etwas aber nur in zwei von dreißig Kapiteln vor, macht es Sinn, das aufzutrennen.
Eine getrennte Aufführung für Kapiteln erlaubt außerdem Lesenden, eine Entscheidung für die einzelnen Kapitel zu treffen. Vielleicht möchte jemand nicht direkt vorm Schlafengehen über Kannibalismus oder Folter lesen, hat aber prinzipiell sonst keine Probleme mit dem Thema.
Was allerdings auf jeden Fall so oder so sinnvoll ist: Vorne im Buch eine Liste mit den wichtigsten CNs zu haben – so dass jemand dies beim Kauf in Betracht ziehen kann.
Bitte nicht …
Zwei ergänzende Bitten dazu.
Zu allererst: Bitte benutzt für Content Notes keine Späße wie CNs in Spiegelschrift oder Kopfüber schreiben. Denn nicht alle Lesenden können das entziffern (speziell Spiegelschrift) und auch einige Screenreader haben Probleme damit.
Dasselbe ist eben auch bei dem bereits angesprochenen Thema mit Symbolen das Problem: Diese können von Screenreadern häufig nicht erfasst werden. Deswegen sind sie (leider) keine so optimale Lösung – jedenfalls nicht für Ebooks.
Fazit
Es gibt Leute, die werden von bestimmten Themen getriggert, weil sie entsprechende Traumata erfahren haben. Für diese Menschen können Triggerwarnungen lebensrettend sein. Aber auch andere Menschen können von dem sichtbar machen härterer Themen in Büchern (und auch anderen Medien) profitieren. Auf der einen Seite, wenn sie (gerade) auf diese keine Lust haben, auf der anderen Seite aber auch, wenn sie spezifisch nach bestimmten Inhalten suchen. Auch kann es Menschen helfen, sich über bestimmte Themen bewusst zu werden. Genau deswegen ist die Bezeichnung „Content Note“ auch besser – da sie eben alle Aspekte aufgreift.
Was wichtig ist, wenn die CNs setzt: Diese sollten für die Leute, die sie brauchen, leicht zugänglich sein. Das heißt vor allem, ihr solltet sowohl Leute, die das Buch in Ebook-Format konsumieren, berücksichtigen, als auch die Leute, die ein Buch gedruckt vor sich haben. Auch auf Menschen mit etwaigen Sehbehinderungen oder Leseeinschränkungen, die ggf. Screenreader benutzen, sollte Rücksicht genommen werden.
Falls ihr euch noch näher über das Thema informieren wollt, empfehle ich euch auch noch diesen Artikel von Elea Brandt.
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