Gewalt in Fantasy – Teil 4: Folgen von Gewalt

Im heutigen Eintrag zum Thema „Gewalt in Fantasy“ möchte ich ein wenig auf ein paar Sachen eingehen, die ich aus Sachbüchern zum Thema Krieg, Gewalt und Töten entnommen habe. Vieles, was ich hier erzählen werde, ich wahrscheinlich den meisten irgendwie bewusst, doch ich möchte ein wenig darauf eingehen, warum mir die Gewaltdarstellung in fantastischen Action-Werken zwar eventuell gefällt, ich sie aber nicht unbedingt mag und mir ein wenig mehr andere Betrachtungen wünschen würde.

Auch wenn wir gerne davon reden, dass Gewalt ein Grundinstinkt des Menschen ist – immerhin haben Menschen einander schon immer getötet, von allem was wir wissen – so haben Menschen eine erstaunlich große Resistenz dagegen zu töten. In Kriegen hat sich immer wieder gezeigt, das Menschen oft das Töten vermeiden.

Einschüchtern statt kämpfen

Wenn mit einer potentiell gefährlichen Situation konfrontiert werden sich viele Personen verstecken, werden zu versuchen die Situation zu deeskalieren, werden erstarren oder versuchen durch imposantes Gehabe (wenn man eine Waffe hat, bspw. dadurch in die Luft zu feuern), eine etwaige Gefahr zur Flucht zu Zwingen. Gerade wenn es darum geht, jemanden direkt Gewalt anzutun – im Vergleich dazu auf große Entfernung eine Bombe abzuwerfen oder eine Rakete abzufeuern – zögern viele Menschen, selbst wenn es Selbstverteidigung ist.

Das ist ein Thema, das groß genug ist, als dass das Militär viel darin investiert Techniken zu entwickeln, Soldaten diese Resistenz abzugewöhnen. Das fängt damit an, dass trainiert wird, auf menschliche Silhouetten zu schießen oder zur heutigen Zeit auch VR Situationen geübt werden. Dennoch gehen die meisten Tote in Kriegseinsätzen auf die Kappe von einigen wenigen Soldaten, die zumeist diese natürliche Resistenz geringer haben.

Aber selbst mit dem entsprechenden Training und der strategischen Abstumpfung hinterlässt es (natürlich) Wirkung auf die Psyche des Soldaten. Kriegsveteranen haben fast immer PTSD. Sowohl von der konstanten Gefahr, als auch vom Töten selbst. Kein Wunder. Nicht nur, das man das Leben eines anderen Menschen nimmt – ein anderer Mensch, der wahrscheinlich auch Familie und Freunde hatte – es ist oftmals auch eine dreckige, blutige Angelegenheit.

Actionkino fehlt die Zeit

Und genau das ist der Punkt, der in Fiktion oft übergangen wird. Ein Teil davon hängt sicher auch mit dem Action-Kino zusammen, das für viele direkt und indirekt als Inspiration dient, wenn es darum geht, wie man Actionszenen und Kämpfe schreibt. Und es ist meistens, da Action-Filme in der Produktion teuer sind und PG13 das meiste Geld einbringt, mit dieser Altersfreigabe versehen. Also FSK 12. Sprich: Möglichst jugendfrei. Das heißt jedoch nicht, dass keine Gewalt vorkommt, sondern, dass diese Gewalt sehr, sehr unblutig ist – denn das Blut würde die Altersfreigabe erhöhen.

Vieles davon finde ich auch in Büchern wieder, sofern es nicht Dark Fantasy ist: Gewalt ist alles in allem eine sehr saubere Angelegenheit. Eventuell blutet jemand, ja, aber es ist nicht dreckig, nicht stinkig, entzündet sich selten und was ist bitte eine Verletzung des Darms? Und da das Töten eine sehr hygienische Sache ist und die Bösewichte gerne auch entmenschlicht werden, da ist das Töten doch weniger ein Problem, oder? Also auch für die Charaktere.

Der Einfluss des Subgenres

Allerdings gibt es da natürlich den anderen Aspekt: Viele, sehr viele Geschichten, gerade im Fantastischen, sind „Zero to Hero“ Geschichten. Geschichten über einen einfachen, normalen Charakter, der aus irgendwelchen Gründen in Dinge verstrickt wird, die größer sind, als er selbst. Wenn der Held im Verlauf einer Fantasy-Geschichte tötet, ist es nicht selten der erste Tod durch seine Hand und dafür fällt die Reaktion oftmals erstaunlich mild aus.

Ja, auch die Konfrontation mit Bösewichten, die ihn ermorden wollen fällt oftmals sehr entspannt aus. Eventuell wird der Held wütend, aber eventuell bringt er auch einfach nur ein paar lustige Sprüche und kämpft weiter. Ist ja immerhin Unterhaltung.

Unterhaltung vs Komplikationen

Wie auch im letzten Beitrag gilt: Ja, ich nutze hier sehr weite Pinselstriche und verallgemeinere stark und ja, auch mir fallen diverse Bücher, Filme, Serien und Comics ein, in denen es nicht so ist – doch es ist nun einmal so, dass eine Tendenz, speziell wenn es um die weit vermarkteten Werke geht, definitiv vorhanden ist.

Und ja, natürlich bin ich mir auch dem anderen Aspekt bewusst. Ich zitiere im Sinne einiger Kommentare, die ich in Diskussionen zu diesem Thema erhalten habe: „Meh, Fantasy soll Unterhaltung sein, eine Möglichkeit aus der Realität zu fliehen. Außerdem wäre es ja total langweilig, wenn ein Charakter jemanden tötet und dann eine angemessene psychologische Behandlung bekommt! Weil dann wäre die Handlung ja effektiv: Charakter macht was, Charakter tötet und dann verbringt er den Rest der Handlung in psychologischer Betreuung.“

Doch dazu fallen mir ein paar Sachen ein.

Situationsbedingte Reaktionen

Zum ersten, dass Charaktere, die Situationsbedingt zu Gewalt gezwungen sind, oftmals natürlich weitermachen können. Dank entsprechenden Selbstschutzmechanismen bekommen sie richtige psychologische Folgen oftmals erst nach einer etwaigen Gefahrensituation richtig zu spüren. Das ist im richtigen Leben nicht selten so. Zudem können die direkten Folgen auch weniger extrem ausfallen. Eine Andeutung, dass es Langzeitfolgen gibt, wäre in diversen Fällen schon eine nette Abwechselung. Dies fand ich bspw. in den Hunger Games sehr angenehm umgesetzt.

Zum zweiten ist da auch die Tatsache, dass Realitätsflucht für jeden anders aussehen kann. Als jemand, der selbst mit diversen Traumata zu kämpfen hat, kann ich nur beteuern: Ich selbst lese gerne über Charaktere, die ähnliche Traumata haben, aber diese mit einem unterstützenden Umfeld auf idealisierte, real so vielleicht nicht unbedingt mögliche Art überwinden können. So etwas hilft mir und ich weiß, dass ich damit nicht allein bin. Es hilft mir vor allem mehr, als Charaktere, die ihre Trauma wie von Zauberhand überwinden.

Zum dritten sehe ich da aber auch noch den Punkt, dass wir meiner Meinung nach trotz Unterhaltung und Realitätsflucht durchaus ab und zu eine Erinnerung gebrauchen können, dass Krieg und Gewalt nicht schön, nicht glorreich und nicht der Geburtsort von Helden sind. Dass wir nicht so leicht damit klar kämen, wenn es einen realen Krieg gäbe und dass es vielleicht nicht so erstrebenswert ist, in einen Krieg zu ziehen.

Zu guter Letzt kommt da noch die eine Sache ins Spiel, die ich bereits im ersten Teil angesprochen habe: Warum muss es eigentlich generell immer um Gewalt gehen? Warum ist Gewalt aus der Fantastik eigentlich so absolut nicht wegzudenken? Gäbe es nicht auch andere Handlungen, die man mit Magie, Elfen und Drachen erzählen kann?

Und darum wird es im letzten Beitrag zur Reihe gehen.

Das Beitragsbild ist das Kunstwerk „A Breach in a City the Morning after the Battle“ von William Blake, entstanden 1784
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