Urban Fantasy Review: Harrietta Lee
Ich habe ewig keine Bücher mehr auf dem Weblog rezensiert. Deswegen hole ich das nun nach mit einem Buch, das ich letztes Jahr zu meinem Geburtstag geschenkt bekommen habe, sowie die beiden Fortsetzungsbände: Deadline, Bloodbath und Flytrap von Stephanie Ahn, die ersten beiden Bände der Harietta Lee Reihe.
Worum geht’s?
Harrietta, kurz Harry, lebt ein Leben ausgeschlossen von der magischen Gemeinschaft, zu der sie eigentlich gehört. Grund dafür ist, dass sie vor einigen Jahren gegen eine der grundlegendsten Regeln der Magie verstoßen hat. Auch wenn ihr Zauber gescheitert ist und sie vernarbt hinterlassen hat, hätte ihr dafür beinahe die Todesstrafe gedroht.
Nun schlägt sie sich meistens damit durch für einfache Menschen und ab und an weniger begabte Magier*innen Aufträge auszuführen. Mal hilft sie, verlorene Dinge zu finden, mal legt sie sich mit ausgebüchsten Monstern an. Als jedoch ein Angestellter einer der größten und einflussreichsten Magierfamilien zu ihr kommt – einer Familie, zu der Harry selbst lange Zeit eine enge Verbindung hatte – mischt sie sich in eine Sache ein, die sie nicht wirklich versteht und bringt sich selbst dadurch in große Probleme.
Zwischen heißen Dämoninnen und rivalisierenden Magierfamilien muss sie einen Weg finden, einen alten Fehler wieder gut zu machen.
Spannende Urban Fantasy
Von den Urban Fantasy Büchern, die ich im letzten Jahr gelesen oder als Hörbuch gehört habe, waren die Harrietta Lee Bücher definitiv die spannendsten. Während ich alle anderen recht langsam durchgelesen habe, habe ich für den relativ kurzen ersten Band (Deadline) innerhalb eines Tages, den zweiten Band (Bloodbath) innerhalb von drei Tagen durchgelesen. Für den dritten Band (Flytrap) habe ich drei Tage gebraucht. Sie sind einfach so spannend.
Dabei spielt definitiv der Schreibstil hinein. Die Bücher sind in erster Person Präsens aus Harrys Sicht geschrieben und Harry als Erzählerin ist snarky, lustig, aber auch eine Figur, in die man sich gut hineinversetzen kann. Die Szenen, in denen es gruselig zugeht, sind angemessen atmosphärisch beschrieben, die eher actionlastigen Szenen sind schnell und beinahe atemlos erzählt.
In erster Linie spielte es aber für mich besonders eine große Rolle, dass Harry einfach ein Charakter ist, in den ich mich sehr gut hineinversetzen kann. Sie ist sympathisch, ein wenig kaputt (so wie ich Charaktere mag) und hat einen furchtbaren Dickschädel, der sie häufiger auch mal dazu bringt, sich nur noch weiter in die Probleme reinzureiten.
Kinky, queer und sehr divers
Was allerdings auch über Harry gesagt werden sollte: Sie ist koreanisch-amerikanischer Abstammung, lesbisch und sehr, sehr masochistisch. Um genau zu sein ist sie so masochistisch, dass es ihr am einfachsten fällt magische Energie aus Schmerzen zu beziehen, was – das sollte direkt gesagt werden – dazu führt, dass es ein paar Szenen gibt, in denen sie sich Schmerzen zufügen lässt.
Aber auch abseits von Harry sind die Figuren der Reihe oft queer, oft auch anders divers und in einigen Fällen ebenfalls kinky. Nennenswert vorkommende weiße cishetero Männer? Zwei. Von denen einer ein Antagonist ist. Ein Großteil der wichtigen Figuren ist weiblich und fast alle erfüllen wenigstens einen anderen Diversitätsfaktor. Der wichtigste weibliche Charakter abseits von Harry im ersten Band ist schwarz, Harrys Love Interest ist eine schwarze Dämonin und die zwei anderen wichtigeren weiblichen Charaktere im zweiten Band sind eine bisexuelle Frau im Rollstuhl und eine lesbische trans Frau. Also ja: Diversität können diese Bücher, was sie zu einer angenehmen Abwechselung beim Lesen gemacht hat.
Es sei dabei dazu gesagt, dass Harrys Beziehung zu ihrem Love Interest in den ersten zwei Bänden nicht sonderlich gesund ist – allerdings ist das etwas, dessen sich das Buch selbst bewusst ist. Sogar Harry erkennt es in ihren wacheren Momenten, verfällt ihr dann aber doch immer wieder. Band 3 bringt dann eine andere, gesündere Beziehung mit sich.
Weltenbau
Wo ich leider etwas rumkritteln muss, ist der Weltenbau. Dieser fällt soweit leider ein wenig oberflächlich aus. Zwar ist es so, dass deutlich das Gefühl aufkommt, dass es eine Menge unter dieser Oberfläche gibt – seien es Magierfamilien, seien es der magische Rat, seien es Vampire, die ethisch vertretbar erworbenes Blut verkaufen, seien es seltsame Monstermaulwürfe – doch bisher sind die Informationen eher vage.
Der eine Aspekt, für den man als Leser*in jedoch ein gutes Gefühl bekommt, ist die Magie. Wir lernen sowohl, wie Magie normal funktionieren sollte, als auch, wie Harrys Magie funktioniert, da diese dank der genutzten verbotenen Magie, teilweise außer Kontrolle gerät.
Der zweite, damit verbundene Aspekt, der ebenfalls zumindest in Ansätzen klar wird, sind Dämonen. Diese werden zwar in Band 3 dann ausführlicher beleuchtet, sind allerdings bis dahin nur sehr vage definiert – was ärgerlich ist, da sie besonders in Band 2 bereits eine große Rolle spielen und prinzipiell auch wichtig für Harrys Hintergrundgeschichte sind.
Dennoch wäre es zumindest für mich willkommen, wenn Dinge, wie die Magierfamilien, stärker erklärt würden. Denn soweit weiß ich, dass sie existieren und großen Einfluss haben und dass es Rivalitäten unter ihnen gibt, doch alles weitere bleibt ein vager Schleier.
Triggerwarnungen
Zum Thema Triggerwarnungen und diese Bücher gibt es zwei Dinge zu sagen: Erstens, dass sie nötig sind, zweitens, dass es im ersten Band eine vage, im zweiten und dritten Band eine sehr detaillierte Triggerliste gibt.
Zuerst einmal Triggerwarnungen, die genannt werden sollten, denn wie gesagt: Die Bücher sind nicht gerade zimperlich, was diverse Dinge angeht. Daher einmal für euch:
- Sex (sowohl angedeutet, als auch ausgeschrieben), teilweise in Situationen, die einige eventuell weniger sexy fänden (Band 1-3)
- Explizites BDSM (Band 1-2)
- Gewalt (Band 1-3)
- Gewalt gegen Kinder (nicht ausgeschrieben, aber thematisiert) (Band 2)
- Folter (explizit!) (Band 2-3)
- Tod (Band 1-3)
- Tod von Kindern (Band 2)
- Tod einer Mutter bei Geburt (Band 3)
- Schwangerschaftshorror (Band 3)
- Insekten (Band 3)
- Drogenmissbrauch (Band 3)
- Thematisierte Transfeindlichkeit (Band 2)
- Selbstverletzendes Verhalten (von Harry, da ihre Magie eben manchmal Schmerzen braucht) (Band 1-3)
Wie bereits gesagt: Band 1 hat eine vage Liste. Das heißt vorne steht drin „BDSM, Gewalt und Tod werden thematisiert“, was mehr ist, als viele andere Bücher haben, aber dennoch nicht sehr ausführlich. Band 2 und 3 dagegen haben eine explizite Liste, die ich wirklich loben muss. Hier stehen alle wichtigen Triggerthemen inklusive Angabe, in welchen Kapiteln sie aufkommen und ob diese Kapitel sie nur andeuten oder explizit behandeln. Das war eine Liste, die ich so gerne häufiger sehen würde!
Fazit
Die Harrietta Lee Bücher sind im Self Publishing über Amazon erschienen, weshalb hinter ihnen auch kein Verlag mit Marketing steht. Entsprechend ist es auch kaum verwunderlich, dass die wenigsten von ihnen gehört haben. Ein Grund mehr jedoch, sie hier einmal deutlich für alle zu empfehlen, die Spaß an queerer Urban Fantasy haben.
Als SP-Bücher sind die drei bisher erschienenen Bände nur auf Englisch erhältlich und es ist auch zu bezweifeln, dass sich dies ändern wird.
Dennoch: Wenn das, was ich hier geschrieben habe, euch anspricht und ihr genug Englisch versteht … Holt euch die Bücher doch. Die Autorin, die für die zentralen Themen Own Voice ist, freut sich sicherlich!