Wir brauchen mehr Solarpunk
Wenngleich Cyberpunk 2077 aufgrund seiner Bugs relativ gefloppt ist, ist Cyberpunk aktuell wieder ein beliebtes Genre. Dabei wäre es eigentlich Solarpunk, das wir feiern sollten.
Zukunftsvisionen
Science Fiction als Genre zeigt üblicherweise Zukunftsvisionen auf. In den klassischsten Fällen der Science Fiction sehen wir eine Zukunft, in der Menschen ins Weltall reisen und andere Planeten erkunden können. Doch nicht alle Science Fiction spielt im Weltall und so gibt es auch eine ganze Reihe von Subgenre, die weiterhin auf unserem Planeten spielen.
Auch bei diesen gibt es unterschiedliche Visionen für die Zukunft. Diese drücken sich natürlich als allererstes durch neue Technologien und wissenschaftliche Erkenntnisse aus. Vielleicht haben die Menschen das Geheimnis der künstlichen Intelligenz geknackt, vielleicht gibt es Roboter, vielleicht gibt es Hightech Prothesen oder vielleicht sind die Fortschritte eher im Bereich der Gentechnik angesiedelt. Möglichkeiten gibt es viele.
Allerdings sind die technologischen und wissenschaftlichen Fortschritte nur ein Teil der Zukunftsvision. Ein anderer Teil ist der gesellschaftliche Aspekt: Wie leben die Menschen? Wie gehen die Menschen miteinander um? Wie funktioniert die Wirtschaft? Auch diese Fragen beantworten verschiedene Science Fiction Geschichten unterschiedlich. Dabei kann es sowohl in Richtung einer Dystopie, als auch in Richtung Utopie gehen.
Wenn Dystopie real wird
Cyberpunk ist eins der Genre, das in seiner üblichen Form in die dystopische Richtung schlägt. Reden wir vom normalen Cyberpunk anstelle von Post-Cyberpunk, reden wir üblicherweise von einer zerstörten, hyperkapitalistischen Welt, die auf technischer Seite von Cyberprothesen, künstlicher Intelligenz, einem futuristischen, immersiven Internet und eventuell auch Gentechnik geprägt ist.
Wesentlich mehr wird Cyberpunk aber durch die Gesellschaft geprägt, die es darstellt. In dieser gibt es eine markante Schlucht zwischen Arm und Reich. Oft sind arme Menschen nicht einmal mehr vollwertige Bürger und haben keinen Zugriff mehr auf reguläre medizinische Versorgung oder sonstige Absicherungen. Beherrscht wird die Welt meistens von Megakonzernen, die die eigentliche Macht in der Hand haben. Staaten sind, wenn sie überhaupt noch existieren, oft nur noch die Puppen der Megakonzerne. Menschen leben zumeist nur noch für ihre Arbeit für eben diese Konzerne und werden von diesen ausgebeutet. Derweil wird die Umwelt vom ungezügelten Streben der Konzerne mehr und mehr zerstört.
Die Sache damit ist nur: Vieles davon klingt nicht mehr wirklich dystopisch, sondern alltäglich. Die Schlucht zwischen Arm und Reich wird zunehmend größer, in diversen anderen Ländern haben arme Menschen keinen Zugriff auf medizinische Versorgung und von vielen wird erwartet, für ihren Job zu leben, während die Umwelt zusehend zerstört wird.
Wie Science Fiction Erwartungen formt
Wir dürfen bei dieser Entwicklung den Einfluss der Science Fiction nicht komplett außer acht lassen. Selbst wenn im für die längste Zeit Science Fiction eher ein Nischengenre war, so hat Science Fiction doch immer geholfen, Erwartungen zu formen. Science Fiction beeinflusst, was wir von unserer Zukunft erwarten.
So erwarten wir von neuer Technologie eine bestimmte Ästhetik, die sich wieder und wieder in neuen Handys, neuen Computern und neuen Autos zeigt. Diese Ästhetik ist zentral dadurch beeinflusst worden, wie diese Dinge in Science Fiction Medien dargestellt wurden. Unter anderem auch Cyberpunk.
So ist es auch nicht unüblich von der Zukunft zu erwarten, dass wir Hightech Prothesen haben werden (soweit weg sind wir gar nicht), dass wir künstliche Intelligenz entwickeln werden und auch das Internet sich weiter entwickeln wird, um immersiver zu werden.
Ist es dabei zu weit gedacht, zu sagen, dass die dystopische Darstellung der Gesellschaft uns zumindest an den Gedanken gewöhnt hat, dass die Gesellschaft eben so werden wird? Vielleicht liegt genau darin eins unserer Probleme – und vielleicht braucht es daher mehr Aufmerksamkeit für ein Science Fiction Genre, dass in eine andere Richtung geht.
Was ist Solarpunk?
Das bringt uns zu Solarpunk, einem anderen der Punk-Genre, jedoch eins, das praktisch das genaue Gegenteil von Cyberpunk darstellt. Denn während Cyberpunk nun einmal zur Dystopie neigt, hat Solarpunk eine eher optimistische Neigung.
Wie sich vielleicht schon am Namen erahnen lässt, stellt Solarpunk gerne Welten dar, in denen erneuerbare Energien weit fortgeschritten sind. Oft sind die Welten um diese erneuerbaren Energien herum gebaut und um eine Menschheit, die in Einklang mit ihrer Umwelt lebt. Das heißt nicht, dass es nicht auch noch andere Technologien gibt, die futuristisch sein können, aber eine Kernphilosophie des Genres ist eben dieser Einklang.
Schaut man Solarpunk-Bilder an, sieht man oft von grünen Pflanzen überwachsene Städte oder Städte, die sich komplett in ihre natürliche Umgebung einfügen. Ghibli-esque Designs sind ebenfalls nicht selten, genau so wie es in einigen Fällen einen zusätzlich phantastischen Aspekt durch Naturgeister oder zumindest phantastische Tiere gibt, die in dieser Welt mit leben.
Solarpunk ist optimistisch
Wie gesagt: Solarpunk wirkt des häufigeren so, als wäre es als Gegenstück zu Cyberpunk entwickelt worden. Denn nicht nur ist die Technologie in Solarpunk eine nachhaltige Technologie, die die Umwelt nicht zerstört, auch die Gesellschaften in Solarpunk haben einen deutlich optimistischeren Drang, im Vergleich zu Cyberpunk.
So ist es bei Solarpunk nicht selten, eine Gesellschaft dargestellt zu sehen, die eine sehr flache oder eine kaum vorhandene Hierarchie hat. Es gibt keine Nahrungsmittelknappheit – auch keine künstlich durch die Wirtschaft erzeugte – und niemand muss hungern. Prinzipiell wird meist eine Gesellschaft dargestellt, in der Armut keine Rolle spielt. Die Menschheit in Solarpunk ist über diese Ungleichheiten hinaus gewachsen.
Wie genau die Wirtschaft in Solarpunk funktioniert, ist häufig zweitrangig. Während wir bei Solarpunk häufig eine genaue Vorstellung haben, wie die Wirtschaft in ein solches Extrem gerutscht ist, kennen wir das genaue wirtschaftliche System in wenigen Solarpunk-Welten. Allerdings spielt es auch selten für die Handlung eine Rolle.
Der Punkt bei alledem ist, dass Solarpunk meist eine optimistische Weltsicht hat. Die Welten von Solarpunk sind grün, sie sind gesund und häufig wird unnötiges Leid verhindert.
Wie brauchen mehr Solarpunk
Genau das bringt mich dazu zu sagen, dass wir mehr Solarpunk brauchen. Denn wenn Cyberpunk unsere Erwartung darauf, wie neue Technologien auszusehen haben, beeinflusst hat und vielleicht durchaus auch etwas damit zu tun hatte, wie leicht viele gesellschaftliche Entwicklungen akzeptiert haben, dann braucht es ein Science Fiction Genre, dass andere Erwartungen aufkommen lässt.
Beispielsweise eben Erwartungen auf eine Welt, in der es möglich ist im Einklang mit der Natur zu leben, eine Welt, in der erneuerbare Energien wirklich den Energiemarkt bestimmen und in der Menschen in einer gerechteren Gesellschaft leben.
Cyberpunk mag ein cooles Genre sein, aber es gibt wenig Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Viel eher schürt es Gleichgültigkeit gegenüber dem „Jetzt“. Also bleibt nicht viel mehr zu sagen, als: „Schreibt mehr Solarpunk. Schreibt mehr Utopien. Denn Dystopie haben wir schon in der Realität mehr als genug.“
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