Urban Fantasy Review: The Arcadia Project

Um vielleicht alles andere vorweg zu nehmen: Ich habe eine neue Lieblingsbuchreihe. Damit hätte ich nicht gerechnet – aber ja, unter den Büchern, die ich zu Weihnachten bekommen habe, gab es eins, dass mich so gefesselt hat, wie kein anderes Buch in den letzten 10 Jahren: Borderline. Der erste Teil einer Urban Fantasy Trilogie. „The Arcadia Project“ von Mishell Baker. Teile 2 und 3 heißen Phantom Pain und Imposter Syndrom. Also gibt es natürlich ein Review.

CN: Suizid, Depressionen, Mental Health, Erwähnung von Kindesmissbrauch/Vernachlässigung

Worum geht’s?

Vor etwas über einem Jahr stürzte sich Millie betrunken in einem Selbstmordversuch von einem Gebäude. Beim Sturz verlor sie beide Beine, zertrümmerte ihre Rippen und schädigte beim Aufprall ihr Hirn. Dennoch überlebte sie. Dank dem Geld ihres toten Vaters kann sie es sich erlauben in der Psychiatrie zu bleiben – auch wenn sie die Behandlung nicht annimmt. Eines Tages jedoch taucht eine mysteriöse Frau auf, Caryl Varoll, und bietet ihr einen Job bei dem mysteriösen Arcadia Project an. Eine Organisation, die eng mit Hollywood zusammenarbeitet, und angeblich an Millie aufgrund ihrer dem Selbstmord vorausgehenden Karriere als Regisseurin interessiert ist.

Doch natürlich geht ein wenig mehr vor. Denn eigentlich ist das Arcadia Projekt eine Fassade. Die eigentliche Aufgabe des Projektes: Die Grenzen zwischen Feenwelt und Menschenwelt zu bewachen und gleichzeitig den Menschen und Feen zu helfen ihre Seelenverwandten zu finden – ihr Echo. Eine Partnerschaft, die Menschen mehr Kreativ und Feen die Möglichkeit rational zu denken gibt. Viele der Erfolgreichsten Menschen haben ein Feenecho.

Kurz nachdem Millie beim Projekt ankommt, bekommt sie bereits einen ersten Auftrag. Einen Test. Denn ein Echo – das Echo des Regisseurs David Tennenbaum – ist nicht in die Feenwelt zurückgekehrt. Zusammen mit ihrem Partner soll Millie der Sache auf den Grund gehen. Dabei ist gerade Millie dank ihrem Borderline-Syndrom nun wirklich nicht für Teamarbeit geeignet – besonders nicht, wenn man Millie fragt.

Eindrücke

Wie bereits gesagt, ich habe mich in diese Reihe verliebt. Ich konnte den ersten Band nicht aus der Hand legen und habe auch Band 2 und den recht dicken Band 3 innerhalb eines Tages durchgelesen – etwas, das ich für gewöhnlich selten mache. In diesen Büchern stimmt für mich einfach alles: Der Schreibstil ist locker und angenehm zu lesen. Die Charaktere sind nachvollziehbar. Die Handlung ist spannend. Die Twists kommen unerwartet. Der Weltenbau ist interessant. Und der Humor trifft den meinen wunderbar.

Es gibt wirklich sehr wenig, worüber ich mich beschweren kann. Vor allem, da es eins der wenigen Bücher war, bei denen ich die Handlung so gar nicht vorhersehen konnte. Es passierte immer wieder was neues, immer wieder ein unvorhergesehener Twist. Das erlaubt, die Spannung die ganze Zeit weit oben zu halten.

Diversity

Ein wichtiger anderer Punkt mit dieser Trilogie: Die Diversity der Reihe. Ich hatte bereits bei „The Root“ die Diversity gelobt, doch hier gibt es noch mehr. Am meisten haben wir Repräsentation von Neurodiversity und Mental Health Problemen. Das Arcadia Projekt sucht seine Mitarbeiter für gewöhnlich aus der Psychiatrie aus. Aus einem durchaus hinterhältigen Grund: Wenn jemand, der vorher schon als psychisch instabil galt, auf einmal anfängt von Magie und Feen zu reden, schieben die meisten es auf die Psyche. So haben wir eine weite Reichweite vertreten – auch mit unterschiedlichen Gründen. Wir haben Millie als Borderliner, haben autistische und schizophrene Charaktere und einiges mehr. Da die Autorin selbst neurodivers ist und mit Mental Health zu kämpfen hat auch als Own Voice.

Darüber hinaus: LGBTQ? Jap. Millie selbst ist bi. Wir sehen auch schwule und lesbische Charaktere. Ein Transmann spielt in Band 2 und 3 eine wichtige Rolle. Es gibt massenhaft Poly-Repräsentation! Darüber hinaus haben wir Millie als ein Charakter, der auf Prothesen angewiesen ist, manchmal aber auch den Rollstuhl nutzen muss und andere körperlich behinderte Charaktere. Wir haben Charaktere unterschiedlicher Abstammungen – speziell ein schwarzer Mann spielt eine große Rolle. Und im letzten Band gibt es einen ebenfalls durchaus positiv dargestellten Charakter mit Übergewicht (während Millie untergewichtig ist).

Kurzum: Ja, das Buch hat viele, viele Themen abgedeckt und ich liebe es dafür.

Weltenbau

Das Arcadia Projekt hat eine Menge Weltenbau – ein Teil davon geht darauf zurück, dass es sich bei der Reihe technisch gesehen um eine verkappte Portal Fantasy Story handelt. Das bedeutet: Es gibt zwei Welten und Portale, um zwischen diesen hin und her zu reisen. Tatsächlich ist das ein zentrales Thema. Und die Feenwelt ist eine andere, sehr sehr andere Welt, die mehr auf der Basis von Emotionen, als von Physik funktioniert.

Was den Weltenbau besonders interessant macht: Ein Großteil der Feen sind komplett eigene Wesen. Ja, sicher, ein paar, wie Faune und Nymphen, entspringen der Mythologie, doch allgemein sind viele Wesen etwas eigenes – selbst wenn ihnen die Menschen Namen gegeben haben, die an Mythen angelehnt sind. Das heißt: Es ist Urban Fantasy, doch von den üblichen Vampiren, Werwölfen und Co. fehlt jedwede Spur.

Auch die Art, wie die Magie in ihren Regeln aufgebaut ist, unterscheidet sich davon, wie es in den meisten Urban Fantasy Geschichten passiert. Es ist nichts, was ich noch gar nicht gesehen hätte, jedoch dennoch was anderes. Allerdings will ich nicht zu viel dazu sagen, da ein nicht unerheblicher Aspekt des Magie-Systems ein enormer Spoiler für den späteren Verlauf der Geschichte wäre.

Mental Health

Zuletzt möchte ich noch einmal auf das zentrale Thema der Bücher eingehen: Mental Health. Denn ja, viel von Millies Charakterentwicklung handelt davon, Methoden zu finden, mit ihrem Borderline umzugehen. Ich fand es wirklich schön, zu sehen, dass sich im Verlauf der Reihe auch ihre Einstellung zur Therapie von „Ihr könnt mir eh nicht helfen“ ändert und sie anfängt mehr auf die Hilfe ihrer Psychologin zu geben. Dadurch schafft sie es dann später auch besser – aber nicht ganz ohne Melt Downs – mit manchen Situationen umzugehen.

Dahingehend war es ebenso schön, Charaktere zu haben, die offen mit ihren Problemen umgehen. Halt im Sinne von: „Ja, ich habe Borderline. Ich kann gerade nicht mehr. Bitte lass mich in Ruhe, sonst explodiere ich.“ Und vergleichbares. Auch Millies Selbstanalyse darüber, dass sie keine gesunde Beziehung führen kann, bis es ihr mental besser geht, ist etwas, das ich gut fand. Es zeigt so etwas wie einen vernünftigen Umgang mit den Themen.

Was hier allerdings vielleicht angemerkt sei: Die Reihe benutzt teilweise ableistische Slurs – meist halt in Bezug auf mentale Krankheiten. Allerdings werden diese Slurs halt von betroffenen Figuren verwendet und das Buch ist Own Voice, weshalb ich sie hier weniger störend fand. Gerade, da es zu den etwaigen Charakteren passte.

Fazit

Kauft euch diese Reihe.

Was soll ich sonst noch dazu sagen? Wirklich: Die Reihe hat meine volle Empfehlung und ich würde mich ernsthaft freuen, wenn sie ins Deutsche übersetzt würde. (Frei nach dem Motto: Die Hoffnung stirbt zuletzt.)

Es ist eine spannende Geschichte in lockerem Stil und mit viel Diversität. Halt genau so, wie ich es mag. Insofern: Einfach Top!

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