Urban Fantasy Review: The Prey of Gods
Nachdem ich länger nichts mehr reviewt habe, möchte ich heute ein Buch mit euch teilen, dass ich zum Jahreswechsel gelesen habe: The Prey of Gods von Nicky Drayden. Es verbindet Urban Fantasy, Cyberpunk und Mythpunk mit viel, viel Queerness – ist also praktisch das ideale Buch für mich.
Worum es geht
Muzi ist alt genug um in Xotha-Tradition ein Mann zu werden – doch so sicher ist er sich nicht, ob er die Beschneidung, die sein Großvater sich für ihn wünscht, will. Gleichzeitig hadert er mit seinen Gefühlen für den besten Freund.
Muzis Roboterassistent hadert derweil damit, dass es sich Sorgen um seinen Herrn macht und eigentlich keine Gefühle haben sollte.
Nomvula, ein im Ghetto aufgewachsenes Mädchen, stellt fest, dass der Mann, vor dem ihre Mutter sie gewarnt hat, nicht nur ihr Vater, sondern auch ein Gott ist.
Für die bekannte Sängerin Riya wird es immer schwerer, ihre chronische Krankheit vor Fans und Management geheim zu halten.
Der Präsidentschaftskandidat Stoker erfüllt all die Wünsche, seiner Mutter – und würde doch lieber als die Sängerin Felicity eine Karriere machen.
Und eine alte Göttin sieht ihre letzte Chance, doch noch angebetet zu werden …
Parallele Handlungen
Wie die Inhaltsangabe vielleicht klar macht: Die Handlung ist in verschiedene Handlungsstränge durch verschiedene Perspektiven unterteilt. Dabei stehen die Charaktere und ihre Konflikte im Vordergrund, kommen jedoch nach und nach zusammen und werden wichtig füreinander und für die eigentliche Rahmenhandlung. Ich kann mir vorstellen, dass dies speziell für Leute, die mit südafrikanischen Namen nicht vertraut sind, verwirrend sein kann, doch sobald man die Charaktere besser kennt, ist es eigentlich leicht der Handlung zu folgen.
Speziell fand ich es dahingehend schön, dass die Geschichte permanent mit „Planting & Payoff“ arbeitet. Es werden – teilweise subtil – Ideen eingebracht, die später einen Payoff bekommen. Man kann sich damit einige Sachen, wenn man aufmerksam ist, zusammenreimen, und kann sich so bestätigt fühlen, wenn man die Handlung etwas voraussieht.
Trauma überwinden
Ein zentrales Thema des Buches ist Trauma und der Umgang damit. (Dazu gleich noch später, denn die Liste möglicher Trigger für dieses Buch ist wahrscheinlich die längste, die ich je schreiben werde.) Bester Hinweis dahingehend ist, dass Muzi – der erste Charakter, den wir kennenlernen – eine Fähigkeit entwickelt, die damit einher geht, dass er die Traumata von anderen Menschen sehen und nachfühlen kann.
Aber ja, fast jede Handlung unserer Held*innen geschieht in Bezug auf ein Trauma, das sie oder andere erlebt haben. Dies bedeutet entweder, dass sie versuchen, es aufzuarbeiten, oder versuchen davon zu entkommen. Nun, und im Fall eines Charakters bedeutet es, das eigene Trauma erst einmal zu verstehen. Das zieht sich soweit als ein zentrales Thema durch das Buch, dass fast jedes Scheitern der Held*innen (und Bösewicht*innen) durch eine Nicht-Akzeptanz gegenüber den eigenen Traumata zustande kommt. Sei es, weil sie dadurch auf dem falschen Fuß erwischt werden, sei es, weil sie dadurch unüberlegt handeln.
Auch wenn dies eventuell etwas predigend herüberkommen kann, hilft es auch die Charaktere und ihr Handeln nachvollziehbar zu machen.
Weltenbau
Der Weltenbau in „The Prey of Gods“ ist wirklich etwas, das ich so noch nicht gesehen habe. Es ist wie schon gesagt eine Mischung aus Urban Fantasy und Cyberpunk, mit etwas gemischt, das ich am ehesten Mythpunk nennen würde. Dabei bedient sich das Buch jedoch keiner konkreten Mythologie, sondern einer eigenen, die jedoch durch verschiedene südafrikanische Mythologien inspiriert wurde. Es nutzt in diesem Rahmen auch den „Clap your hands, if you believe“ Trope als einen zentralen Teil der Handlung.
Wirklich spannend fand ich jedoch die Mischung mit Cyberpunk hier. Neben den Göttinnen-Konflikt, spielt eine zentrale Rolle, dass ein Roboter durch einen Programmfehler Gefühle entwickelt und dadurch ein Bewusstsein entwickelt, das sich auf andere Roboter – die in der Welt als Assistenten genutzt werden – überträgt. Auch haben wir ein wenig Biopunk in dem Sinne mit drin.
Die Magie hat sehr klare Regeln und einen klaren Ursprung, fühlt sich beinahe ein wenig mehr wie Superkräfte in dem Sinne an, da jeder Charakter nur eine wirkliche Fähigkeit erhält.
Diversity
Was ich an diesem Buch loben muss, ist, wie verflucht Divers es ist. Wir haben im Hauptcast einen schwulen, schwarzen Jungen, der in seinen besten Freund verknallt ist. Eine chronisch kranke, indischstämmige Sängerin. Und zudem eine trans Frau, deren Coming Out eine größere Rolle spielt.
Wenn man bedenkt, dass das Buch nicht einmal sehr lang ist, fand ich es beeindruckend, wie viel davon untergebracht wurde. Vor allem da keiner der Charaktere komplett dadurch definiert wird, aber es eben auch ein Teil des Charakters ist. Anders gesagt: Es ist halt so, wie man es haben will.
Es sei dazu gesagt, dass in dem Rahmen teilweise toxisches Verhalten von anderen Menschen vorkommt. Während Muzis Coming Out (bereits in einem der ersten Kapitel) sehr gut läuft, ist es bei der trans Frau nicht ganz so. Und auch Riya, die ihre Krankheit geheim hält, hat mehrfach mit Ableismus zu kämpfen.
Triggerwarnungen
Wie angedeutet sei bei diesem Buch dazu gesagt, dass die Liste möglicher Trigger enorm lang ist. Gefühlt wäre es leichter Hinzuschreiben, welche Trigger gar keine Rolle spielen, da so vieles in irgendeiner Form vorkommt. Ich fand die Themen, wie sie vorkamen, durchaus angemessen aufgearbeitet und hatte nicht das Gefühl, dass irgendetwas zum reinen Schock vorkam – aber es seien dennoch fairerweise die Trigger genannt.
- Gewalt/Folter
- Tod
- Queerfeindlichkeit
- Transfeindlichkeit
- Drogenmissbrauch
- Alkoholmissbrauch
- Gewalt gegen Kinder
- Kindesmissbrauch/Vernachlässigung
- Vergewaltigung
- Gaslighting
- Selbstverletzendes Verhalten
- Chronische Krankheiten (Multiple Sklerose)
- Ableismus
- Depression
- Bodyhorror (mehrfach, in einem Fall in Verbindung mit Dysphorie)
- Rassismus, Kolonialismus und Sklaverei werden thematisiert
Kurzum
Auch wenn es vielleicht nicht direkt so klingt: Ich möchte „The Prey of Gods“ empfehlen, sofern ihr mit den Triggern umgehen könnt. Wie gesagt: Ich selbst fand die Trigger, auf die ich reagiere, angemessen aufgearbeitet und umgesetzt (spezifisch Vergewaltigung und Kindesmissbrauch), aber ich kann jeden verstehen, der es nicht riskieren will. Zugegebenermaßen: Ich musste trotz allem das Buch zwei, drei Mal aus der Hand legen.
Dennoch habe ich dieses Buch sehr genossen, weil es einfach so viele der Dinge richtig mag, die mir besonders viel bedeuten, und dabei verflucht kreativ ist. Ohne zu viel verraten zu wollen: Gegen Ende zieht das Buch etwas im Finale ab, das sich wie ein Genre-Wechsel anfühlt und nicht funktionieren sollte, aber irgendwie verflucht passend ist.
Es ist einfach so ein perfektes Buch für mich. Daher eine große Empfehlung.
Außerdem ein liebes Dankeschön an die Person, die mir das Buch geschenkt hat, da ich es letztes Jahr anonym zu meinem Geburtstag bekam. Vielen lieben Dank!