Queerness und Mental Health in „Der Schleier der Welt“
Heute gibt es noch einmal einen kleinen Eintrag in eigener Sache. Denn heute möchte ich über Repräsentation in unserer Buchreihe „Der Schleier der Welt“ sprechen. Dabei spielen zum einen queere Identitäten eine Rolle, aber auch Mental Health und Neurodiversity, da beide Themen eine große Rolle in der Geschichte spielen.
CN: Depression, Mental Health, Alkohol, Erwähnung von Krieg & Trauma
Was ist „Der Schleier der Welt“?
Der Schleier der Welt ist eine Urban Fantasy Reihe, selbst wenn bisher nur der erste Band erschienen ist. Wer ein wenig auf Social Media aktiv ist, kann den Grund eventuell ahnen. So oder so: Auf meiner Festplatte liegen Band 2 bis 4 bereits fertig – wenngleich 3 und 4 dringend Überarbeitung brauchen.
Worum es geht:
Nach einem abgebrochenen Journalismus-Studium hat sich Kyra als Privatdetektivin versucht. Doch dieser Job ist weder so interessant, noch so edel, wie sie es sich vorgestellt hat. Die Mieten müssen bezahlt werden und ihr Stolz verbietet es, die nächste Sache hinzuwerfen. Als sie von einem jungen Anwalt beauftragt wird, die Jugendliebe ausfindig zu machen, scheint es ein einfacher Fall, wie so viele andere zu werden. Allem Anschein zum Trotz jedoch, soll dieser Fall Kyras Leben grundlegend verhindern, da er der erste Schritt auf dem Weg in eine verborgene Welt ist.
Letzten Endes entstand „Der Schleier der Welt“ unter der Prämisse, eine Urban Fantasy Reihe zu schreiben, die Handlung jedoch in Europa anzusiedeln. Edinburgh bot sich einfach an. Außerdem ich Kyra tatsächlich mit 27 relativ alt für eine Urban Fantasy Protagonistin – so traurig dies auch ist.
Kyra Hare

Fangen wir mit unserer Protagonistin an. Kyra Hare. Wie gesagt ist Kyra 27 und ist bereits komplett in einem Studium gescheitert. Grund dafür war eine unglückliche Verkettung von Umständen, die nicht zuletzt damit zusammenhingen, dass ihr Vater aus dem Irak im Rollstuhl zurückkam. Die Depression, unter der sie seither leidet, hat sie sich bisher nicht eingestanden. Das ändert natürlich nichts daran, dass ihr an manchen Tagen die Kraft fehlt, aus dem Bett zu kommen. Sie ist zudem im neurodiversen Spektrum, wurde jedoch nie diagnostiziert. Ihr bester Freund ist ihr Hund Watson.
Kyra identifiziert sich derweil als bisexuell, hatte aber die meisten anhaltenden Beziehungen nach der Highschool mit Frauen, nicht mit Jungen/Männern. Warum das so ist, kann sie selbst nicht sagen. Seit ihre letzte Beziehung vor einem Jahr allerdings zerbrochen ist, hatte sie keine weitere Beziehung. Stattdessen hat sie die ungesunde Angewohnheit entwickelt, sich gemeinsam mit Fremden zu betrinken und danach mit ebenso Fremden im Bett zu landen. Und betrinken heißt bei ihr meist bis zum Filmriss.
Kurzum: Mental Health ist bei Kyra ein zentrales Thema, selbst wenn sie es sich selbst nicht eingestehen will.
Jason O’Neil

Jason ist Kyras Mitbewohner. Ihr kennt das ja: Allein leben ist finanziell für die meisten so einfach nicht mehr drin. Er kennt Kyra aus dem Studium, das er im Gegensatz zu ihr abgeschlossen hat. Doch auch mit abgeschlossenen Bachelor reicht es bei ihm aktuell zu nicht mehr, als zum Freelancen – etwas, das auch nicht die besten Bezahlungen bringt.
Jason leidet unter Sozialängsten und bekommt in bestimmten Situationen leicht Panik, weshalb er am liebsten im Haus bleibt und nur für Jobs rausgeht. Meist macht er auch die Nacht zum Tage und den Tag zur Nacht. Sprich: Sein Tag fängt irgendwann zwischen Mittag und frühen Nachmittag an und endet dafür irgendwann in den frühen Morgenstunden. Früher hatte er durch seine D&D Gruppe zumindest einige soziale Kontakte, doch die meisten von seinen Kumpels sind mittlerweile weggezogen, haben das Interesse verloren oder schlichtweg keine Zeit. Seither finden seine meisten sozialen Interaktionen abseits von Kyra online statt. Dabei liebt er noch immer das Tagträumen und die Vorstellung, dass Magie real wäre …
Was seine Sexualität angeht, ist sich Jason unsicher. Er hatte bisher nur zwei heterosexuelle Beziehungen mit Frauen, die jedoch nicht lange hielten. Zwar hat er Interesse an Frauen, doch ist er unsicher, wie er es angehen kann. Darüber, dass er in seiner Jugend mal in einen guten Freund verknallt war, redet er mit niemanden.
Sean Wright

Es ist schwer, etwas über Sean zu sagen, ohne zu spoilern, da viel von seiner Geschichte erst auf die nächsten Bände aufgeteilt vorkommt. Ich kann allerdings sagen, dass er ein wichtiger Charakter in der Geschichte ist und das sein Leben vor allem durch Trauma geformt wurde. Er ist einer der Werwölfe aus dem Edinburgh-Rudel und ist relativ spät als solcher erwacht. Zwar ist er als Werwolf verflucht mächtig, doch muss er dafür auch einen hohen Preis bezahlen: Er hat Probleme, sein Temperament unter Kontrolle zu halten und hat zudem eine Aura, die die meisten Menschen abschreckt.
Diese beiden Aspekte haben in ihrer Mischung ihm das Leben schwer gemacht. Anders als die anderen menschgeborenen Werwölfe des Rudels, kann er kein normales Leben haben, hat er es doch nicht einmal geschafft, die Schule abzuschließen. Dazu hat er als Werwolf seit der Jugend immer wieder Gewalterfahrungen gemacht, hat einige Leute verloren, die ihm viel bedeutet haben und ist selbst oft genug fast gestorben. Gleichzeitig erlaubt die Werwolfsgesellschaft jedoch keine wahrgenommene Schwäche, weshalb er alles in sich hineinfrisst.
Queer ist Sean allerdings nicht. Er ist sehr hetero in jeder Hinsicht.
Molly Steward

Molly ist Kyras Exfreundin und Inspector bei der Scottish Police. Sie ist voll und ganz lesbisch und hat Kyra kennengelernt, als diese in einem frühen Fall mit einem Drogenhändler verwickelt wurde. Dinge haben sich dann entwickelt, doch letzten Endes hat die Beziehung kein ganzes Jahr gehalten. Weil Kyra zu unorganisiert, zu undiszipliniert und zu chaotisch ist – jedenfalls, wenn man Molly fragt. Gleichzeitig kann sie sich nicht helfen, dennoch weiterhin besorgt um Kyra zu sein, allerdings mehr auf die Art einer großen Schwester.
Auch wenn Molly es nicht zugeben würde – ja, das ist ein Thema – hat auch sie das ein oder andere Problem. Bei ihr ist letzten Endes ein zentraler Aspekt, dass sie das Bedürfnis hat, immer zu beeindrucken, die Beste zu sein und alles unter Kontrolle zu haben. Das hat nicht zuletzt mit Diskriminierungserfahrungen in ihrer Vergangenheit zu tun. Nichts desto trotz: Ja, Molly hat einen Kontrollzwang. Und etwas nicht unter Kontrolle zu haben, macht sie nervös und aggressiv. Natürlich keine gute Mischung mit Kyra …
Luna Sterling

Kommen wir zu Kyras magischen Mentorin (vom Ende von Band 1 an gesehen). Luna Sterling, eine der beiden Oaken-Zwillige. Sie hat eine besondere Gabe: Sie ist eine Geistesmagierin. Wären wir im Marvel-Universum würde man sie Telepathin nennen. Sprich: Sie kann Gedanken und Gefühle anderer Wesen wahrnehmen und kann diese gegebenenfalls auch manipulieren. Dies ist eine seltene Fähigkeit, allerdings auch eine sehr gefürchtete, gegenüber der selbst in der magischen Community einige Vorurteile existieren. Dies hat Luna immer schon zur Außenseiterin gemacht und unsicher, wie sie mit sozialen Situationen umgehen soll. (Etwas, über das ich auch in der Walpurgisnacht-Geschichte geschrieben habe.)
Aus Familientradition heraus haben sie und ihre Schwester sehr früh geheiratet – eine politische Ehe. Sie wurden mit dem Sohn einer alteingesessenen Werwolfsfamilie verheiratet. Eine besonders großartige Idee, wenn man bedenkt, dass Werwölfe wohl die größten Vorurteile gegen Geistesmagier haben. Eine großartige Idee, die spätestens in dem Moment nach hinten losging, als besagter Werwolf ins Exil geschickt wurde. Doch zumindest über die Vorurteile ist ihr Mann mittlerweile hinweg. Luna, ihre Schwester und er leben mit den gesamt drei Kindern und drei Welpen ebenfalls in Edinburgh als Triade.
Die Beziehung ist, trotz Heirat und Kinder, offen. Luna selbst identifiziert sich als pansexuell. Da Queerness in ihrer traditionell druidischen und teilweise Fae Familie keinerlei Vorurteile mit sich brachte, war dies für sie jedoch nie mit großer Scharm behaftet. Im Vergleich zur Geistesmagie ist es für sie keine große Sache.
Thia Bishop

Thia ist die Anführerin des Werwolfrudels von Edinburgh und hat es damit alles andere als leicht. Zwar wusste sie seit ihrer Kindheit – anders als Sean – dass es Werwölfe gibt, da ihr Onkel einer war, doch ist sie nicht wirklich in der Kultur aufgewachsen. Sie sieht sich eigentlich mehr als Mensch, als als Werwolf, doch als Anführerin muss sie dennoch die Erwartungen der Werwölfe erfüllen. Dabei hat sie sich die Position sogar erkämpft, jedoch vor allem, um den Rest des Rudels zu schützen. Denn Thia ist intelligent und sie weiß es. Nicht dass es ihr im Studium weiterhilft, in dem sie dank ihrem „Nebenjob“ als Werwolf massenhaft Fehlzeiten ansammelt und mehr als einmal eine Prüfung verpasst hat …
Thia ist aroace. Sie war nie verliebt und hatte auch nie sexuelles Interesse an irgendjemanden. Ausgerechnet das ist jedoch etwas, womit Teile der magischen Gesellschaft, vor allem aber die Werwölfe Probleme haben. Denn immerhin braucht es magischen Nachwuchs. Deswegen hatte Thia ihre ganze Jugend lang – sie war sehr früh offen darüber – mit Druck durch die Ältesten zu kämpfen. Um dem Druck zu entkommen, hat sie mit einem engen Freund zwei Kinder gezeugt, die mit ihrem Vater und seiner Frau aufwachsen und Thia als „Tante“ kennen.
Matthew Grenville

Matt ist das aktuell letzte menschengeborene Mitglied des Edinburgh-Rudels. Wie Thia versucht auch er ein normales Leben zu haben, neben dem Werwolfsleben, was jedoch nicht so einfach ist. Denn sein Vater ist einer der ältesten Werwölfe. Matthew ist von klein auf in der Werwolfsgesellschaft aufgewachsen und hat nie in diese gepasst. Denn zum einen: Matthew ist Asperger. Zum anderen: Matthew wusste schon mit acht Jahren, noch bevor er als Werwolf erwachte, dass er schwul ist.
Eigentlich ist seine Hoffnung gewesen, dass er nicht erwachen würde, doch leider hatte er dieses Glück nicht. Doch letzten Endes passt er einfach nicht in das Erwartungsbild eines Werwolfs. Natürlich erwartete man auch von ihm Kinder zu zeugen, aber bisher weigert er sich erfolgreich, irgendwem den Gefallen zu tun. Eine Beziehung hatte er bisher allerdings auch nicht, da sein Datingpool stark eingeschränkt ist. Immerhin ist es für ihn schwer, jemanden zu finden, da er unsicher im sozialen Umgang ist, und ist auf der Suche nach einem nicht-heterosexuellen Mann aus der magischen Community. Und dazu kommt die Außenseiterrolle, die das Edinburgh-Rudel in der Community Edinburghs einnimmt.
Maria Turner

Kommen wir zu einer Abwechselung: Ein Charakter, der keine Mental Health Probleme hat. Ha! Denn ja, Maria ist selbstbewusst, hat keine wirklichen Traumata und steht mit beiden Beinen im Leben. Sie ist zwar früh geschieden, doch dies geht letzten Endes darauf zurück, dass sie sehr früh und sehr überhastet geheiratet hat. Mit ihrem damaligen Ehemann hat sie eine Tochter adoptiert, sie die weiterhin großzieht.
Maria ist mehr oder minder hetero, war allerdings zumindest als Teenager bicurious. Sprich: Wenn man nach Kinsey geht, würde sie definitiv nicht in die 100% hetero Ecke fallen. Sie hatte jedoch bisher nie eine Beziehung mit einer Frau. Insofern würde ich sie als hetero bezeichnen. Seit ihrer Scheidung hat sie allerdings auch kaum Männer gedatet.
Kali Turner

Wo wir schon bei der Turner-Familie sind, machen wir mit Kali weiter, der 14jährigen Tochter von Maria. Sie war sieben, als sie von Maria und deren damaligen Mann als Pflegekind aufgenommen wurde. Mit neun Jahren wurde sie adoptiert. Während sie in der Zeit vorher bereits für drei Jahre im Pflegesystem war und damit nicht die besten Erfahrungen gemacht hat, ging es ihr bei Maria recht gut. Bonus: Im Gegensatz zu diversen anderen Charakteren war sie wegen der negativen Erfahrungen in psychologischer Behandlung.
Ansonsten ist sie gerade selbst in der Pubertät und dabei ihre eigene Sexualität zu entdecken. Etwas, das in der Geschichte letzten Endes keine große Rolle spielt. Dennoch will ich es kurz einbringen. Denn während Kali einen Jungen hat, den sie mag, hat sie auch Gefühle für ihre beste Freundin, nachdem sie mit dieser einmal das Küssen ausprobiert hat.
Alex

Das wirklich letzte Mitglied des Werwolfsrudels von Edinburgh und ein kleiner Sonderfall. Denn anders als die anderen Werwölfe des Rudels ist sie nicht als Mensch, sondern als Wolf geboren worden. Daher ist sie auch gerade einmal dreieninhalb Jahre alt – jedenfalls nach Daten gerechnet. Auf einen Menschen gerechnet entspricht das siebzehn, achtzehn Jahren. Als Wölfin versteht sie diverse menschliche Konzepte nicht unbedingt auf die richtige Art. Allerdings hat sie auch etwas Spaß damit, sich extra naiv zu stellen.
Da sie mit diesen menschlichen Konzepten nicht wirklich vertraut ist und sie nicht so sehr an ihnen interessiert ist, nutzt sie kein Label. Sie versteht den Sinn dahinter nicht. Generell findet sie allerdings menschliche Sexualität super interessant und würde sich durchaus gern in menschlicher Sexualität ausprobieren. Allerdings sind die Werwölfe sehr vorsichtig, sie allein unter Menschen zu lassen, da Alex nicht sonderlich bemüht ist, ihre Identität geheim zu halten.
Lilly Sterling

Lilly ist Lunas Schwester. Sie ist als Magierin weniger ungewöhnlich, abgesehen davon, wie mächtig sie ist. Doch während Lunas Spezialität die Geistesmagie ist, ist Lilly eine begabte Heilerin. Da Heilmagie hoch angesehen ist, hatte sie nicht dieselben Probleme wie Luna und daher eine einfachere Jugend. Auch wenn natürlich auch sie in derselben politischen Ehe mit Andrew Sterling ist.
Da, erneut, die Familie von Lilly und Luna einen sehr offenen Umgang mit dem Thema Queerness hatte, da die magische Community dahingehend aufgeschlossener ist, ging auch sie damit offen um. Daher hatte auch sie keine Probleme, offen als bisexuell aufzutreten. Wie auch Luna sieht sie die Beziehung mit Andrew als offen an. Da ihre Art von Magie eng mit Sexualität verbunden ist, hat sie auch häufiger außerehelichen Sex.
Andrew Sterling

Kommen wir zuletzt zu Andrew Sterling. Er ist ein seltsamer Abschluss, da er absolut cishetero ist. Allerdings passt er dafür umso mehr ins Mental Health Thema der Reihe hinein. Denn auch er ist ein Werwolf und auch er leidet, wie Sean, unter einer Nebenwirkung des Wolfs: Er leidet unter großer Anxiety und litt in seiner Jugend unter ausgewachsener Paranoia. Hin bis zur absoluten Panik.
Allerdings kam auch bei ihm dasselbe Problem, das die anderen Werwölfe haben: Schwäche wird innerhalb ihrer Gesellschaft verachtet. Und weil diese Gesellschaft toxisch ist, wird es auch als Schwäche angesehen, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Allerdings hatte er Glück im Unglück: Durch Umstände, die vorerst ungespoilert bleiben sollen, wurde er von der Wolfsgesellschaft ausgestoßen und musste daher nicht mehr nach ihren Regeln leben. Für seine Psyche und seine Familie ein großer Segen.
Zum Abschluss
Kurzum: Ja, die Magier haben alles in allem eine relativ offene Gesellschaft, die Werwölfe dagegen eine sehr toxische. Sowohl in Sachen psychischer Krankheiten, als auch in Dingen Queerness. Letztere akzeptieren sie zwar, allerdings nur, insoweit man bereit ist, ihnen dennoch Nachwuchs zu zeugen. Und ja, das ist ein zentraler Konfliktpunkt, der sich durch die Reihe ziehen wird.
Es kommen in späteren Bücher noch einige andere Charaktere rein, die noch andere Dinge repräsentieren, jedoch im Moment zu große Spoiler wären, weshalb ich sie hier erst einmal ausspare.
Ich hoffe ihr hattet Spaß mit der kleinen Übersicht.