Magiebau 101: Magische Ausbildungen

Wie haben in den letzten Monaten bereits über harte und weiche Magie, Magiesysteme und den Krux mit der eurozentrischen Magie gesprochen. Für die nächsten zwei Monate möchte ich mit euch noch über das Leben in magischen Welten sprechen.

Magisches Leben

Magie bringt natürlich einige Fragen des Magiebaus an sich mit sich. Allerdings ist dies nur ein Aspekt einer magischen Welt. Ein anderer ist, wie die Menschen mit der Magie zusammen leben. Wie verändert sich das normale Leben dadurch, dass es Magie in dieser Welt gibt? Was für gesonderte Anforderungen gibt es?

Ein Teil des Lebens, der sich durch die Anwesenheit von Magie verändert, ist die Ausbildung – sowohl in Sachen Schule, als auch später. Denn wahrscheinlich werden die meisten Wesen nicht mit perfekt ausgereiften magischen Fähigkeiten auf die Welt kommen, sondern müssen diese erst zu kontrollieren lernen.

Daher wollen wir uns in diesem Artikel ein wenig mit der Frage beschäftigen, was eine magische Ausbildung ausmacht, wozu sie nötig ist und wie sie im Detail aussehen kann. Denn eigentlich ist dies eine so grundlegende Frage, dass man sich in jeder Form von Geschichte mit magischen Kräften Gedanken darüber machen sollte.

Grundlagen der magischen Ausbildung

Wenn wir uns Gedanken über die magische Ausbildung machen, sollten wir uns erst einmal Gedanken darüber machen, warum wir eine solche Ausbildung brauchen. Die Antwort wird meistens in eine (oder beide) der folgenden zwei Kategorien fallen:

  1. Magie wird nicht automatisch perfekt beherrscht und wer an der magischen Gesellschaft teilhaben will, muss sie lernen zu kontrollieren.
  2. Wer eine magische Begabung hat, aber Magie nicht gut beherrscht wird zu einer Gefahr für andere Menschen.

Entsprechend ist es das Ziel einer magischen Ausbildung entweder, eine*n Magier*in auf das Leben in der magischen Welt vorzubereiten, oder, die Welt vor etwaiger unkontrollierter Magie zu schützen. Was davon im Vordergrund steht, kann dabei durchaus die Art der Ausbildung beeinflussen.

Allerdings gibt es technisch gesehen auch noch eine dritte Möglichkeit, warum es eine magische Ausbildung gibt:

  1. Weil es fair ist, allen die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten weitestmöglich zu entwickeln.

Sprich: Es gibt genug Möglichkeiten für die etwaigen Leute mit Magie (oder vielleicht auch jeden, in einer Welt, in der jeder magische Kräfte hat) ihr Leben ohne Magie zu leben und es ist auch nicht gefährlich, wenn Leute ihre Magie nicht beherrschen, aber es ist einfach nur fair allen dieselben Möglichkeiten zu ermöglichen. Natürlich kann auch sich das in der Form der Ausbildung niederschlagen.

Was wird gelernt?

Die grundlegendste Fragen zur magischen Ausbildung an sich, wäre wohl, was überhaupt gelehrt wird und wann? Sprich: Was gehört zu einer magischen Grundausbildung dazu? Was sind eher Spezialausbildungen? Gibt es Dinge, die jeder können sollte? Warum ist es so essenziell, dass diese Dinge beherrscht werden? Sind es Grundlagen für andere Aspekte oder sind sie vielleicht besonders wichtig, um di*en Magier*in zu schützen?

Natürlich ist es prinzipiell die Frage, ob es überhaupt eine magische „Grundausbildung“ gibt oder ob jede Ausbildung speziell ist – das wird auch ein wenig davon abhängen, wie weit verbreitet Magie in der jeweiligen Welt denn nun ist. Dazu gleich mehr.

Prinzipiell macht es jedoch Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, was übliche Fähigkeiten wären, die die meisten Magier*innen beherrschen. Dies hilft, um innerhalb der Geschichte die Magier*innen realistischer darzustellen. Natürlich kann Magie auch hyperindividualistisch sein – wenn der Weltenbau es entsprechend hergibt – doch wahrscheinlicher ist es, dass es ein paar weit verbreitete Fähigkeiten gibt, die zur Basis der meisten dazu gehört.

Die unterschiedlichen Lehrsysteme

Neben dem „Was“ ist allerdings eine andere Frage auch das „Wie“. Wie lernt man? Denn dafür gibt es natürlich vollkommen unterschiedliche Konzepte. Ich möchte im folgenden auf die verschiedenen Möglichkeiten, wie Magie unterrichtet werden kann, eingehen, sowie auch, was die Vor- und Nachteile davon sind.

Schulen

Das erste, was vielen wohl zu einer magischen Ausbildung einfallen wird, ist die „Zauberschule“ à la Harry Potter. Also eine Schule, auf die Kinder geschickt werden, um dort zu lernen, wie sie mit ihrer Magie umgehen können.

Der Vorteil einer schulischen Ausbildung ist natürlich offensichtlich: Zum einen ist es sehr effizient, wenn man, sagen wir mal, 20 Kinder in eine Klasse steckt und unterrichtet. Weitaus effizienter, als ein Unterricht in kleineren Gruppen. Umso mehr, wenn die Schüler*innen nach Jahrgang immer wieder dasselbe lernen. Außerdem kann es natürlich ein sozialer Vorteil für die Kinder sein unter Gleichaltrigen zu lernen und so soziale Verbindungen aufbauen zu können.

Der Nachteil ist allerdings auch, dass so ein System sehr steif und unflexibel ist. Es kann nicht wirklich auf die Bedürfnisse einzelner Schüler*innen eingehen und auch Talente können in diesem System nicht berücksichtigt werden. Außerdem kann es gerade, wenn die Magie durchaus auch gefährlich ist, dies verstärken, wenn man 20 Schüler*innen mit nur einer Aufsichtsperson in ein Zimmer steckt. Denn wie schnell kann so ein Zauber daneben gehen?

Magische Schulen sind vor allem dann wahrscheinlich, wenn Magie relativ verbreitet ist, und es sich wirklich lohnt, ein solches System zu entwickeln.

Mentor*innen

Eine Alternative ist natürlich der Einzelunterricht, in Sachen Magie gerne in Form von Mentoren zu finden. Sprich: Jede*r junge Magier*in hat eine*n Mentor*in, di*er sie*ihn unterrichtet. Dies geschieht häufig neben einer normalen Schulausbildung (oder sonstigen Ausbildung) nebenher und bezieht sich meistens dann rein auf die Magie.

Die Vor- und Nachteile sind praktisch das genaue Gegenteil des schulischen Unterrichts. Ein*e Mentor*in kann sich komplett auf die Bedürfnisse der*s Schüler*in einstellen und diese*n auf die entsprechende Talente und auch Schwachstellen angepasst fördern. Auch kann eine gewisse größere Sicherheit geboten werden, den di*er Mentor*in die ganze Zeit bei den Übungen ein Auge auf di*en Schüler*in haben kann.

Gleichzeitig fehlt dabei aber eventuell den Schüler*innen der Kontakt zu gleichaltrigen Magier*innen – gerade wenn wir von Welten sprechen, wo Magie eher selten ist und vielleicht sogar geheim gehalten werden muss. Gerade da kann diese Situation einen zusätzlichen Druck auf di*en Schüler*in ausüben. Auch ist diese Form des Unterrichts nicht unbedingt sehr effizient, da ein*e Mentor*in meistens nur ein oder zwei Schüler*innen ausbildet.

Diese Form des Unterrichts findet sich vor allem in Welten, in der Magie eher selten ist. Umso mehr bei starker Geheimhaltung.

Familienunterricht

Eine Mischung aus den beiden vorherigen Formen ist das Lernen innerhalb von Familien oder Klans. Sprich: Alle Kinder einer Familie, die magische Begabung haben, werden von verschiedenen Erwachsenen innerhalb der Familie unterrichtet – meist über Altersgruppen hinweg gemeinsam.

Dies erlaubt einen Unterricht in meist kleinen Gruppen. Dies ist nicht so ineffizient wie der Einzelunterricht, aber auch nicht so individuell. Dennoch haben die Lehrkräfte in diesem System eher die Möglichkeit, ihren Unterricht auf die verschiedenen Schüler*innen anzupassen.

Dies ist auch eine Möglichkeit in Welten, in denen Magie nicht soweit verbreitet ist – vor allem dann, wenn magische Begabung vornehmlich vererbt wird. Man sollte sich dennoch Gedanken darüber machen, was mit Kindern passiert, die magische Begabung haben, aber nicht in magischen Familien aufwachsen.

Anti-hierarchische Lernsysteme

Alle anderen vorgestellten Konzepte der Lehre bauen eben darauf auf: Lehre, statt lernen. Klingt verwirrend? Ist es aber eigentlich nicht. Lehrkonzepte bauen auf einer starken Hierarchie zwischen Lehrkräften und Lernenden auf. Die Lehrkräfte geben vor, was wann und wie behandelt wird, sie bestimmen den Umfang des Unterrichts und bspw. auch solche Sachen wie Hausaufgaben. Häufig werden solche Formen der Lehre auch durch Tests noch verstärkt und dadurch eine noch härtere Hierarchie geschaffen.

Allerdings könnte man auch einmal anders denken und ein anti-hierarchisches Lernsystem schaffen. Sprich: Ein System in denen Lernende und Lehrende gemeinsam den Unterricht bestimmen und gestalten. Wo nicht von oben herab diktiert wird, was gemacht wird, sondern dies gemeinsame Entscheidungen sind, die auch den Lernenden weitere Möglichkeiten zur freien Entfaltung bieten.

Auswirkung des Alters

Es darf allgemein bei der magischen Ausbildung natürlich auch nicht vergessen werden, was es für Auswirkungen hat, in welchem Alter diese Ausbildung begonnen wird. Denn auch dies kann sich von Welt zu Welt unterscheiden.

Das häufigste Alter ist wohl das Kinder- oder Jugendalter. Also mit einem Ausbildungsbeginn in einem Alter zwischen 10 und 16 Jahren. Das ganze kann sich natürlich verschieben abhängig davon, in welchem Alter sich die Fähigkeiten in der Regel entwickeln. Manchmal kann es auch sein, dass Magier*innen erst im jungen Erwachsenenalter ausgebildet werden.

Das Alter, in dem die Magie gelernt wird, verändert das Verhältnis, was die Figuren zu Magie haben. Je früher diese gelernt wird, desto selbstverständlicher ist sie für die Figuren und desto stärker verankert wird sie wahrscheinlich auch innerhalb der Welt sein – weil dies dann eben für die meisten gilt. Je später die Wesen in einer Welt Magie lernen, desto länger müssen sie ohne den aktiven Einsatz von Magie leben, was ihre Ansicht von Magie definitiv verändern wird.

Was macht eine abgeschlossene Ausbildung aus?

Nun, wo wir über viele Inhalte geredet haben, stellt sich aber auch die Frage: Was macht eine abgeschlossene magische Ausbildung aus? Oder gibt es überhaupt einen solchen Abschluss? Immerhin kann man auch sagen, dass man sein ganzes Leben lang lernt und vielleicht gilt das für die Magie in eurer Welt umso mehr.

Doch ja, die Frage nach dem Abschluss hat einen praktischen und einen inhaltlichen Aspekt. Bei letzterem kommen wir eben auch wieder auf die eingehende Frage zurück: Was kann ein*e vollausgebildete*r Magier*in? Also was wären Fähigkeiten, die man prinzipiell von so jemand voll ausgebildetem erwarten kann? Lässt sich das innerhalb der Welt verallgemeinern?

Der praktische Teil sollte aber auch nicht vergessen werden: Was bringt es der*m Ausgebildeten, diese Ausbildung abgeschlossen zu haben? Gibt es dadurch neue Karrierechancen? Ist die magische Ausbildung die Voraussetzung für irgendetwas? Gibt es Berufe, die nur so aufgenommen werden können? Und brauchen Berufe irgendwelche Spezialisierungen oder reicht eine allgemeine Ausbildung am Ende?

Fazit

Ich gehe auf diese recht weitläufigen Aspekte ein, weil ich immer wieder sehe, dass vieles davon kaum bedacht wird, wenn Fantasy (und speziell übrigens Urban Fantasy) geschrieben wird. Die meisten entscheiden sich für die eine oder die andere Form der magischen Ausbildung, bedenken aber nicht die Folgen, die dies mit sich bringt für die Welt als Ganzes.

Besonders auffällig ist es beispielsweise auch in Harry Potter, wo das ganze System der Schulbildung einfach nicht durchdacht wurde. Das ist natürlich besonders fatal, weil Harry Potter für so viele Leute der Einstieg in die Fantasy gewesen ist und ihre Vorstellungen geprägt hat, so dass sich dieser Fehler aus einer Reihe durch viele anderen anderer Autor*innen fortsetzt.

Entsprechend: Es lohnt sich, sich genauere Gedanken über die magische Ausbildung in euren Welten zu machen. Denn weil Ausbildung nun einmal so prägend für die meisten Menschen ist, macht sich ein schlecht durchdachtes Ausbildungssystem in der gesamten Welt schnell bemerkbar.


Das Beitragsbild stammt von Unsplash.