Mad Max: Fury Road – Einleitung

Vor einer Weile hatte ich auf Twitter einen längeren Thread zu einem Thema gemacht. Einem Film, um genau zu sein. Mad Max: Fury Road. Und da dieser Thread unglaublich gutes Feedback bekommen hat und mehrfach der Wunsch geäußert wurde, ich solle doch mehr darüberschreiben: Hiermit beginnt eine Weblogreihe zu diesem Film.

Um eine Sache klar zu stellen: Das hier ist der Einleitungsbeitrag. Ja, so etwas mache ich normalerweise nicht, doch halte ich es für sinnvoll in dieser Reihe darüber zu reden, warum ich diese Einträge schreibe. Denn der Grund ist an sich relativ leicht: Ich höre in Deutschland immer wieder eine falsche Aussage, die dem Film großes Unrecht tut. Damit meine ich nicht einmal, dass der Film hier keine Fans hat, sondern wie über den Film gedacht wird: „Das ist ein visuell cooler, aber inhaltsleerer Actionfilm.“

Mad Max: Fury Road ist kein inhaltsleerer Actionfilm

Es ist mir relativ egal, ob ihr diesen Film mögt oder nicht. Ihr müsst ihn nicht mögen. Was mich stört ist die Tatsache, dass so getan wird, als hätte der Film keinen Inhalt und keine Story. Ich habe von mehr als einer Person gehört, dass dieser Film effektiv „Sie fahren in die eine Richtung, dann zurück und dazwischen kämpfen sie ein wenig“ wäre und „praktisch reine Action“. Zwei Dinge, die einfach nicht stimmen. Deswegen will ich diese Reihe schreiben: Um aufzuzeigen, was für inhaltliche Aspekte der Film mit sich bringt.

Ich will hier niemanden davon überzeugen, den Film zu lieben. Wenn ihr ihn nicht mögt, ist das eure Sache. Geschmäcker sind verschieden. Aber respektiert den Film, für die Dinge, die er macht – und das sind einige. Sowohl für das Medium, als auch im Umgang mit dem Thema Gender im Blockbuster-Bereich. Es hat einen Grund, warum dieser Film oscarnominiert war, obwohl die Oscars Genrefilme normalerweise übergehen.

Kein perfekter Film

Um eine Sache vorweg zu nehmen: Ich will nicht behaupten, dass der Film perfekt ist. Es ist sehr auffällig, dass der Film „rein weiß“ ist. Bis auf ein paar Figuren im Hintergrund an der Zitadelle ist der Film ausschließlich mit weißen Schauspielern besetzt, was man definitiv kritisieren kann und sollte. Man kann zwar ein Argument dafür machen, dass es mit Joe Faschismus (ein Thema für einen Beitrag) zu tun hat, doch kritisieren kann und sollte man es dennoch.

Ebenso kann man auch kritisieren, dass der Film „gesunde Körper“ mit „guter Moral“ und „kranke Körper“ mit „schlechter Moral“ gleichsetzt. Es ist sogar ein recht auffälliges visuelles Mittel. Alle Leute auf Joes Seite sind krank und/oder körperlich behindert, während Furiosa, die Frauen und Max allesamt hübsch, gesund und uneingeschränkt sind. Natürlich ist das eine visuelle Metapher und als solche nicht neu, aber das schützt es vor Kritik nicht, da es weiterhin Stereotypen unterstützt.

Kein Script

Das aus dem Weg möchte ich noch auf eine Sache eingehen, die tatsächlich gerne genutzt wird, um zu untermauern, dass der Film keinen Inhalt hätte: Es gab kein Script. Und tatsächlich: Mad Max: Fury Road hatte als Film kein Drehbuch, wie es eigentlich üblich wäre. Stattdessen ist der Film direkt in die Storyboard-Phase gegangen, die dafür deutlich länger gedauert hat, als üblich.

Zur Erklärung: Was ein Drehbuch ist, wissen die meisten, denke ich. Storyboards sind derweil Skizzen von Mainframes des Films. Wie soll der Film später aussehen? Normal reine Line-Skizzen, deren Detailgrad von Künstler zu Künstler unterschiedlich ist (es gibt Leute, die skizzieren Strichmännchen mit Emoji-Gesichtern). Normalerweise werden diese Storyboards von speziellen Künstlern gezeichnet – anhand des Drehbuchs – oft mit Input vom Regisseur. Wie stark sie später eingehalten werden, kommt auch auf den Regisseur und die Art des Films an. Für gewöhnlich sind Animationsfilme stärker vom Storyboard beeinflusst, als Realfilme, bspw. weil sich bestimmte Einstellungen real dann doch nicht so umsetzen lassen, wie beim Storyboard gedacht.

Daher, dass Mad Max: Fury Road komplett als Storyboard entstanden ist, hat der Film enorm detaillierte Storyboards, die beinahe schon als Schwarz-Weiß-Comic durchgehen könnten. Ein paar davon findet ihr bspw. hier oder in diesem Video. Im Storyboard wurde im Verlauf der Entwicklung dann auch bereits Dialog annotiert.

Visuelles Storytelling

Allerdings ist die Tatsache, dass der Film direkt als Storyboard gezeichnet wurde, kein Beweis dafür, dass er inhaltsleer ist. Im Gegenteil. Viele, die das hier lesen, sollten den Spruch „Show, don’t tell“ kennen. Zeige, erzähle nicht. Und oh Wunder, auch wenn wir Autoren ihn uns gegenseitig gerne an den Kopf werfen: Er kommt ursprünglich aus der Filmindustrie. Und genau diesen Spruch hat sich Mad Max: Fury Road zu Herzen genommen.

Die Entwicklung als Storyboard hat vor allem den Grund, dass man einen Film machen wollte, der seine Geschichte visuell erzählt. Durch die Umgebung, durch die Schauspieler, durch Gegenstände, durch Kameraeinstellungen. Diese Dinge erzählen hier die Geschichte – nicht der spärliche Dialog.

Generell passiert die Handlung des Films auf drei Narrativen Ebenen: Der reinen Erzählebene, in der die Haupthandlung des Films stattfindet. Das ist die Ebene, in der Tatsächlich vorrangig Fahrzeuge von A nach B und zurück nach A gefahren werden. Dann haben wir eben die visuelle und implizite Handlungsebene, in der extrem viel Weltenbau, aber auch Ausarbeitung der Charaktere stattfindet und mit der ich mich in den ersten Einträgen vorrangig beschäftigen werde. Und zuletzt die Metaebene, in der man politische und philosophische Kommentare findet.

Genau das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe, warum diverse Leute meinen, dass dieser Film keinen Inhalt hätte. Denn selbst Arthousefilme (böse Zungen könnten behaupten: Vor allem Arthousefilme) haben für gewöhnlich diverse Expositionsmomente, in denen wichtige Punkte erklärt werden. Notfalls via Voiceover. Oder vermitteln ihre Informationen mit so deutlichen visuellen Aspekten, dass man es schwer missinterpretieren kann. Anders gesagt: Wir sind kaum gewohnt Filme mit subtiler visueller Sprache zu sehen – vor allem, wenn der Film in anderen Bereichen so unglaublich bombastisch daherkommt. Dennoch: Die Aussage „der Film hat keinen Inhalt“ tut dem Film und dem Medium generell ziemlich Unrecht.

Inhalt der Reihe

Daher, dass ich mehrere Einträge schreiben werde, möchte ich an dieser Stelle kurz eine Übersicht über Themen, die einen eigenen Eintrag bekommen werden. Ich werde dabei regelmäßig auf Twitter Abstimmen lassen, welcher Eintrag als nächstes kommt.

  • Furiosa & die Frauen: Wie der Film mit Weiblichkeit, Frauenrollen und dem Thema sexuelle Gewalt umgeht. (Erster Eintrag, nach Abstimmung.)
  • Immortan Joe & sein Kult: Was der Film über Männer, Industrie und speziell toxische Männlichkeit sagt.
  • Max & Nux: Die Antithese zu Joe.
  • Max & Furiosa: Wie Kontraste zwischen den beiden genutzt werden.
  • Die Vouvalini: Was der Film über Generationen aussagt.
  • Weltenbau: Wie der Film visuellen Weltenbau betreibt.
  • Die Zitadelle: Unterthema vom Weltenbau, das jedoch einen eigenen Beitrag verdient
  • Planting & Payoff: Eine narrative Technik, die der Film massenhaft nutzt.
  • Die Wagen: Was die ganzen Fahrzeuge über die dazugehörigen Charaktere aussagen
  • Visuelle Metaphern: Visuelle Symbolik und Metaphern, die sich durch den Film ziehen

Die Einträge werden sich, um das vorher klar zu machen, größtenteils chronologisch durch den Film arbeiten, bestimmte Szenen, verwendete Stilmittel und ihre Bedeutung hervorheben. Enden werden sie allerdings mit Klartext zum etwaigen Thema und ein paar Informationen dazu, warum bestimmte Entscheidungen von George Miller und seiner Crew getroffen wurden.  

Allgemeine Vorwarnung übrigens: Dank deutschem Copyright Recht ist es ein wenig kompliziert, Screenshots zu verwenden, weshalb ich darauf verzichten muss. Ich werde dafür an vielen Stellen Clips auf YouTube verlinken, damit auch diejenigen, die den Film nicht auswendig kennen, nachvollziehen können, worüber ich rede.

Insofern: Viel Spaß mit der Reihe.

Das Beitragsbild ist von mir selbst aufgenommen. Die dargestellten Seiten sind aus dem wunderbaren Artbook zum Film: The Art of Mad Max: Fury Road.