Gewalt in Fantasy – Teil 5: Ideen für Geschichten ohne Gewalt
Im letzten Teil dieser Reihe möchte ich über mögliche Fantastik-Plots sprechen, die wenig oder gar keine physische Gewalt oder zumindest keine physische Gewalt zwischen menschlichen Wesen verlangt, um Spannung aufzubauen. Wie auch in den anderen Beiträgen gesagt: Es geht nicht darum, gar keine Action mehr zu schreiben, sondern nur um Abwechselungen.
Wie schon im ersten Beitrag gesagt: Ein wichtiger Faktor, warum Gewalt so allgegenwärtig in den Medien ist, ist wohl, wie einfach es ist einen Konflikt um Gewalt herum aufzubauen und dem Konsumenten verständlich zu machen. Gewalt bringt „Stakes“ ein, Einsätze, Gefahren für die Charaktere. Sie macht es leicht zu vermitteln, was auf dem Spiel steht: Das Leben des Heldens. Seine körperliche Unversehrtheit. Dass ein Schnitt, ein Schlag, ein Schuss schmerzt ist praktisch selbstverständlich. Solange der Konsument irgendeine Verbindung mit den Protagonisten aufbauen kann, wird er wollen, dass dieser nicht leidet und idealerweise auch nicht stirbt. Aber es ist nicht die einzige Art.
Stakes können alle möglichen Formen annehmen. Sie müssen eine „Gefahr“ sein, etwas, dass aus Sicht des Protagonisten und aus Sicht des Lesers nicht wünschenswert wäre, etwas, dass vermieden werden soll. Doch wie physisch dies ausfallen muss, ist nicht gesagt. Immerhin schaffen es auch diverse Geschichten abseits des Action-Genre Spannung aufzubauen. In Romanzen steht eben die Beziehung auf dem Spiel. In anderen Geschichten vielleicht ein Job, ein Studium, eine Freundschaft oder eine Gesundheit, die einfach durch Krankheit gefährdet ist.
Auch der Konflikt, der durch die Story erforscht und idealerweise am Ende geklärt wird, muss nicht immer auf der physischen Ebene geschehen, sondern kann ideeller Natur sein.
Magischer Tierforscher
Die größte Enttäuschung, die in den „Fantastic Beasts“ Filmen für mich kam, war die Tatsache, dass die Filme bereits im zweiten Teil, wenn nicht sogar im letzten Akt des ersten Teils aufgaben, von fantastischen Tierwesen zu handeln und stattdessen zu einem weiteren generischen Action-Plot gegen einen generischen Bösewicht, der wie so viele generische Bösewichte letzten Endes ein magischer Pseudo-Hitler sein soll.
Die Grundidee, die der erste Film mit Newt reinbringt, halte ich allerdings für interessant und hätte sie absolut gerne vollkommen ausgearbeitet gesehen. Vielleicht nicht unbedingt gleich mit fünf Filmen, doch zwei, drei? Warum nicht. Gemeint ist ein magischer Tierforscher, der halt kleine Abenteuer erlebt, während er versucht magische Tiere zu erforschen, ihren natürlichen Lebensraum zu beschützen oder dergleichen.
Spannung könnte hier aus verschiedenen Aspekten kommen. Eine mögliche Quelle könnte einfach der Konflikt „Mensch gegen Umwelt“ sein. Der magische Tierforscher kann ein einfaches Abenteuer in der Natur haben, verletzt werden, muss Hilfe für sich finden, bevor er verblutet. Genau so kann ein Tier verletzt sein und er muss versuchen eine magische Pflanze zu finden, ihm zu helfen. Oder vielleicht hat er ein verletztes Tierjunge, das er zu seiner Familie zurückbringen wird? Möglichkeiten gibt es hier sicher viele.
Magisches Schulleben
Wo wir schon bei Harry Potter sind, hier ein kleines Geheimnis: Selbst als ich Harry Potter noch mochte war ich tatsächlich oft weniger ein Fan der Voldemort-Klamotten. Ich mochte Band 3 immer am liebsten. Nicht wegen Sirius oder dergleichen, sondern weil in dem Band am meisten Schulleben beschrieben wurde. Harry konnte an allen Quidditsch-Spielen teilnehmen, hatte die Sorge darum Hogsmeade zu besuchen und hatte vor allem kleine Schul-Abenteuer.
Und während das vielleicht keine gute Formel für ein Buch für Erwachsene wäre, könnte man definitiv auch heute Bücher um einfache Schulgeschichten erstellen. Geschichten, in denen Schüler einfach nur magische Rätsel an einer magischen Schule lösen. Ein paar Bücher der Art gibt es ja und tatsächlich drehen sich nicht alle darum, am Ende des Schuljahrs einen magischen Bösewicht zu besiegen.
Allerdings ehe ich auch ein anderes Potential in Geschichten über die Lehrer. Ich könnte interessante Geschichten über Lehrer sehen, die bspw. versuchen, einen Schüler, der Potential zeigt „böse“ zu werden. Eine der interessantesten HP-Fanfics, die ich gelesen habe, handelte von einem Dumbledore, der versuchte einen von Waisenhaus und Weltkrieg traumatisierten Tom Riddle nicht in den Abgrund rutschen zu lassen. Auch so etwas wäre sicherlich ein interessantes Konzept für eigene Geschichten.
Eine solche Geschichte – also ein Kampf um die Moral/Seele einer Person, die Gefahr läuft auf die „dunkle Seite“ zu fallen – wäre natürlich auch außerhalb des Schulsettings möglich und könnte sicher sehr interessant sein.
Klassisches Mystery
Gerade Urban Fantasy ist immer wieder von Mystery getrieben. Nicht selten sind die Helden Detektive oder nehmen zumindest die Rolle eines Detektivs ein, um etwas aufzuklären . Meist ist dieses „Etwas“ natürlich ein Verbrechen. Nicht selten Mord oder Entführung. Sprich: Ein Verbrechen, dem Gewalt zu Grunde liegt. Und ebenso häufig kommt es am Ende dann doch zu einem Kampf gegen den Verbrecher, der eventuell ein dunkler Magier, ein Dämon, ein böser Vampir oder ähnliches ist.
Allerdings muss das nicht sein. Wer klassische Detektivgeschichten kennt, weiß, dass diese oft ohne jedwede Gewalt stattfinden. Es geht wirklich um das Aufklären eines Geheimnisses, das nicht immer ein Verbrechen sein muss. Vielleicht versucht man ein verstecktes Erbe ausfindig zu machen, vielleicht jemanden, der sich versteckt, ausfindig zu machen. Eventuell geht es auch darum ein Ereignis aus der Vergangenheit aufzuklären.
Und genau das ließe sich auf Fantasy ebenso übertragen. Schatzsuchen, Aufklärung von Erbschaftsfragen, jemanden ausfindig machen … All das lässt sich problemlos auf fantastische Settings – unabhängig davon, was für eine Art fantastisches Setting es denn nun ist – übertragen. Die wichtigste Frage ist dabei nur, was die Stakes und den Hauptkonflikt darstellt. Warum ist es wichtig, das Geheimnis aufzuklären und was steht dabei für den Protagonisten auf dem Spiel? Eventuell ist es ein eigenes Erbe, der Ruf oder auch die finanzielle Situation.
Roadtrip
Kommen wir noch einmal zu klassischen Abenteuern zurück. Oder auch: Sehen wir es, wie es ist: Eigentlich ist Herr der Ringe vor allem ein langer Roadtrip einer kleinen Boyband. Mit ein paar Schlachten dazwischen. Tatsächlich lässt sich das über erstaunlich viele High Fantasy Geschichten sagen. Das Genre ist deutlich von Geschichten beherrscht, in denen die Charaktere reisen und diese Reise im besten Campbell-Stil auch ihre charakterliche Entwicklung repräsentiert.
Roadtrip-Geschichten in realen Setting handeln meistens von Charakteren, die eigentlich reisen, weil sie ein bestimmtes Ziel erreichen wollen – oder weil sie vor etwas fliehen. Nicht selten verändern die Ereignisse auf ihrer Reise ihre Perspektive. Manchmal stellt sich heraus, dass der Weg das Ziel war, oder dass das, was man in der Ferne gesucht hat, eigentlich daheim war. Auch die Perspektive über etwaige Mitreisende verändert sich gerne und die Charaktere überdenken ihre gesamte Weltsicht.
Wie gesagt, viele Fantasy-Geschichten folgen vom Prinzip schon diese Formel, die an sich keine Kämpfe braucht sondern im normalen Genre oftmals rein von Charakterdynamiken und zwischenmenschlichem Drama lebt. Ich finde es übrigens seltsam, wie wenig von dem Genre man in Urban Fantasy findet. Eine magische Reise durch das Land? Wäre doch interessant!
Diplomatie
Zu guter Letzt möchte ich noch ganz kurz die Art Story anmerken, die vielen, die ich zum Thema befragt habe, als erstes einfallen ist: Diplomatie. Diplomatische Geschichten, politische Geschichten. Sie brauchen nicht immer Morde und Kriege und können zudem sehr interessant in Sachen Worldbuilding sein!
Und damit beende ich diese kleine Reihe. Sicher habe ich hier im Beitrag noch einige Themen ausgelassen, die ebenso möglich wären. Fällt euch noch etwas ein?
Beitragsbild aufgenommen von Markus Harting, geteilt über WikiCommons unter der CC4.0 Lizenz