Gewalt in Fantasy – Teil 1: Einleitung
Eros und Thanatos, darüber theoretisierte der gute alte Freud. Lebenstrieb und Todestrieb. Eros unter anderem auch der Trieb zur Vermehrung und Thanatos als Trieb, Dinge zu zerstören. Darauf führte Freud einige Dinge zurück. Von Zwangshandlungen hin zu Kriegen. Selbst wenn der gute Freud selbst zugab, dass das alles ein wenig hergeholt sei.
Man kann über Freud denken, was man will. Einige zynischen Zungen sagen, dass er nicht selten von sich auf andere geschlossen hat, aber nichts desto trotz hat man den Eindruck, dass zumindest die Medien, die wir konsumieren und auch schaffen oftmals diese beiden Triebe in ihrer oberflächlichsten Form gerne verwenden. Eros, aka „Sex sells“, und „Thanatos“, aka „Schlage das Problem so lange, bis es kein Problem mehr ist“.
Und das bringt mich zum Thema dieses Blogeintrags oder eher dieses Eintrags und der folgenden, die unter anderem durch den Themenmonat September des Nornennetzwerks inspiriert ist, als sie sich dort mit dem Thema „Gewalt in Fantasy“ auseinandersetzten. Und das ist ein Thema, über das oftmals nachgedacht habe, nicht nur im Rahmen der Fantasy, sondern allgemein im Rahmen der modernen Geschichtenerzählung und wie Gewalt als Plotelement viele Tropes beeinflusst hat. Oftmals, so würde ich behaupten, nicht zum guten.
Vorweg: Ich mag Action
Um einigen Kommentaren vorzubeugen, vielleicht ein kleiner Disclaimer vorweg: Ich mag Action. Ich mag auch stilisierte Gewalt. Ich finde es teilweise nicht gut, dass ich sie mag, aber ich würde lügen, würde ich sagen, dass nicht die meisten Filme und Serien, die ich konsumiere, genau solche Gewalt beinhalten und ich auch über solche Gewalt schreibe.
Auch Videospiele, die ich spiele, sind Actionlastig. Ich spiele gerne Hack’n Slash und Third-Person-Shooter, teilweise sogar FPS. Anders gesagt: Ja, ich kann es absolut genießen.
Doch nicht so schnell. Alles was ich sagen will: Ich mag Action. Ich lese, schaue und schreibe gerne Kampfszenen. Ich verstehe absolut, dass es Spaß macht und fasziniert. Ich möchte mich dennoch damit auseinandersetzen, ob es wirklich immer die beste und vor allem immer die einzige Lösung sein muss. Und auch, inwieweit wir Autoren es uns oftmals damit ein wenig zu leicht machen.
Mainstream und Gewalt gehören zusammen
Wenn wir uns nun anschauen, was aktuell an Mainstreamfilmen im Kino läuft, dann lässt sich leicht feststellen, dass sich diese effektiv nicht von Gewalt trennen lassen. Der einzige Unterschied ist die Form, die diese Gewalt annimmt. Superheldenfilme zeigen vor allem Leute, die richtig effizient darin sind, Leute zu hauen. Fantasyfilme zeigen oftmals Szenarien, bei denen eine Menge Leute, eine Menge anderer Leute mit Schwertern hauen. SciFi Filme zeigt meist Leute, in denen man das Hauen für das Schießen aufgegeben hat und dasselbe lässt sich auch für andere Filme sagen. Und dann gibt es noch die Fast and Furious Filme, die vor allem davon handeln, wie man möglichst effektiv Autos fährt – und kaputt fährt. Und dabei Leute haut und auf sie schießt. (Und ich liebe die Filme!)
Auch wenn wir uns Fantasyliteratur ansehen und die Autoren, die diese schreiben stellt man fest, dass die Frage selten ist: „Schreibst du Kampfszenen?“, sondern „Magst du es, Kampfszenen zu schreiben?“. Die Frage, ob ein Buch Kämpfe in irgendeiner Form beinhaltet, kommt bei SciFi und Fantasy selten auf. Allerhöchstens wird es umgangen, indem man einen Protagonisten hat, der selbst an den Kampfhandlungen nicht beteiligt ist. Aber Kämpfe finden meistens statt.
„Okay“, höre ich euch jetzt tippen, „aber du sagst ja selbst, dass Action Spaß macht. Was ist daran so falsch? Worauf willst du eigentlich hinaus?“ Und die Sache worauf ich hinauswill, ist eigentlich recht leicht erklärt: Gewalt, wie in der Fiktion gezeigt, ist oftmals zu einfach. Es ist leicht, den Konflikt zu zeigen, wenn man Gewalt verwendet, es ist leicht Drama aufzubauen, es ist leicht, der Handlung Stakes (also Einsätze/Gefahren der Charaktere) zu geben und diese zu vermitteln und es ist meistens erstaunlich leicht, die Konflikte am Ende zu lösen.
Das ist der Grund, warum ich selbst gerne Action konsumiere. Es ist unkompliziert. Aber eben nur, solange man darüber nicht nachdenkt. Und dafür diese kleine Blogreihe: Wo es sich die Fiktion mit Gewalt oftmals zu einfach macht.
Was Gewalt einfach macht
Schauen wir uns für diesen Beitrag noch einmal genauer an, was Gewalt als Mittel in Handlungen so einfach macht, ehe ich mich in den nächsten Beiträgen ein paar spezielleren Themen aus dem Kontext widmen werde.
Erst einmal das einfachste: Der Bösewicht. Gewalt wird in den meisten Filmen und Büchern dafür verwendet zu etablieren, was den Bösewicht denn eigentlich so böse macht. Er tötet Leute. Er misshandelt Leute. Er versklavt Leute. Er foltert Leute. Was für Leute? Halt Leute, die nicht tun was er will? Was will er? Eigentlich egal. Er ist halt böse, da er Gewalt anwendet, um diese Ziele zu erreichen.
Nun ist das etwas, das durchaus ein interessanter Punkt sein kann. Ein Bösewicht, der Gewalt anwendet, um ein Ziel zu erreichen. Daraus kann man eine interessante Handlung machen, wenn man darauf eingeht, warum der Bösewicht Gewalt als sein Mittel zum Zweck verwendet hat und warum die Helden, die sehr wahrscheinlich dennoch Gewalt verwenden werden, darüber mit ihm in Konflikt geraten. Black Panther ist dahingehend beispielsweise interessant. Killmonger wird dort nicht durch sein Ziel böse, sondern durch seine Methoden. Er will die Unterdrückung von Schwarzen umkehren, indem er alle anderen mit der Waffengewalt und technischen Übermacht Wakandas unterdrückt. Derweil lernt T’Challa einzusehen, dass sein eigentliches Ziel, gegen Rassismus vorzugehen ein durchaus lohnenswertes ist.
Oftmals aber wird das Thema nicht so genau definiert. Warum will Sauron gewaltsam Mittelerde erorbern? Was genau macht das Imperium in Star Wars eigentlich so böse? Oder die Feuernation? Ja, klar, die benutzen Gewalt und wollen Macht, aber warum? Was für eine Politik steht dahinter? Es werden gerne vage Anlehnungen an Nazi-Deutschland verwendet … Aber dennoch merkt man selten, was es jetzt eigentlich mit dem „bösen Imperium“ auf sich hat, wie die Struktur ist und was die Ziele sind außer „Macht“. Böse werden sie vor allem durch ihren Einsatz von Gewalt.
Dadurch ist auch der Konflikt relativ leicht zu definieren und die Motivation der Charaktere. Bonuspunkte dafür, noch eine dramatische Vergangenheit daraus zu bauen. Immerhin ist Gewalt durch Krieg dahingehend einfach. Ja, es wurden alle getötet, ja, der Protagonist hat selbst Leute verloren und unter der eisenernen Hand des Imperiums gelitten, ja, deswegen hat er Beef mit dem Imperium. Na ja, oder er ist einfach der Auserwählte, der laut einer Prophezeiung den Bösewicht besiegen soll.
Gleichzeitig bietet Gewalt auch ein einfaches Mittel, dem Charakter einen traurigen Hintergrund zu geben. Er ist Opfer von Gewalt geworden. Meist physischer Gewalt, da diese eben einfacher ist, als psychologische Gewalt.
Auch ist es einfach zu vermitteln, was auf dem Spiel steht, wenn Gewalt der treibende Faktor in einer Geschichte ist: Ein Charakter (Hauptcharakter oder jemand anderes) bekommt Gewalt angetan, stirbt vielleicht sogar. Ein ganze Gruppe von Figuren wird potentiell das Opfer von Gewalt. Die Welt wird zerstört. Alle werden getötet. Diverse Leute (und mit divers ist meistens eine sehr undiverse Masse weißer humanoider Figuren gemeint) müssen leiden. Da steht etwas auf dem Spiel, was leicht zu erklären ist, was leicht zu verstehen ist und womit man wunderbar Spannung aufbauen kann.
Aber eben auch die Lösung der Probleme ist oft nicht sehr schwer. Die oft einfachste Methode ist, dass der Held (oder jemand anderen) auf direktem oder indirekten Weg den großen Bösen tötet oder zumindest in einem Kampf besiegt, daraufhin gefangennimmt, woraufhin das Imperium des bösen einfach in sich zusammenbricht. Jedenfalls, bis das nächste Sequel kommt.
Ja, ich weiß, dass auf jeden Fall an der Stelle viele Leute sehen, worauf ich hinaus will. Aber darauf komme ich in den folgenden Einträgen zu sprechen.
Das Beitragsbild ist das Kunstwerk Battle of Ménfő and the murder of Samuel aus dem 14. Jh und steht unter Public Domain