Kurzgeschichte: Ungesehen

Ein neuer Monat und damit eine neue Kurzgeschichte, die als Geburtstaggeschenk dient. Und zwar dieses Mal eine Kurzgeschichte für Ingrid, der Verlegerin des Verlags ohneohren. Auch dieser Verlag macht eine Menge Arbeit für die progressive Phantastik mit seinem wunderbaren Programm! Und wie von Ingrid gewünscht gibt es eine Gruselgeschichte mit Polyamorie.

Tags: LGBTQ*, Polyamorie, Urlaub, Nordsee, Geister

Content Notes: Geister, Stalking, Queerfeindlichkeit (erwähnt)

Ungesehen

Es sollte ihr Sommer werden. Zwei Wochen weg von allem, was sie stören konnte. Weg von Familie, von ihren Job, weg von der Uni, von denen, die ihnen reinreden wollten. Und vor allem: Weg von den vielen, vielen neugierigen, stehts beobachtenden Augen.

Das kleine weiße Haus war für diesen Zweck wirklich perfekt und billig noch dazu. Kein Wunder. Es war nicht mehr das neuste und zwanzig Minuten von jedweder Zivilisation entfernt. Doch genau das machte es perfekt. Hier draußen würde sie niemand sehen, sie niemand beobachten, sie niemand verurteilen, nur weil ihr Lebensstil ein anderer war, als der der ach so erhobenen Mehrheit.

Tinas Herz hämmerte voller Vorfreude, als der Combi den kleinen, sandigen Weg zwischen den Dünen entlangrollte. Sie hatte sich so auf diesen Urlaub gefreut. Sie alle vier zusammen. Sie, Gabrielle, Thomas und Sasha. Nur sie vier – bevor sie in einigen Monaten ohnehin zu fünft sein würden.

Gabrielles Hand lag auf der ihren und sie tauschten einen Blick.

„Das wird super“, meinte Gabrielle, deren Hand einige Töne dunkler war, als die blasse Haut Tinas.

„Es wird super!“, verkündete Sasha auf dem Beifahrersitz vorne und streckte die Arme soweit empor, wie es der Wagen erlaubte.

Thomas, der darauf bestanden hatte zu fahren, lachte nur.

Dann kamen sie endlich zwischen den Dünen hindurch und sahen es: Ein kleiner Strand, der von der einen Seite von einem Leuchtturm, auf der anderen Seite komplett vom Meer abgeschlossen wurde. Bäume wuchsen vor den Dünen, zu denen das Wasser wohl lang nicht mehr aufgestiegen war. Und zwischen den Bäumen der Weg zum kleinen Haus, das irgendein seltsamer Mensch mitten auf die Düne gebaut hatte.

Zugegebenermaßen kam es Tina nicht als der sicherste Ort vor, ein Haus zu bauen. Sie wollte sich jedoch nicht beschweren, denn für ihre Zwecke war es perfekt.

Thomas hielt den Wagen an und Sasha öffnete sofort die Tür. Sier kämpfte mit dem Anschnallgurt, sprang dann aber auf den weißen, wenngleich dreckigen Sand hinaus. „Wer zuletzt am Wasser ist hat verloren.“

„Hey, jetzt komm doch nicht mit so einem Kinderkram!“, rief Thomas hinterher.

Doch Sasha rannte schon.

Tina und Grabrielle tauschten einen Blick. Dann grinsten sie, schnallten sich ebenfalls ab und sprangen hinaus, um zum Meer zu rennen. Aktuell war Flut, wenngleich das Wasser immer noch gute dreißig Meter von der Düne entfernt war.

Sie rannten durch den Sand, zogen sich dabei mehr schlecht als recht die Schuhe aus und rannten dann ins Wasser.

Tina störte es nicht, dass das Wasser ihre Hosenbeine durchnässte. Sie konnte die Hose ja später trocknen. Womit sie allerdings nicht gerechnet hatte, war Sasha.

„Aufgepasst“, rief dier und sprang sie von hinten an.

Unvorbereitet merkte Tina, wie ihr die Beine wegknickten und sie gemeinsam mit Sasha ins Wasser fiel, so dass das Wasser sich komplett durch ihre Kleidung sog.

„Hey!“, protestierte sie und krabbelte von Sasha weg.

„Was? Bist du aus Zucker?“ Sier lachte und bespritzte sie mit Wasser.

Auch Gabrielle fing an, mit Wasser zu spritzen. Ihrerseits in die Richtung von Sasha gewendet. „Du bist so ein Kindskopf.“ Sie lachte.

„Selbst Kindskopf!“

Tina lachte, ging jedoch auf Abstand. Dabei machte es eigentlich keinen Unterschied. Sie war schon komplett durchnässt. Im nächsten Augenblick schrie sie auf.

Sofort wandten sich die Köpfe der anderen beiden ihr zu. „Was ist los?“, fragte Gabrielle.

Tina ging zur Seite und zog instinktiv ihren linken Fuß nach oben. „Ich weiß nicht. Da war irgendwas. Irgendwas seltsames, kaltes.“

„Vielleicht bist du auf eine Qualle oder so getreten“, bot Sasha an.

Tina schaute zum Wasser zu ihren Füßen, doch keine Chance. Es war zu trüb um erkennen zu können, was es gewesen war.

„Hey ihr Kindköpfe!“, rief Thomas vom Ufer her. „Wie wäre es, wenn wir erst einmal den Wagen ausräumen und dann erst ins Meer gehen?“

Im Haus hatte sich die Luft über die Monate, in denen es wohl nicht benutzt worden war, angestaut. Es roch abgestanden, weshalb sie alle Fenster aufrissen, als sie hineinkamen.

Das Häuschen hatte neben dem Erdgeschoss noch eine obere Etage. Die zwei Schlafzimmer waren beide oben gelegen – eins an der Vorderseite, eins an der Hinterseite. Natürlich gab es kein Bett, das großgenug für vier Personen gewesen wäre. Stattdessen gab es ein Doppelbett und zwei Einzelbetten, zusätzlich noch ein Schlafsofa unten im Erdgeschoss.

Es war auf dieses Schlafsofa, auf das sich Tina und Sasha in der Nacht legten. Es ging irgendwie gegen das Ziel des Sommers, sich in Einzelbetten zu legen. Nachdem sie ihre Sachen den schmalen Pfad zum Haus hinaufgebracht hatten, waren sie noch ausgiebig im Meer tollen gewesen. Irgendwann hatte Thomas beschlossen, dass er Einkaufen gehen würde. Tina hatte ihn begleitet, um Gabrielle davon abzuhalten.

Seit er wusste, dass er Vater werden würde, hatte er eine seltsam verantwortungsvolle Ader entwickelt.

Alles in allem war der Tag anstrengend und voller Geschufte gewesen. So war es wohl kaum verwunderlich, dass Sasha bereits selig schlief, obwohl es gerade einmal elf war.

Tina allerdings tat sich mit dem Schlafen nicht so leicht. Ihr war zu heiß und das alte Schlafsofa war furchtbar durchgelegen und knarzte jedes Mal, wenn sie sich von einer Seite auf die andere drehte.

Sie seufzte leise und starrte an die Decke.

Durch die offenen Fenster konnte sie das Meer rauschen hören.

Hier oben im Norden war es um diese Uhrzeit sogar noch dämmerig. Noch ein Grund mehr, warum sie nicht ordentlich einschlafen konnte.

„Ach, verdammt“, murmelte sie und schlug ihre Decke bei Seite.

Gerne hätte sie sich noch etwas an Sasha gekuschelt, doch wäre dies nur noch wärmer. So besann sie sich darauf einfach breitbeinig und ohne decke auf dem Sofa zu liegen. Sie schloss die Augen und versuchte in den Schlaf zu finden, aber irgendwie wollte der Schlaf nicht kommen.

Das konnte doch nicht wahr sein!

Dabei sollte es so nahe am Meer gar nicht so warm sein. Es war einfach nur die abgestandene Luft.

Für mehrere Minuten lag sie einfach so da, dann aber hielt es nicht mehr aus. Vielleicht sollte sie einfach noch mal ins Bad uns sich kalt abduschen. Vielleicht würde das helfen.

Leise und bemüht darum Sasha nicht aufzuwecken, stand sie auf und ging in das Badezimmer, das sich in der oberen Etage befand. Sie nahm sich ihr Handtuch, das mit den drei anderen über der Toilette hing, und stellte das kalte Wasser an.

Sie musste sich beherrschen nicht zu quietschen, als sie unter den eisigen Strahlt trat, doch nach einigen Sekunden wurde es angenehm.

So stand sie da für ein paar Minuten, ehe sie das Gefühl hatte, dass es besser ging. Sie seufzte erleichtert und trocknete sich ab. Wieder in ihre übliche Nachtmode – T-Shirt und Unterhose – bekleidet, schlich sie die Treppe herunter.

Das Wohnzimmer war nicht wirklich von der Küche abgetrennt, die auf der anderen Seite der Eingangstür lag. So ging sie noch einmal in diese, nahm ein verstaubtes Glas aus dem Schrank und ließ sich etwas Wasser einlaufen. Es war als sie das Wasser an ihre Lippen setzte, dass ihr Blick aus dem Fenster zum Strand hinabfiel.

Sie blinzelte. Bildete sie sich das ein? Es sah im Dämmerlicht so aus, als würde eine Gestalt in den Wellen stehen und sie anschauen. Ja, die Gestalt sah zu dem kleinen Haus hinauf.

Aber das konnte nicht sein. Hier draußen konnte niemand sein.

Tina schloss die Augen und schaute noch einmal hin. Es sah wirklich so aus.

Wurde sie verrückt?

Sie ging zum Sofa hinüber und rüttelte an Sashas Schulter. „Sash. Sash“, flüsterte sie eindringlich, bis Sasha siene Augen aufschlug.

„Was? Was ist?“

„Kannst du mal aus dem Fenster schauen und mir sagen, was du da siehst?“

Verwirrung zeichnete sich in Sashas Blick ab, doch sier wiedersprach nicht. Stattdessen richtete sier sich auf und schlug den Vorhang, der direkt über dem Kopfende des Schlafsofas hinabhing, zur Seite. Für ein, zwei Sekunden schaute sier einfach zum Strand hinab. Dann runzelte sier die Stirn. „Ich sehe den Strand. Und das Meer.“

„Und sonst?“

„Unseren Wagen.“

„Sonst nichts?“

„Na ja, ein paar Bäume. Und den Leuchtturm.“ Sasha wandte sienen Blick ihr zu. „Was sollte ich denn sehen?“

Tina schüttelte den Kopf. „Ich … Ich dachte nur, ich hätte jemanden unten am Strand gesehen.“

Noch einmal blickte Sasha aus dem Fenster. „Ich sehe niemanden. Wirklich nicht, Süße.“

Sie konnte sich nicht helfen, schlug den Vorhang noch weiter zur Seite und schaute hinaus. Tatsächlich war da niemand. Nichts. Nur das Meer.

Leise seufzte sie. „Wahrscheinlich war es einfach eine optische Täuschung.“

„Wahrscheinlich.“ Sasha ließ sich wieder ins Bett sinken. „Komm. Leg dich hin. Versuch zu schlafen.“

Tina zog den Vorhang wieder zu. „Ja. Ja, das sollte ich wohl tun.“ Sie schloss die Augen. Wahrscheinlich hatte sie sich das alles nur eingebildet.

Zugegebenermaßen ging der Vorfall mit Tina in der ersten Nacht Sasha nicht aus dem Kopf. Es konnte nicht sein, dass da irgendjemand am Strand gewesen war, oder? Immerhin war das hier soweit ab vom Schuss, dass kaum jemand für spätabendliche Schwimmstunden hinauskommen würde. Da gab es Strände weit näher an der nächsten kleinen Stadt.

Wahrscheinlich hatte Tina es sich nur eingebildet oder irgendetwas hatte sich im Glas gespiegelt.

Dennoch machte sich ein unwohles Gefühl in Sashas Magen  breit, wann auch immer sier daran dachte. Sie waren soweit raus gefahren, um Ruhe zu haben. Ruhe vor anderen Menschen. Da wäre nichts nerviger als irgendwelche Leute, die rauskamen, um sonst etwas an diesem Strand zu machen.

Doch der nächste Tag verging ohne irgendeinen Vorfall. Sie waren hier draußen allein. Sie gingen morgens ins Wasser, lagen Mittags am Strand und verzogen sich ins Haus zurück, als die nachmittägliche Hitze zu drückend wurde. Am Abend ging Sasha noch einmal mit Thomas schwimmen. All das, ohne dass sie hier draußen Besuch bekamen.

Am Tag darauf fuhr sier mit Thomas zusammen in die Stadt, um Fleisch, Fleischersatz, frisches Gemüse und Grillkohle zu kaufen. Sie hatten in dem kleinen Haus einen Grill gefunden – und dieser Grill wollte einfach genutzt werden.

So stand am Nachmittag ihres dritten Tages am Haus Thomas zusammen mit Tina am Grill, während sier und Gabrielle einen Wasserball aufgeblasen hatten und hin und her pritschten.

Man merkte Gabrielle an, dass sie während der Schulzeit Volleyball gespielt hatte. Sie schaffte es einige Wucht hinter den leichten Ball zu packen, so dass Sasha beständig von einer Seite zur anderen springen musste, um ihn irgendwie in ihre Richtung zurück zu schlagen.

Schon musste sier wieder rennen, um den Ball zu erreichen. Er würde auf den Boden kommen.

Doch so leicht gab Sasha nicht auf. Mit einem gewaltigen Sprung landete sier bäuchlings im Sand und versuchte den Ball mit der Faust zu treffen. Technisch gesehen funktionierte es auch, praktisch gesehen flog der Ball jedoch in Richtung Meer und wurde von den Wellen erfasst.

Gabrielle lachte. „Guter Versuch. Aber den Ball holst du jetzt.“

„Zu Befehl, Madame“, murrte Sasha und kämpfte sich wieder auf die Beine. Sier schlug den Sand von sierer Brust ab, ehe sier losrannte und sich in die Fluten stürzte.

Der Ball wurde von der Strömung immer weiter vom Strand weggetragen, so dass Sasha sich beeilen musste. Sier fing an zu paddeln, holte zum Ball auf und griff ihn sich, als sier innehielt.

Da hinten war ein Kopf, der aus dem Wasser herausragte. Sier konnte keine Details ausmachen, doch es sah eindeutig aus wie ein Kopf. Und er sah sien an.

Ein kalter Schauer lief über sienen Rücken, doch sier überwand sich. „Hallo!“, rief er und winkte der fremden Person zu.

Diese starrte nur zurück, ehe ihr Kopf auf einmal unter den Fluten verschwand.

Sasha starrte auf die Stelle, an der der Kopf verschwunden war. Hatte sier sich das nur eingebildet? Sier musste es sich eingebildet haben, oder?

Noch wartete sier darauf, dass der Kopf wieder auftauchte, doch nichts dergleichen geschah.

„Hey, Sash!“, rief Gabrielle vom Strand aus hinüber. „Worauf wartest du?“

Widerwillig wandte Sasha sich von der Stelle ab. Entweder sier hatte es sich eingebildet oder sier hatte gerade eine Meerjungfrau gesehen. Besser sier behielt es für sich.

So nahm sier den Ball und schwamm zum Strand zurück.

„Alles in Ordnung?“, fragte Gabrielle, als sier dem Wasser entstiegt. „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“

Sasha schüttelte den Kopf. „Ich habe mir nur was eingebildet“, murmelte sier. Dann holte sier tief Luft. „Lass uns mal nach den anderen Sehen. Ich habe echt Hunger.“

Prüfend musterte Gabrielle sien. „Klar. Können wir machen.“ Aus ihrer Stimme wurde klar, dass sie wusste, dass sier etwas verbarg.

Es war am vierten Tag, als das Wetter sie verriet. Sie wachten bereits zu einem bedeckten Himmel auf und bereits gegen Mittag begann es zu regnen. Erst waren es nur einige kurze Regenschauer, doch am späten Nachmittag kam schließlich Wind auf und gegen acht Uhr rollte aus der Ferne auch ein tiefes Donnern zu ihnen hinüber.

Das Licht des Leuchtturms schnitt lange gleißende Schneisen durch den Regenfall, während der Wind gegen das kleine Häuschen wütete.

Gabrielle hatte an diesem Abend zusammen mit Sasha gekocht. Es hatte einen Gemüseauflauf gegeben, komplett vegetarisch. Die letzten Reste davon standen jetzt noch auf dem Wohnzimmertisch, den sie beinahe bis zum alten Röhrenfernseher vorgeschoben hatten.

Eigentlich hatte Thomas auf einen moderneren Fernseher gehofft. Einen, den er mit HDMI-Kabel mit seinem Laptop verbinden konnte. So waren sie am Ende darauf angewiesen zu schauen, was das übliche Fernsehprogramm zu bieten hatte. Sie hatten sich am Ende für einen alten Western-Film entschieden, der irgendwo wiederholt wurden, nur um Sasha dabei zuzuhören, wie sier sämtliche Klischees des Films ausgiebig kommentierte.

Sie hatten es sich allesamt auf dem ausgeklappten Schlafsofa bequem gemacht. Thomas hatte Gabrielle im Arm, während Sasha queer über seinen und Tinas Schoß lag.

Ein tiefer Donner rollte über das Meer. Kurz darauf zuckte ein Blitz über den Himmel und wurde vom Glas des Fernsehers reflektiert.

„Ich hoffe nur, das Haus hält diesen Sturm aus“, murmelte Gabrielle während einer Werbeunterbrechung.

„Ach, das wird schon halten. Es steht ja schon eine Weile hier“, erwiderte Tina.

Das Holz des Hauses Knarzte unter einer besonders heftigen Windbö, als wollte es an diesen Worten zweifeln.

„Das wäre tragisch“, murmelte Sasha. „Vorzeitiger Abbruch des Urlaubs.“

„Das wird schon nicht passieren.“ Thomas strich durch sien Haar. „Das Haus hält schon.“ Dabei musste selbst er zugeben, dass das Knarzen gruselig klang.

Die Werbepause endete und der Film ging weiter, während der Wind mit dem Lautsprecher um die Wette heulte. Aber am Ende war es nur Wind. Am Ende war es nur ein Unwetter.

Cowboys ritten auf Pferden. Ein Planwagen wurde verfolgt. Unglaublich falsch aussehende Schüsse wurden abgefeuert. Pferde wieherten. Dazwischen irgendwelche indigenen mit Pfeil und Bogen, was Sasha entsprechend kommentierte.

Eigentlich waren Western nicht Thomas‘ Stil. Das war mehr das richtige für seinen Vater.

Hoffentlich würde er nicht so werden, wenn er einmal Vater war.

Sein Blick wanderte zu Gabrielles Bauch, der noch immer so flach, wie immer war. Er drückte ihr einen Kuss ins Haar, was sie dazu brachte, sich enger an ihn zu kuscheln.

Der Film plätscherte vor sich hin, als ein weiterer Blitz über das Meer zuckte. Noch bevor der Donner kam, drückte eine weitere gewaltige Windbö gegen das Haus und die Tür flog auf.

Sie alle zuckten zusammen und sahen sich um.

„Alles gut“, sagte Thomas. „Es ist nur das Wetter. Die Tür war wahrscheinlich nicht richtig zu.“

„Das ist gruselig“, kommentierte Sasha.

„Ja ja.“ Thomas drückte gegen siene Schultern. „Steh mal auf. Ich mache die Tür wieder zu.“

Mühselig richtete Sasha sich auf und Thomas rutschte auf dem Klappbett tiefer, so dass er am Ende aufstehen konnte. Er ging zur Tür, die nur dreißig Zentimeter vom Sofa entfernt war. Der Wind schlug ihm heftig entgegen, ließ Regentropfen gegen sein Gesicht prasseln.

Murrend nahm Thomas die Tür und wollte sie zuschieben, als ein weiterer Blitz über den Himmel zuckte und für einen Moment, ja, für einen Moment glaubte er eine Gestalt da unten am Strand zu sehen. Es war zwischen Regen und der den Wolken geschuldeten frühen Dämmerung schwer genaues zu erkennen, aber ja, es sah nach einer Gestalt aus.

Thomas zögerte. Wer war bei diesem Wetter hier draußen? Das machte keinen Sinn.

Er blinzelte, versuchte mehr zu erkennen. War vielleicht ein Leuchtturmwärter des Unwetters wegen herausgekommen?

„Thomas?“, fragte Sasha und schaute zu ihm hinüber. „Alles okay?“

Thomas biss die Zähne zusammen. Es machte keinen Sinn den anderen Angst einzujagen. Vielleicht hatte er es sich nur eingebildet. Oder es war der Leuchtturmwärter. So oder so. Es gab keinen Grund sich deswegen Gedanken zu machen.

So schob er die Tür zu und drehte den alten Schlüssel im Schloss um. „Alles okay“, murmelte er und wischte sich den Regen aus dem Gesicht. Er setzte sich auf den Rand des Sofas. „Alles okay.“

Auch am nächsten Tag war das Wetter nicht gut. Zwar regnete es nur am Morgen, doch war der ganze Tag düster und windig. Sie ließen sich dennoch nicht davon abhalten, am Nachmittag ins Wasser zu gehen. Warm genug war es ja.

Am Abend allerdings verzogen sie sich wieder auf das Sofa, lagen aneinander gekuschelt da und schauten irgendeine Quizshow im Fernsehen. Es bot genug Möglichkeiten, zusammen ein wenig zu Rätseln.

„Vielleicht sollten wir die Tage mal schauen, ob wir ins Kino fahren, wenn das Wetter so bleibt“, meinte Tina.

„Aber im Kino sind andere Menschen“, warf Sasha ein.

„Du wirst andere Menschen für zwei Stunden im Dunkeln ertragen“, meinte Thomas und wuschelte siem durchs Haar.

„Bin ich mir nicht so sicher.“

Die nächste Frage wurde an den Kandidaten gestellt, ehe die Sendung in die nächste Werbepause ging. Es war an dieser Stelle, dass Gabrielle sich streckte und gähnte. „Leute, ich glaube, ich lege mich schon einmal hin. Ich bin irgendwie müde.“

„Hast du nicht gut geschlafen?“, fragte Sasha.

„Nicht wirklich.“ Gabrielle schwieg für einen Moment. „Ich weiß nicht. Ich fühle mich die ganze Zeit irgendwie bedrückt.“

Tina presste die Lippen zusammen. Sie dachte wieder an die Gestalt, die sie am Strand gesehen hatte. Hier spukte es nicht, oder? Nein, der Gedanke war albern. Es gab keine Geister im echten leben.

„Soll ich mitkommen?“, bot Thomas an.

Gabrielle wandte sich ihm zu. „Du hast auch noch andere Verpflichtungen“, meinte sie mit einem matten Lächeln.

Thomas zögerte. „Okay.“

Da stand sie auf und ging in Richtung der Treppe, hielt dann aber inne. „Gute Nacht.“

„Gute Nacht“, erwiderten sie fast, wie aus einem Mund.

Thomas ließ sich unzufrieden auf dem Sofa zurückfallen, während Gabrielle die knarzende Treppe hinaufging.

„Och, Thommy.“ Sasha streckte sich, um ihn auf die Wange zu küssen. „Ich weiß, du hast gerade deine ‚Ich werde Vater‘-Phase, aber du kannst auch einmal ein wenig Zeit mit mir verbringen.“

Er seufzte schwer, legte aber einen Arm um Sasha. „Ich weiß. Ich weiß.“ Wirklich überzeugt klang er dabei jedoch nicht.

Tina konnte ihn irgendwo verstehen, selbst wenn es schwer war, sich komplett in ihn reinzuversetzen. Immerhin fiel „Vater werden“ bei ihr aus den möglichen Programmpunkten aus. Dennoch konnte sie irgendwo nachvollziehen, dass er verantwortungsvoll und für Gabrielle da sein wollte. Letzten Endes wollte sie das ja auch.

„Komm. Lass mich dich ablenken“, flüsterte Sasha, richtete sich ganz auf und küsste Thomas innig.

Thomas wirkte im ersten Moment überrascht, erwiderte den Kuss aber dann. Er sah Sasha lange an, legte dann aber beide Arme um sien. „Es tut mir leid, wenn ich dich ein wenig vernachlässige.“

„Ja, das sollte es auch. Ich habe auch Bedürfnisse, weißt du.“

„Es ist nicht so, als könntest du mit denen nicht auch zu mir kommen“, merkte Tina an.

Sasha wandte sich ihr zu und drückte ihr ebenfalls einen Kuss auf den Mund. „Ich weiß, mein Schnuckel.“

Sie verdrehte die Augen. „Schnuckel, was?“

„Ja. Mein Schnuckelputzie.“ Sasha grinste sie frech an.

„Doofkopp“, murmelte sie, presste siem dann aber einen Kuss auf die Wange. „Ich glaube, heute Nacht schlafe ich bei Gabrielle und ich lasse euch hier ein wenig allein.“ Sie zwinkerte ihnen zu. Zugegebenermaßen mochte sie auch die Aussicht, im richtigen Bett zu schlafen.

„Okay.“ Sasha schenkte ihr einen vielsagenden Blick und wandte sich dann Thomas zu, um auf dessen Schoß zu gleiten.

Tina schüttelte den Kopf und erhob sich ebenfalls vom quietschenden Sofa. Sie ging in die Küchenecke des Hauses hinüber, um sich noch ein Glas mit Saft aus dem Kühlschrank zu füllen, als ihr Blick unwillkürlich wieder zum Strand hinabwanderte, der in regelmäßigen Abständen vom Leuchtturm erhellt wurde.

Ein Schauer rann ihr über den Rücken. Direkt unten am Ende des Weges, der das Haus mit dem Strand verband, stand nicht eine, sondern zwei Gestalten. Details waren nicht auszumachen, doch sie sahen beide zum Haus hinauf.

Sie wandte sich Sasha und Thomas zu, die in einen innigen Kuss versunken waren. Sie musste einfach wissen, ob sie das wirklich sah. „Hey. Hey, ihr beiden?“

Sasha ließ von Thomas ab und sah sie fragend an. „Was ist, Schnuckelputzie?“

„Schau mal bitte aus dem Fenster.“

Sasha schob die Augenbrauen zusammen. Sier zögerte, schob dann aber den Vorhang zur Seite und schaute aus dem Wohnzimmerfenster hinaus. „Oh“, machte sier leise.

„Was ist?“, fragte Thomas.

„Bitte sag mir, dass du sie auch siehst“, flüsterte Tina mit rasendem Herzen.

„Ich sehe sie auch“, bestätigte Sasha.

Nun schob Thomas vorsichtig Sasha von seinem Schoß, um ebenfalls zum Strand hinab zu schauen. „Dann seht ihr sie auch?“, fragte er.

„Ich habe so eine Gestalt in unserer ersten Nacht hier gesehen“, flüsterte Tina.

Sasha schluckte hörbar. „Ich habe einen Kopf im Wasser gesehen.“

Thomas schwieg. Er sah ernsthaft aus. Schließlich löste er sich aus seiner Starre. „Letzte Nacht habe ich auch jemanden am Strand gesehen.“

„Glaubst du, das sind einfach nur Leute, die uns einen Streich spielen?“

Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Ob die anderen beiden dasselbe bedrückende Gefühl spürten, wie Tina?

„Wisst ihr was?“ Thomas stand auf und ging zur Tür. „Ich gehe da jetzt hin und schaue mir das ganze genauer an.“ Dabei verriet seine Stimme, dass er von der Idee selbst nicht überzeugt war. Er zog die Tür auf und machte einen Schritt aus dem Haus heraus, als der Lichtkegel des Leuchtturms erneut über den Strand strich und die beiden Gestalten verschwanden.

Wie versteinert blieb Thomas stehen.

Keiner von ihnen sprach ein Wort, doch Tinas Gedanken rasten. Sie wusste, dass sie sich das gerade nicht eingebildet hatte. Die Gestalten waren wirklich da gewesen.

„Glaubt ihr“, brach Sasha schließlich die Stille, „dass das Geister sind.“

Keiner von ihnen antwortete, auch wenn Tina ihre Antwort kannte.

Thomas machte einen Schritt zurück und in das Haus hinein. „Wir sollten Gabrielle nichts davon erzählen.“

„Aber …“, setzte Tina an. „Sollte sie nicht wissen, dass es hier spukt?“

„Nicht, wenn die Geister – oder was auch immer das ist – ohnehin nur am Strand auftauchen“, erwiderte Thomas. „Es ist ja keine Gefahr. Also … Ich will sie nicht stressen.“

Tina tauschte einen Blick mit Sasha, dier genau so wenig überzeugt aussah, wie sie sich fühlte. Wieder schaute sie zum nun leeren Strand hinunter. Vielleicht hatte Thomas recht. Vielleicht tauchten sie nur am Strand auf. Dennoch. Es fühlte sich nicht richtig an.

Gabrielle hatte Kopfschmerzen. Sie konnte nicht sagen, was es genau war, doch irgendetwas an diesem Urlaub bekam ihr nicht wirklich. Ein Teil von ihr fragte sich, ob es an der Schwangerschaft lag. Man sagte ja, dass Hormone eine ganze Menge mit dem Körper anstellte. Dazu die alles in allem warmen Temperaturen und das ungewohnte Bett und es war mit dem Schlaf nicht soweit her.

Allerdings war da auch eine andere Sache, die ihr aufgefallen war. Zwei Tage nun schon waren die anderen angespannt. Sie versuchten es vor ihr zu verbergen, doch ihr entgingen die Blicke nicht, die sie miteinander tauschten. War es wegen ihr? Machten sie sich Sorgen um sie?

Sie war sich zumindest sicher, dass sie nicht Probleme miteinander hatten. Dazu passte ihr Verhalten nicht. Da waren keine Spannungen zwischen ihnen. Nicht auf diese Art. Aber irgendetwas war da, dass sie ihr nicht erzählten und sie wusste nicht wieso.

Das Wetter war wieder wärmer und sonniger geworden nach den zwei Regentagen, die sie gehabt hatten. Sie verbrachten die meiste Zeit am Strand, doch selbst hier waren die anderen angespannt. Ihr war nicht entgangen, dass Sasha nicht mehr soweit herausschwamm, wie sier es in den ersten Tagen getan hatte.

So kam sie nicht umher sich beim Abendessen zu räuspern. „Sagt mal, irgendetwas erzählt ihr mir nicht. Ist etwas passiert?“

Wieder wurden angespannte Blicke getauscht und Lippen zusammengepresst. „Nein. Alles ist in Ordnung“, meinte Thomas.

„Du bist ein verdammt schlechter Lügner, weißt du das?“ Sie schaute ihn streng von der Seite an.

Bedrückte Gesichter. Sie wichen ihrem Blick aus.

Gabrielle stocherte in ihren Nudeln. „Ist es, weil ich schwanger bin? Hat es etwas damit zu tun?“

„Nein. Nein, sicher nicht“, sagte Tina rasch.

Aber auch ihr glaubte Gabrielle nicht. Sie mochte es nicht. Sie hatte ohnehin schon dieses seltsame drückende Gefühl, das durch die Anspannung der anderen nicht besser wurde.

So legte sie ihre Gabel hin. „Wisst ihr was? Ich habe darauf keinen Bock. Mir geht es sowieso nicht gut. Ich lege mich hin. Sagt mir Bescheid, wenn mir jemand erzählen will, was hier los ist.“ Damit presste sie die Lippen zusammen und verließ dann Wohnzimmer.

Sicher, sie fühlte sich auch ein wenig schlecht, weil sie die ganze Zeit im Bett schlief. Dieses war fraglos bequemer, als das Klappsofa im Erdgeschoss. Allerdings bestanden die anderen darauf. Sie taten so, als würde die Schwangerschaft bedeuten, dass sie gar nichts mehr vertragen würde.

Angespannt und wütend über das Verhalten der anderen legte sie sich ins Bett. Draußen war es noch hell, so dass sie sich entschied eins der Bücher herzunehmen, dass sie mitgenommen hatte.

Für eine Weile las sie. Dabei war es schwer, die Konzentration zu halten. Ihr Kopf schmerzte und ihr Blick wurde immer wieder unfokussiert. Nach einer halben Stunde gab sie auf, rollte sich auf die Seite und versuchte zu schlafen.

Es klappte. Irgendwie. Sie verfiel in einen unruhigen Schlaf, der allerdings nicht verhinderte, dass sie bemerkte, als Thomas hochkam und sich vorsichtig zu ihr legte. Unschöne Gedanken verfolgten sie durch ihre Träume. Vorahnungen. Bilder von einem brausenden Meer. Und Augen. Viele Augen, die sie ansahen. So viele Augen. Dabei waren sie hergekommen, damit sie Ruhe hatten. Damit niemand hier wäre, der sie beobachtete, der sie verurteilte. Davon gab es schon im normalen Leben genug.

Ihr war warm. So warm. Im Halbschlaf schlug sie ihre Decke zur Seite. Irgendwie jedoch wurde es nicht besser. Mühsam öffnete sie die Augen, blinzelte und schrie.

Eine Gestalt stand neben dem Bett. Eine dunkle, nur schwammig umrissene Gestalt. Doch es bestand kein Zweifel daran, dass sie sie anstarrte.

Thomas schreckte auf, sah sich verwirrt um und schrie im nächsten Augenblick ebenfalls. Dann sprang er auf, nahm sie bei den Schultern und zog sie mit sich auf die andere Seite des Bettes.

Doch die Gestalt war nicht allein. Da war eine weitere, die am Ende des Bettes stand. Ebenfalls nur schwammig umrissen. Ebenfalls kaum zu erkennen. Doch auch sie starrte.

„Was zur Hölle ist das?“, kreischte Gabrielle. In ihrem Kopf gab es nur einen Gedanken: Weg hier. Doch ihre Beine wollten sich nicht bewegen. Sie war wie erstarrt.

Dann kam auch von unten ein Schrei. Die anderen. Sasha. Tina. Irgendetwas stimmte nicht.

Es war dieser Gedanke, der Gabrielle aus ihrer Starre erwachen ließ. Sie sprang auf und rannte. Irgendwie wich sie der Gestalt am Bettende aus, nur um im Flur in die nächste hineinzulaufen. Wieder kam sie nicht umher zu schreien.

Thomas war im nächsten Moment bei ihr. Er dachte nicht nach, tackelte die Gestalt, die im Flur stand und … fiel durch sie hindurch. Hart kam er auf dem Boden auf, stöhnte schmerzerfüllt auf.

Gabrielles Gehirn verstand nicht. Träumte sie etwa noch? Sie fühlte sich benommen. Sie wusste nicht, was sie tat, doch von unten kam ein weiterer Schrei.

Sie lief durch die Gestalt hindurch, packte Thomas beim Arm und half ihm auf.

Da war eine weitere Gestalt bei der Treppe, die ihnen entgegenblickte, doch sie liefen einfach nur.

Unten standen gleich drei der Gestalten um das Klappsofa herum und sahen auf Sasha und Tina hinab. Tina hatte den Kopf zwischen den Armen versteckt.

Gabrielle keuchte. Ihre Stimme wollte nicht wirklich funktionieren. Sie musste ihnen helfen. Sie mussten hier heraus. Ja, sie mussten hier raus.

„Sie können euch nicht berühren!“, presste sie schließlich hervor und griff durch eine der Gestalten, die nicht einmal Arme zu haben schien, hindurch. Sie packte Tina beim Arm. „Komm! Raus!“

Die Tür stand offen. Sie mussten dadurch gekommen sein.

Für einen Moment trat Tina aus, aber dann reagierte Sasha. Sier presste gegen Tinas Rücken, half ihr auf. Tina traute sich nicht zu schauen, doch sie floss durch die Gestalt hindurch.

Gabrielle packte sie bei den Schultern. „Raus!“, keuchte sie.

Thomas stand bereits an der Tür. „Da sind noch mehr“, hauchte er.

„Was?“

„Noch mehr.“ Gabrielle trat zu ihm und sah es. Der Strand war voller Gestalten, deren Umrisse seltsam verschwommen waren, so als würde man sie durch Milchglas betrachten.

Ein Teil von ihr weigerte sich, da runter zu gehen. Ein anderer Teil flehte sie an zum Wagen zu rennen.

„Der Wagen“, hauchte sie nur.

Thomas sah sie an, schaute dann zu Tina und Sasha. Er hielt seinen Arm angespannt vor sich.

„Komm!“, flehte Gabrielle.

Sie merkte nicht einmal, wer von ihnen sich als erstes bewegte, doch auf einmal liefen sie. Sie liefen. Stolperten fast auf dem Weg. Rasten zum Wagen hinab. Weg. Hauptsache weg.

Die Landstraße lag dunkel und verlassen vor ihnen.

Gabrielle weinte. Sasha saß kreidebleich auf dem Fahrersitz. Tina neben siem. Thomas hielt sich noch immer seinen Arm.

Stille herrschte zwischen ihnen. Es war gerade alles zu viel. Tina zumindest konnte nicht glauben, was sie da in diesem Haus gesehen hatte. Waren es wirklich Geister gewesen? Ein Haufen identischer Geister? Doch was sollte es sonst gewesen sein? Sie konnte es sich nicht erklären.

Schließlich war es Thomas, der das Schweigen brach. „Was machen wir jetzt?“

Stille war seine Antwort.

Es war einfach alles zu viel. Es hatte ihr Sommer werden sollen. Und jetzt?

Nach einer Weile antwortete Gabrielle mit brüchiger Stimme: „Ich will nicht noch einmal in dem Haus übernachten.“

Innerlich konnte Tina sie verstehen, auch wenn gleichzeitig ein rebellischer Teil von ihr sich nicht einfach von ein paar Geistern vertreiben lassen wollte. Zumal sie ihnen nichts getan hatte. Doch wollte sie in dieses Haus zurück?

„Wir müssen zumindest unsere Sachen holen“, meinte Sasha.

„Aber vielleicht wenn es hell ist. Wir haben sie immerhin nicht bei Tag gesehen“, erwiderte Thomas leise.

„Ich schon“, murmelte Sasha.

Erneute Stille.

„Wollen wir wirklich einfach so aufgeben?“, fragte Tina schließlich. „Ich meine, was machen wir dann? Nach Hause fahren? In ein anderes Ferienhaus?“

Gabrielle sah zu Thomas hinüber. „Vielleicht erst einmal zum Krankenhaus.“

„Und dann? Ich meine …“

„Ich übernachte definitiv nicht noch einmal dort“, sagte Gabrielle.

Tina schürzte die Lippen. Sie konnte sie ja auch nicht dazu zwingen. Es war albern. Es war ihr Dickkopf. Sie hasste es nur aufzugeben.

Nach einigen Sekunden weiteren Schweigens, räusperte sich Sasha. „Ich glaub, wir fahren am besten erst einmal zum nächsten Krankenhaus und lassen deinen Arm röntgen, Thomas. Und dann …“ Sier zögerte. „Dann schauen wir mal.“


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