Gastartikel: Asexuelle Figuren schreiben
Heute gibt es, wie praktisch immer im Pride Month, einen Gastartikel. Dieses Mal von Sina, die über ihre Erfahrung mit der Asexualität und speziell der Darstellung von Asexualität in den Medien spricht.
Alex hatte mich gefragt, ob ich für den Pride Month nochmal meine Session zum Thema Asexualität vom Litcamp20 ausformulieren könnte. Darüber freue ich mich natürlich besonders, denn Asexualität wird selbst innerhalb der queeren Community von einigen Leuten immer noch nicht gesehen oder sogar ignoriert. Einige sind sogar der Meinung, wir würden nicht zur Community gehören, weil wir teilweise auch „straight passing“ sind, man uns also im Umgang mit einer Partnerperson nicht unbedingt anmerkt, dass wir queer sind. Das ist aus mehreren Gründen eine problematische Sicht, unter anderem auch deshalb, weil nicht alle ace Personen auch heteroromantisch sind – aber dazu später mehr. Jedenfalls freue ich mich, euch hier ein bisschen was über Asexualität erzählen zu können und wie man auch gute asexuelle Repräsentation schreiben kann.
Was genau ist Asexualität eigentlich?
Im Prinzip ist der relevante Punkt, dass asexuelle Personen wenig oder gar keine sexuelle Anziehung anderen Menschen gegenüber empfinden. Allerdings ist Asexualität ein Spektrum und es gibt durchaus auch Menschen auf diesem Spektrum, die aus verschiedenen Gründen Sex haben – das ist genauso valide wie asexuelle Personen, die gar keinen Sex haben möchten!
Wichtig: Asexualität ist nicht das gleiche wie ein Zölibat. Ein Zölibat ist eine freie Entscheidung, während Asexualität eine sexuelle Orientierung ist (und es wie gesagt ohnehin ace Personen gibt, die Sex haben).
Split Attraction Model
Für viele asexuelle (und aromantische) Personen ist das Split Attraction Model wichtig. Das sagt nämlich aus, dass die sexuelle und die romantische Anziehung nicht zwingend gleich sein müssen. Es gibt Asexuelle, die auch aromantisch sind, genauso gibt es aber auch asexuelle Personen, die z. B. hetero-, homo-, bi- oder panromantisch sind.
Umgekehrt gilt das natürlich genauso: Aromantische Personen müssen nicht zwingend auch asexuell sein. Der Artikel hier hält sich zum Thema Aromantik bewusst ein bisschen bedeckter, weil ich nicht die richtige Person bin, um darüber viel zu erzählen (da ich selbst nicht aromantisch bin), aber auch wenn sich Asexualität und Aromantik bei einigen Leuten überlappen, ist das eben oft auch nicht der Fall. Aromantische Personen können also auch alle möglichen sexuellen Orientierungen haben.
Deshalb ist das Split Attraction Model gerade für diese Gruppen wichtig. Genauso kann es auch bei anderen Gruppen vorkommen, es gibt z. B. auch heterosexuelle Menschen, die trotzdem biromantisch sind etc. (oder umgekehrt). Die Möglichkeiten sind hier quasi unendlich fortführbar.
Und wie genau sieht Asexualität nun aus?
Kurze Antwort: Das lässt sich unmöglich pauschal beantworten, es gibt nämlich ungefähr so viele verschiedene Abstufungen des asexuellen Spektrums, wie es Leute gibt, die sich auf diesem Spektrum befinden.
Ein paar Beispiele sind aber (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Sex-repulsed asexuality (ace Person lehnt Sex für sich selbst oder generell ab)
- Ace Personen, die kein Problem mit Sex haben, ihn aber nicht von sich aus suchen
- Ace Personen, die Spaß an Sex haben
- Ace Personen, die romantische Gefühle für jemanden haben müssen, um an jemandem sexuelles Interesse zu haben (Demisexualität)
- Ace Personen, die bereit sind, unter bestimmten Umständen Sex zu haben
- Ace Personen, die wegen eines Kinderwunschs Sex haben
- Etc. (Liste beliebig fortführbar)
Wichtig ist außerdem: Auch asexuelle Personen können kinky sein und/oder Interesse an BDSM haben! Manche finden vielleicht einfach nur die Vorstellung interessant, andere möchten das auch wirklich ausleben, manche vielleicht nur allein, andere mit einer Partnerperson oder einer Person, der sie vertrauen. Genauso wie viele Asexuelle kein Interesse an so etwas haben. Das ist genauso wie bei allosexuellen Personen (d. h. Personen, die sexuelle Anziehung verspüren).
Was sollte ich beim Schreiben asexueller Charaktere vermeiden?
Es gibt auf jeden Fall ein paar Do’s and Don’ts, die ich euch ans Herz legen möchte. Erst einmal zu den Don’ts: Was ihr auf jeden Fall vermeiden solltet, sind Charaktere, die „ace“ sind, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Asexualität ist kein Trauma! Leider ist das ein ganz schlimmes Vorurteil und es gibt immer noch mehr als genug Leute, die nachfragen, ob man denn schlechte Erfahrungen gemacht hätte, wenn man sich outet. Abgesehen davon, dass man sowieso niemals plump nach möglichen Traumata fragen sollte, weil es immer möglich ist, dass man eine Person damit triggert, ist das auch einfach vollkommen falsch, weil Asexualität eine sexuelle Orientierung ist und nichts, was irgendwie „schief“ läuft.
Kurzer Exkurs: Ja, eine fehlende Libido (nicht alle Asexuellen fehlt die Libido) oder ein fehlendes Interesse an Sex KANN einen psychischen oder physischen Hintergrund haben, aber das ist dann eben keine Asexualität.
Ebenfalls schlechte Repräsentation ist es, wenn die Protagonist*innen feststellen, dass sie eigentlich gar nicht asexuell sind, sondern einfach nur dachten, sie würden niemanden abkriegen und sich das deshalb eingeredet haben. Uff.
Genauso wäre es schön, wenn eure Charaktere nicht einfach nur totunglücklich sind, weil sie ace sind. Ja, manchmal ist es schwierig für uns, weil die Gesellschaft sehr sexualisiert und gleichzeitig aber nicht sehr sex-positiv ist, also oft wenig Raum für sexuelle Selbstbestimmung lässt. Es ist natürlich schwierig, wenn man Gefühle für jemanden hat, di*er allosexuell ist und nicht auf Sex verzichten kann oder möchte, man selbst aber vielleicht keinen oder zumindest nicht so viel Sex haben kann. Aber deshalb sind trotzdem nicht alle Asexuellen unglücklich und die, die manchmal damit hadern, sind auch selten die ganze Zeit unglücklich deswegen.
Was ich persönlich übrigens auch ganz, ganz furchtbar ist, ist wenn ace Personen die ganze Zeit als verschroben, prüde und/oder socially awkward dargestellt werden. Der schlimmste Charakter, der mir dazu einfällt, ist Sheldon Cooper aus The Big Bang Theory. Ich habe zwar mal gelesen, dass er auch nicht als asexuell geplant war, er kann aber definitiv so gelesen werden und es wird ständig als komisch dargestellt, dass er keinen Sex hat. Als asexuelle Person kann so etwas ganz schön wehtun, gerade wenn eine solche Darstellung eher die Regel als die Ausnahme ist.
Und bitte, bitte stellt es nicht so dar, als müsste di*er Protagonist*in einfach nur „die richtige Person“ finden. Ihr glaubt gar nicht, wie oft asexuelle Personen sich anhören müssen, sie würden sicher „ihre Meinung ändern“, wenn sie „die richtige Person treffen“. Es ist nicht unrealistisch, wenn eure Charaktere das zu hören bekommen, nur lasst es bitte, bitte nicht so stehen.
Wie kann ich es nun aber besser machen?
Kommen wir nun also zur wesentlich erfreulicheren Sache: Den Do’s. Was kann man beim Schreiben von asexuellen Charakteren besser machen?
Schreibt Charaktere, die mit sich selbst und ihrer Sexualität im Reinen sind. Ja, es ist okay, vielleicht auch mal zu denken, dass bestimmte Dinge einfacher wären, wenn man allosexuell wäre, aber ganz ehrlich? Ich persönlich denke auch oft genug darüber nach, dass mein Leben oft auch schwieriger wäre, wenn ich allo wäre und ich weiß, dass es vielen anderen ace Personen ähnlich geht. Ich weiß z. B. von einigen Allos, dass es ihnen (sicher auch hier nicht allen) sehr schwer fällt, lange auf Sex zu verzichten. Gerade in Zeiten wie aktuell (während der Corona-Pandemie) ist es manchmal sehr praktisch, wenn man nicht ständig an Sex denkt, gerade wenn man vielleicht gerade niemanden hat, mit dem man Sex haben kann oder möchte, da man aktuell ja nicht unbegrenzt Leute treffen kann oder sollte. Es hat also auch durchaus Vorteile, da nichts zu vermissen.
Es gibt viele ace Personen, die in erfüllten, glücklichen Beziehungen sind. Mit anderen ace Personen, mit allosexuellen Personen etc. Es gibt auch unter Aces Polys. All diese Dinge könnt ihr beachten und dafür sorgen, dass eure Repräsentation nicht einseitig ist.
Genauso gibt es übrigens auch ace Personen, die keine Beziehung wollen und damit glücklich sind. Manchen reichen auch sehr enge Freundschaften, wieder andere brauchen auch das nicht.
Manche leben sich gerne über Selbstbefriedigung aus, weil sie z. B. eine Libido haben, aber kein Interesse daran, sie mit anderen Personen auszuleben. All das ist valide und eine Möglichkeit für Charaktere. Auch das ist aber kein Muss; es gibt auch viele ace Personen, die keine Selbstbefriedigung wollen oder brauchen.
Was für ace Personen oft wichtig ist, sind Freundschaften und für manche von uns sind die Verläufe zwischen intensiven Freundschaften und romantischen Gefühlen fließend. (Natürlich gilt aber auch das nicht für jede*n). Und auch wir kommen oft im Rudel, zumindest online. Wir finden oft andere ace Personen (im Internet jedenfalls) und oft kennen wir auch darüber hinaus andere queere Personen. Also alles so wie bei anderen queeren Gruppen. Und ja, ganz wichtig: Wir gehören da eben dazu. Wir sind auch Teil der queeren Community. Bitte vergesst uns nicht.
Legt den Fokus eurer Charaktere gerne darauf, dass es in Ordnung ist, asexuell zu sein. Zeigt, dass wir stabile Freundschaften und auch romantische Beziehungen haben können. Aufruf: Schreibt asexuelle Romance! In intimen Szenen könntet ihr zum Beispiel den Fokus verstärkt aufs Kuscheln legen, auch wenn hier natürlich auch nicht das gleiche für alle gilt. Ich kann nur für mich persönlich sprechen: Ich liebe Kuscheln! Intime Berührungen geben mir persönlich gar nichts, aber ich könnte stundenlang mit anderen Personen kuscheln und fühle mich da einfach vollkommen wohl. Auch das ist aber keine 100%ige Regel, denn natürlich gibt es auch unter ace Personen Leute, die nicht gern kuscheln.
Am besten fahrt ihr also, wenn ihr bedenkt, dass wir eigentlich auch nur Leute wie alle anderen sind. So wie nicht alle Heteros, Schwulen, Lesben, Bi- oder Pansexuellen gleich sind, sind auch wir es nicht. Es gibt Asexuelle in allen Geschlechtern, in jedem Alter. Manchen wird es schon sehr früh bewusst (ich z. B. wusste eigentlich schon immer, dass ich mit Sex nichts anfangen kann, auch wenn ich früher kein Wort dafür hatte), andere merken es erst im hohen Alter. Keine Erfahrung ist wie die andere. Wenn ihr also nicht in die Klischeekiste greift und die Dinge vermeidet, die ich unter „Don’ts“ geschrieben habe, seid ihr auf jeden Fall bereits auf einem ganz guten Weg.
Fazit
Im Endeffekt seid ihr auf jeden Fall schon einmal auf einem guten Weg, wenn ihr euch diesen Beitrag durchgelesen habt und daraus vielleicht mitnehmen konntet, dass asexuelle Personen keine heterogene Gruppe sind. Wenn ihr außerdem die unschönen Klischees vermeidet, ist das umso besser. Beachtet das Split Attraction Model und dessen Wichtigkeit für Menschen auf dem asexuellen (und auch aromantischen) Spektrum. Und ganz wichtig: Redet mit uns, wenn ihr Fragen habt! Viele asexuelle Personen helfen euch tatsächlich gerne weiter, weil es uns wichtig ist, gehört zu werden und viele von uns freuen sich, wenn ihr Interesse daran habt, asexuelle Charaktere zu schreiben und zeigt, dass es euch wichtig ist, dass es gute Repräsentation wird.