CLAMP – Manga going Hopepunk?!

Es ist Anime-Freitag und ich wollte mich diesen Monat positiv halten. Also rede ich nicht über eine Serie, die ich sehr mag, sondern über ein Mangaka Quartett, das ich im Verlauf des letzten Jahres mehr und mehr zu schätzen gelernt habe: CLAMP. Denn oh boy: Auch wenn es den Begriff „Hopepunk“ nicht gab, als CLAMP ihre Karriere begannen, CLAMP ist definitiv Hopepunk.

CLAMP – und das ist aus den 90ern?!

Natürlich kannte ich CLAMP schon so lange wie ich Anime kannte. Immerhin sind die vier länger als Mangaka aktiv, als dass ich auf diesem Planeten lebe. So waren viele ihrer Manga auch in Deutschland bekannt und beliebt, als ich in die Anime/Manga-Blase reinrutschte. Ich kaufte mir relativ früh Angelic Layer und Magic Knights Rayearth und lieh mir Chobits von einer Freundin aus. Viel dachte ich mir dabei aber nie. Auch „Tsubasa – Reservoir Chronicle“ sammelte ich, ohne mir viel dabei zu denken.

Am liebsten mochte ich von ihren Sachen immer die Magic Knights und X/1999, immerhin war letzteres einfach eine coole Urban Fantasy Geschichte – und ihr wisst, wie ich zu Urban Fantasy stehe. Ironischerweise konnte ich die längste Zeit mit Card Captor Sakura am wenigsten anfangen, da es mir zu „kiddy“ war. Aber als Kind hatte ich ja auch teilweise was gegen Ojamajo Doremi. Internalisierte Misogynie spielte da sicher auch eine Rolle.

Wie dem auch sei: Der Schock kam mit der jetzigen Rückkehr zu CLAMP im letzten Jahr. Ironischerweise über Card Captor Sakura, da ich einfach anfing Clear Card Hen zu schauen. Und dem Schauen von Serien, die sie in den 90ern gemacht haben. Und dieser Feststellung: Wie? Das haben die in den 90ern gemacht?!

Vier Mangaka, eine solide Karriere

Rudern wir ein wenig zurück und kommen vielleicht zu der anderen Frage: Wer sind CLAMP überhaupt? Nun, CLAMP ist der Name, den sich vier Mangaka als Gruppe gegeben haben. Diese Mangaka sind (und auch das sind größtenteils Künstlernamen): Nanase Ohkawa, Mokona, Tsubaki Nekoi und Satsuki Igarashi.

Die vier, die durchweg in den 1960ern geboren wurden, haben ihre Karriere in den 1980ern mit Doujinshi begonnen und hatten damit bereits einigen Erfolg. In 1987 begannen sie dann mit ihrem ersten komplett eigenen Manga – RG Veda – der zentral auf der vedischen, also hinduistischen Mythologie aufbaute. Der Manga wurde zum Erfolg und verschaffte dem Quartett einen Namen.

Seither haben sie eine Vielzahl oft erfolgreicher Manga veröffentlicht, von denen sich die meisten im Fantasy oder Science Fiction Genre wiederfinden. Einige von ihnen beinhalten zudem zentral queere Themen – etwas, wozu wir gleich kommen – sowie philosophische Themen. Die meisten Manga werden von Nanase Ohkawa geschrieben, während die anderen drei Mitglieder der Gruppe sich in ihren Rollen abwechseln. Anders, als viele andere Mangaka, stellen CLAMP keine Assistent*innen an, sondern übernehmen sämtliche Arbeit selbst, da sie ein eingespieltes Team sind. Umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass sie manchmal drei Manga-Reihen parallel zueinander laufen hatten.

Diversität kann so einfach sein

Wie gesagt, als Kind habe ich einige Manga von CLAMP gesammelt, war aber kein riesiger Fan der Gruppe – nur der Art, wie sie Rüstungen zeichneten. Diversität war (oh Wunder) kein Thema, mit dem ich mich je beschäftigt hatte. Entsprechend nahm ich viele Dinge nicht wahr. Bis ich dann als ausgewachsenes Alpaka wieder dahin zurückfand.

Und ja, ich muss zu meinem Schock feststellen: CLAMP lässt Diversität oft einfach erscheinen. Die meisten ihrer Manga – selbst die, die ohne Magie auskommen oder Urban Fantasy sind – spielen nicht in heteronormativen Welten, sondern in Welten, in denen Sexualität einfach überhaupt nicht angenommen wird. Jemand ist halt, wie si*er ist. Romantisch. Sexuell. Ein Junge ist in einen anderen Jungen verliebt? Cool. Ein Mädchen in ein anderes Mädchen? Auch cool. Es ist bei CLAMP nicht einmal „einfach nur okay“, sondern innerhalb ihrer Welten komplett normalisiert.

Etwas, das bei CLAMP ebenfalls vorkommt: Agender Charaktere und inter* Charaktere, selbst wenn diese beinahe zumindest binäre Pronomen nutzen – wenige Ausnahmen bestätigen diese Regel. Dies kommt nicht zuletzt daher, dass häufig genug bei CLAMP Engel und Dämonen vorkommen, die bei ihnen beinahe immer nicht-binär oder agender sind. Selbst wenn diese Begriff so nicht fallen, sondern impliziert werden. Allerdings will ich es dahingehend auch nicht zu hoch anpreisen. Denn wie gesagt: Die meisten dieser Charaktere haben dann doch eine binäre Identität angenommen. Allerdings sei auch dahingehend etwas gesagt …

CLAMP und Geschlechterrollen

Was das ganze mit den meist binären Zuordnungen weit leichter macht, ist, dass in den Welten von CLAMP Geschlechterrollen bei weitem nicht so fest sind, wie in der realen Welt – geschweige denn dem realen Japan, geschweige denn dem realen Japan der 1990er, wenn wir alte Serien ansehen. Erneut ist es ein Thema, bei dem die Welten meistens offenbar einfach nie eine so rigide Trennung und Zuordnung hatten.

Bei CLAMP gibt es viele, sehr viele innerhalb der Welten bekannte Wissenschaftlerinnen und Frauen, die Firmen führen. Es gibt Lehrerinnen, Professorinnen. Es gibt Frauen in allen Bildungswegen und keinen Sexismus, kein „auf sie hinabsehen“. Auch wird es nicht als negativ dargestellt, wenn Frauen Kinder und Karriere haben und eventuell nicht immer Zeit für das Kind haben. Diese werden von niemanden als „Rabenmütter“ verschrien und CLAMP zeigt immer wieder, dass sie dennoch da sind, wenn das Kind es wirklich braucht. Gleichzeitig gibt es Männer, die die Hausarbeit machen, die für die Familie essen kochen – regelmäßig – und andere Arbeiten, die im realen Leben gesellschaftlich von Frauen erwartet werden, übernehmen. Und auch sie werden dafür nicht belächelt oder verachtet. Im Gegenteil. Es wird als eine gute Eigenschaft dargestellt.

Selbst was Kleidung angeht, sieht CLAMP es meist sehr locker. Crossdressing kommt immer wieder vor und hier und da gibt es Charaktere, die es durchweg machen und nichts dabei sehen. Es wird als normal dargestellt.

Ein wenig Hopepunk

Seit ich dank Judith Vogt den Begriff Hopepunk kennenlernte, muss ich feststellen, dass ich viele der CLAMP-Geschichten damit verbinde. Am allermeistens wohl Chobits, ein Manga, den ich jetzt nicht zwangsweise unkritisch sehen würde, der aber in vielerlei Hinsicht darauf passt. Denn während die Welt von Chobits in so vielerlei Hinsicht Ähnlichkeiten mit der Welt von Blade Runner hat, ist die Welt hier anders – und die Moral konzentriert sich nicht auf das schlechte der Welt, sondern das gute, was es zu retten gilt.

Auch das zentrale Hopepunk-Konzept, dass die Welt etwas ist, wofür es sich zu kämpfen lohnt, wird immer wieder in verschiedenen CLAMP-Manga aufgegriffen. Inklusive derer, die sich um mögliche Apokalypsen drehen. Wie auch das Konzept, dass man die Dinge besser machen kann, wenn man nur darum kämpft – aber auch wenn man die Bewegung ist, die man selbst in der Welt sehen will.

Und Freundlichkeit. Freundlichkeit ist ebenfalls etwas, das sich in vielen, wenngleich nicht allen Manga von CLAMP findet. Statt mit Gewalt mit Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft die Welt zu verändern ist ebenfalls ein Thema, dass sich durch so viele der Manga zieht.

Nichts ist perfekt

Ich möchte an dieser Stelle aber nicht so tun, als sei CLAMP perfekt. Sind sie nicht. Wie schon gesagt: Trotz allem ordnen sich am Ende viele Charaktere doch nur im bisexuellen Spektrum zu, während andere queere Identitäten seltener vertreten sind, es gibt selten dunkelhäutige Charaktere (und wenn treten viele von ihnen zumindest ursprünglich als Antagonist*innen auf) und auch trans* Identitäten sind nicht häufig vertreten – selbst wenn das Konzept Erwähnung findet.

Kritischer sei aber eher gesehen, dass es immer wieder bei CLAMP einige romantischen Beziehungen mit deutlichem Machtunterschied gibt (meist, aber nicht immer mit einem Mann der in einer Machtposition gegenüber seinem Partner oder seiner Partnerin ist), die dies jedoch nicht kritisch betrachten. Natürlich nicht. In den Welten von CLAMP gibt es keine toxische Männlichkeit und kein Patriarchat und die meisten Menschen (und andere Wesen) sind erst einmal nett. Diverse Paare haben einen hohen Altersunterschied mit einer/m deutlich minderjährigen Partner/in. Teilweise auch in Kombination von Lehrer und Schüler/in. Yikes. Das ist deutlich iffy – selbst wenn sie eben im Rahmen der Serie nicht toxisch, sondern wholesome dargestellt werden. Dennoch bleibt zu sagen: Yikes.

Ebenfalls muss halt gesagt sein: Viele ältere Manga von ihnen, die Boys Love beinhalteten, beinhalteten zumindest einen Teil der dazugehörigen toxischen Tropes in Sachen Consent. Es sei vielleicht positiv angemerkt, dass sie dabei nie dubcon Sex oder gar Vergewaltigungen eingebracht haben – doch zumindest damals sind sie die Linie entlanggetanzt. Dies wurde jedoch später reflektiert und deutlich besser.

Empfehlungen von CLAMP

Ich möchte diesen Beitrag beenden mit ein paar Manga (und ggf. Anime-Umsetzungen) von CLAMP, die ich alles in allem wirklich empfehlen kann – speziell wenn ihr etwas wholesomes, positives und hoffnungsvolles wollt.

  • Card Captor Sakura (Anime ist auf Netflix komplett verfügbar). Die wahrscheinlich bekannteste Serie von ihnen. Sie handelt von einem Mädchen, dass magische Karten sammelt nachdem sie diese aus Versehen über ihre ganze Stadt verteilt hat. Dafür muss sie lernen diese mit Magie zu nutzen. Die Serie ist extrem wholesome. Die meisten Konflikte hängen eher mit Sakuras Alltag zusammen. Vieles wird durch Freundlichkeit und Verständnis gelöst. Auch ist es eine wunderbare Serie um die queere Normalisierung von CLAMP zu bewundern. (Umso mehr in der Fortsetzung: Clear Card Hen.)
  • Magic Knights Rayearth. Man nehme Magical Girls und setze sie in Mechas in einer High Fantasy-Welt. Klingt komisch, ist aber verdammt cool. Drei Mädchen werden von Tokyo in eine andere Welt gerufen, um diese zu retten. Sie bekommen magische Kräfte und müssen Mechas wiedererwecken. Die Reihe ist lustig, dramatisch, hat tolle Charaktere und eine interessante Welt.
  • Tokyo Babylon. Eine Reihe über zwei Magier in Tokyo. Die Reihe hat einige queere Themen, aber auch einige Story. Es ist auch eine Reihe, die sehr gut zeigt, dass CLAMP nicht nur vielfältige weibliche, sondern vielfältige männliche Charaktere gut beschreibt.
  • Chobits. Chobits ist eine Art SciFi, beinahe schon Cyberpunk, aber komplett durch die Linse einer Romanze erzählt. Die Perspektive befasst sich vor allem mit den guten dingen in der Welt, der alltäglichen Freundlichkeit, mit denen man anderen helfen kann.
  • Wish. Auch Wish ist eine Romanze. Die Romanze zwischen einem menschlichen Arzt und einem Engel – ein Engel, der explizit nicht-binär ist, sei dazu gesagt. Die moderne englische Version nutzt „they“ als Pronomen für den Engel. Davon abgesehen ist es eine einfache romantische Komödie. Mit Engeln und Dämonen.

Das heutige Beitragsbild wurde von Angelique Beauvrye zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!