Das Problem mit „White Feminsm“
Es ist Pride Month und es gäbe eigentlich viele positive Dinge, über die man schreiben könnte. Doch leider hat eine gewisse, weit bekannte Autorin aus Edinburgh dies leider zunichte gemacht. Daher gibt es diesen Monat noch einen Bonus-Beitrag zur Dekolonialisierung der Phantastik. Ein Beitrag, der leider eine wichtige Ergänzung zu denen der letzten zwei Monaten ist. Es geht um „White Feminism“.
Dieser Beitrag könnte für einige weiße Feminist*innen – auch jene, die nicht speziell Anhänger des radikalen „White Feminsm“ sind – hart zu lesen sein. Ich würde euch dennoch bitten, ihn euch in Ruhe zu Gemüte zu führen und darüber nachzudenken, inwieweit ihr etwaig kritisiertes Verhalten bei euch oder in eurem Umfeld schon bemerkt habt.
Disclaimer: Ich schreibe diesen Beitrag als eine nicht-binäre und queere, aber weiße Person. Das heißt, ich kann über bestimmte Erfahrungen nicht aus erster Hand berichten.
Was ist „White Feminism“?
Ich benutze den englischen „White Feminism“ statt „weißer Feminismus“, weil diese Wortgruppe in seiner Bedeutung mittlerweile klar definiert ist. Selbst „White Feminists“ bezeichnen sich in vielen Fällen selbst so, um sich von anderen Feminist*innen abzugrenzen.
„White Feminism“ ist eine Unterströmung des Feminismus – falls man aus heutiger Perspektive „White Feminism“ überhaupt noch als echten Feminismus bezeichnen will. Der zentrale Glaube, der „White Feminism“ ausmacht, ist, dass die Unterdrückung von Frauen die Wurzel allen Übels ist. Wie dies genau interpretiert wird, ist von weißer Feminist*in zu weißer Feminist*in unterschiedlich. Was es jedoch häufig mit sich bringt, ist, dass die Ziele von weißen Feminist*innen oft im direkten Konflikt mit den Zielen des intersektionalen Feminismus stehen.
In vielen Fällen halten „White Feminists“ dabei noch an den Idealen der Suffragettenbewegung aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert fest.
Obwohl ich mich normalerweise um eine neutrale Betrachtung politischer Orientierungen bemühe, werde ich dies in diesem Artikel nicht machen. „White Feminism“ ist in seiner Grundorientierung rassistisch und queerfeindlich und verbreitet oftmals Lügen, um dies aufrechterhalten zu können. Denn genau über diese Lügen will ich heute reden.
Die Rolle der weißen Frau im Kolonialismus
Zu diesen Lügen gehört es unter anderem, die Rolle der weißen Frau im Kolonialismus kleinzureden und in Darstellungen als Täterin zu minimieren. Und natürlich war die Kolonialzeit alles in allem eine Zeit, in der Frauen in vielen der europäischen Gesellschaften wenig Rechte hatten. Doch zu sagen, sie wären nur Opfer gewesen, verkennt einen wichtigen Teil der Geschichte.
Zum einen müssen wir anerkennen, dass es gerade im 19. und 20. Jahrhundert vermehrt in der britischen Gesellschaft wurde, dass es auch arbeitende Frauen gab. Und das hieß, sie nahmen teilweise Stellen auch in den merkantilen Unternehmen, wie der East India Company ein, die ihrerseits eine zentrale Rolle im britischen Kolonialismus spielten.
Zum anderen war da aber auch die Rolle gerade von Ehefrauen auf Plantagen. Denn es war vielerorts in den Kolonien so, dass nicht etwa der Plantagenbesitzer sich um die Führung der Plantage kümmerte, sondern seine Frau. Der Mann kümmerte sich um Einkäufe und Verkäufe. Die Rolle der Frau war die örtliche Verwaltung. Und in dieser Rolle waren oft auch weiße Frauen zentral an den Verbrechen der Sklaverei beteiligt. Sei es durch das Bestimmen von Strafen oder auch dadurch, dass sie ihre Machtposition nutzten, um Sklaven zu belästigen oder zu vergewaltigen – etwas, worüber wenig gesprochen wird.
Das heißt nicht, dass weiße Frauen nicht auch durch weiße Männer unterdrückt wurden, doch dies macht ihr weißes Privileg nicht weniger deutlich.
Die weiße Suffragettenbewegung
Geschichte ist manchmal eine zynische Angelegenheit. Dies wird einem besonders klar, wenn man sich mit den frühen Feministinnen beschäftigt: Den Suffragetten, die für das Wahlrecht für Frauen gekämpft haben. Diese Bewegung gilt – aus gutem Grund – als eine sehr weiße Bewegung und wird häufig auch als der Ursprung des „White Feminism“ gesehen. Doch die Ironie ist, dass sie es am Anfang nicht war.
Zu Beginn der Suffragettenbewegung in den USA, war diese eine Bewegung, die eng mit der abolitionistischen Bewegung (also der Bewegung zur Sklavenbefreiung) zusammenarbeitete. Zum Beispiel gehörte Frederick Douglass – eine der zentralen Figuren im Kampf um die Sklavenbefreiung – auch zu den Gründungsmitgliedern der Frauenbewegung. Dann aber kam der amerikanische Bürgerkrieg und endete 1865 damit, dass die Sklav*innen befreit wurden und schwarze Männer, aber weder schwarze, noch weiße Frauen das Wahlrecht bekamen.
Dies trieb einen Keil zwischen die nun entstehenden Bürgerrechtsbewegungen und die Suffragetten. Und dieser Keil sorgte dafür, dass vermehrt die Suffragettenbewegung gegen schwarze Menschen arbeitete oder sie zumindest gänzlich überging.
Weißheit als Waffe
Eine Sache darf nicht vergessen werden: Weißes Privileg ist ein enormes Privileg in einer Gesellschaft, die so massiv vom Kolonialismus und der damit einhergehenden Unterdrückung von allen, die nicht als weiß angesehen wurden, beeinflusst wurde.
Und das war ein Thema, das in den folgenden Jahren immer relevanter wurde. Denn die systematische Gewalt, die es bis heute gegenüber BI_PoC gibt – sowohl in den USA, als auch in so ziemlich jedem anderen Land – begann in diesem Stil sehr bald nach der gescheiterten Restauration Amerikas (Stichwort „Restauration Era“). Das hieß: Polizeigewalt, sowie vorschnelles Verurteilen von schwarzen Personen.
Es hieß aber auch, dass schwarze Personen häufiger Opfer von Gewalttaten werden konnten. Es gab immer wieder Vergewaltigungen von schwarzen Frauen durch weiße Männer, gegen die nichts unternommen wurde. Und auch weiße Frauen wurden zu Täterinnen, was besonders zynisch war. Denn egal, ob eine weiße Frau eine einvernehmliche Beziehung mit einem schwarzen Mann hatte, oder selbst Avancen machte, die abgelehnt wurden, so war das Ergebnis oft dasselbe: Wurde die Frau mit der verbotenen Beziehung (oder den Avancen) konfrontiert, so konnte sie, um ihre Ehre zu retten, sagen, der Mann hätte sie vergewaltigt. Obwohl Vergewaltigungen weißer Frauen durch schwarze Männer sehr selten waren, wurde dies schnell als Grund genommen, den Angeklagten zu verhaften oder gar zu lynchen.
Dies betraf vor allem schwarze Menschen und war so vor allem natürlich in den USA verbreitet. Es sollte jedoch auch angemerkt werden, dass andere nicht-weiße Menschen ebenfalls davon betroffen waren und sind.
„White Feminism“ und Rassismus
Springen wir aus der historischen Betrachtung in die nähere Vergangenheit und heutige Betrachtung, sehen wir noch immer viele derselben Probleme. Denn gerade aktuell sollte jeder sehen, dass wir ein großes Problem mit struktureller rassistischer Gewalt haben. Obwohl bis heute Fälle von sexueller Gewalt durch schwarze Männer an weißen Frauen aus dem gesellschaftlichen Machtunterschied heraus selten sind, ist in vielen stereotypisierten Mediendarstellungen der Täter schwarz oder zumindest nicht weiß. Dies sorgt dafür, dass unter und von weißen Frauen, auch weißen Feminist*innen die Angst vor diesen Tätern geschürt wird.
Gleichzeitig gibt es gerade im „White Feminism“ die Narrative, dass in verschiedenen nicht-weißen Kulturen Frauen prinzipiell unterdrückt werden. Das bekannteste Beispiel dafür sollte der Umgang mit muslimischen Menschen sein. Denn der Islam wird vom „White Feminism“ (anders als bspw. das Christentum) als eine inhärent sexistische/misogyne Religion wahrgenommen. Deshalb beteiligt sich dieser nicht selten an der Unterdrückung von Muslimen. Oft mit dem Ziel muslimische Männer, die vom „White Feminism“ eben durchgehend als misogyn angenommen werden, zu entmachten. Dabei wird nicht erkannt, dass Misogynie ein gesellschaftliches und kein Religiöses Problem ist. Ebenso wird nicht beachtet, dass anti-muslimische Propaganda muslimischen Frauen genau so schadet, wie muslimischen Männern.
Ebenso sei als grundlegendes Problem von „White Feminism“ und der Möglichkeit anti-rassistisch vorzugehen genannt, dass es Reflexion erfordern würde, wie Kimberly Christensen es in ihrem Essay zum Thema benannte. Reflexion dazu, inwieweit man selbst rassistisch handelt. Nicht nur im Sinne der bisher genannten Unterdrückungen, sondern auch im Sinne von täglichen Mikro-Aggressionen und den vielen verhältnismäßig kleinen Gesten, die BI_PoC schaden. Ebenso bräuchte es auch Reflexion darüber, inwieweit man selbst durch strukturellen Rassismus profitiert.
Aus diesen Gründen werden oftmals WoC auf weiß-feministischen Veranstaltungen auch ausgeschlossen oder fühlen sich nicht willkommen. Selbst bei Großveranstaltungen wie dem Women’s March werden die Stimmen weißer Frauen meistens in den Vordergrund gerückt. Fälle, wo sich Rassismus und Sexismus überschneiden, werden meist ignoriert.
White Feminism und LGBTQ*-Rechte
Auch gut im ignorieren – wenn es nicht gerade um weiße lesbische Frauen geht – ist der „White Feminism“, wenn es um die Unterdrückung von queeren Menschen geht. Zwar neigt der „White Feminism“ bis zu einem gewissen Grad dazu, LGB-Menschen (also lesbische, schwule und teilweise bi- oder pansexuelle Menschen) Willkommen zu heißen, jedoch kann nicht wirklich davon die Rede sein, dass man sich aktiv für diese einsetzt. LGB-Personen werden geduldet, aber nicht unterstützt.
Zu Konflikten kommt es derweil zwischen „White Feminism“ und trans, inter* und nicht-binären Menschen. Denn die meisten Strömungen des „White Feminism“ glauben sowohl an die Binärität der Geschlechter, als auch an Biologismus (also dass es ein eindeutiges, binäres, biologisch begründbares Geschlecht gibt). Dieser Biologismus geht laut diversen Politikforscher*innen nicht zuletzt auf den Kolonialismus zurück, der viel von seinen Ideologien auf vermeintlich biologischen und unumstößlichen Tatsachen aufbaute. In weißen feministischen Kreisen, wird vieles davon noch immer hochgehalten.
Dabei stellen diese radikalen Feminist*innen, die meistens aus dem „White Feminism“ kommen, trans Personen als eine Gefahr für den Feminismus dar, da sie das Konzept von Geschlechtern angeblich aufweichen würden. Laut radikalen Feminist*innen ist es nicht möglich für Frauenrechte zu kämpfen, solange trans Personen entsprechend ihres Geschlechtes anerkannt werden. Immerhin könnte ja, so diese radikalen Feminist*innen, jeder Vorgeben, trans zu sein, um bspw. Zugang zu Frauen vorbehaltenen Orten zu erlangen. Entsprechend gehen diese radikalen Feminist*innen teilweise sogar mit Gewalt (oder, in dem sie wie Rowling ihre massive soziale Macht nutzen) gegen trans Personen, vor allem aber trans Frauen vor.
White Feminism und Klassismus
Ein weiteres historisches Problem, dass „White Feminism“ hat, ist ein Problem mit Klassismus. Auch dieses ist vor allem aus der Grundlage der Suffragetten-Bewegung gewachsen, ist jedoch bis heute in der Bewegung spürbar.
Suffragetten waren vor allem Frauen aus der oberen Mittelschicht und Oberschicht, da diese die Zeit und die Mittel hatten, sich für diese Dinge einzusetzen. Das heißt weder, dass keine Frau aus unteren Schichten, daran beteiligt war, noch, dass es in den unteren Schichten weniger Interesse daran gab. Die entscheidende Frage des Aktivismus war am Ende wirklich die der Möglichkeiten, sich für diesen Einzusetzen.
Dies sorgt nur ebenfalls bis heute dafür, dass „White Feminism“, aber auch diverse andere Formen des Feminismus, sich schwer tun die Überschneidungen zwischen Klassismus und Sexismus zu sehen und wie Armut Sexismus verschlimmern kann. Beispiele, wie Frauen, die durch Armut dazu gezwungen sind, bei gewalttätigen oder missbrauchenden Partner*innen zu bleiben, werden oftmals außen vor gelassen, oder zumindest beschönigt. Ebenso wird gerne verkannt, dass viele Frauen aus finanziellen Gründen keine Wahl haben, bspw. in einem Job zu bleiben, in dem sie sexuell belästigt werden und teilweise auch gezwungen sind, Täter zu verteidigen. Von sozialistischen Bewegungen und anderen Gruppierungen, die mehr soziale Gerechtigkeit fordern wird sich oftmals ausdrücklich distanziert.
„White Feminism“ und Frauenrechte
Das alles bringt uns zu einem letzten Endes zum kritischsten aller Punkte am „White Feminism“: „White Feminism“ steht nur für die Rechte von einigen sehr, sehr wenigen Frauen ein. Und zwar weißer, wenigstens mittelständiger, nicht-behinderter, cis Frauen. Alle anderen Frauen werden entweder nicht beachtet, sie werden als Ausrede für etwaige Unterdrückung anderer verwendet oder es wird sogar aktiv gegen sie vorgegangen.
Letzteres merkt man zum einen am Umgang von „White Feminism“ mit trans Frauen, zum anderen auch beispielsweise am Umgang mit Themen, wie Sexarbeit. Denn gerade das ist etwas, das radikale Feminist*innen auf den Plan ruft. Frauen, die freiwillig in der Sexarbeit (egal ob nun als Prostituierte, Stripperinnen oder Pornodarstellerinnen) tätig sind ausgeschlossen und Sexarbeit verteufelt. Statt für Gesetze zu sein, die Sexarbeiter*innen absichern würden – sowohl sozial, als auch gegenüber ihren Kund*innen – sind viele dieser Feminist*innen einfach gegen Sexarbeit und für Gesetze, die es tatsächlich Sexarbeiter*innen schwerer machen.
Ein weniger extremes Beispiel kann jedoch auch schon in einfachen Dingen gesehen werden, wie Kleidungsfragen. Das klassischste Beispiel ist der Hijab, doch in weniger kulturell (und häufig rassistisch) geladenem Kontext gibt es auch andere Kleidungsstücke, wie Miniröcke, die Frauen – laut einigen radikal ausgerichteten Feminist*innen – nur tragen, weil sie von der Gesellschaft dazu erzogen und vom Patriarchat dazu gezwungen werden. Dass es Frauen (und nicht weibliche Personen) gibt, die ein solches Kleidungsstück tragen wollen, weil sie sich damit wohl fühlen, können sie sich nicht vorstellen. Daher gehen sie gegen den selbst wahrgenommenen Zwang vor, indem sie die Kleidungsstücke verbieten wollen. Dass ein Verbot dabei den Frauen nicht mehr, sondern weniger Freiheit gibt, sehen sie nicht.
Und genau dies ist auf viele Dinge übertragbar, wenn es um radikalen und eben oftmals auch den weißen Feminismus geht: Es werden Dinge verboten und es wird begrenzt, für wen man kämpft, anstatt inklusiv zu sein.
Annahmen des intersektionalen Feminismus
Wir sollten eine Sache natürlich deutlich sagen: Weder ist „White Feminism“ automatisch radikaler Feminismus, noch sind alle weißen Feminist*innen „White Feminists“. Es ist nur so, dass „White Feminism“ häufig aus einer kolonialen Perspektive heraus handelt und aus dieser heraus eher in die radikalen Gefilde strebt. Und ebenso kommt es immer wieder vor, dass weiße Feminist*innen, vor allem weiße, ablebodied cis Feminist*innen aufgrund von nicht-reflektierten Privilegien eher zum „White Feminism“ neigen.
Dem „White Feminism“ steht jedoch eine andere Art von Feminismus gegenüber: Der intersektionale Feminismus, in einigen Kreisen auch „Fourth Wave Feminism“ genannt. Intersektionaler Feminismus in seinem Grundsatz soll alle Frauen, unabhängig ihren körperlichen Eigenschaften, ihrer sexuellen Ausrichtung oder anderen Aspekten gleichermaßen respektieren und inkludieren.
Für viele geht intersektionaler Feminismus allerdings noch ein Stück weiter: Intersektionaler Feminismus erkennt an, dass viele Formen der gesellschaftlichen Diskriminierung aus derselben und nicht verschiedenen Quellen kommen und dass mehrfach marginalisierte Personen nicht zwangsläufig getrennte Formen der Diskriminierung, sondern zusammenhängende Mehrfachdiskriminierungen erleben.
In der weitesten Form geht intersektionaler Feminismus davon aus, dass das weiße Patriarchat der Ursprung der meisten Formen der Diskriminierung ist. Daher ist es im Sinne der Bewegung, sich mit anderen diskriminierten Gruppen zusammen zu schließen und für mehr Gleichberechtigung für alle zu kämpfen.
Für bessere Allyship
Sagen wir nun du bist weiß, cis, ablebodied und Feminist*in und möchtest verhindern, dieselben Fehler zu machen, die halt so mache*r „White Feminist“ macht. Du kennst dich aber vielleicht (noch) nicht so gut mit diesen intersektionalen Themen aus. Was kannst du also tun?
Nun, das erste und wichtigste ist erst einmal, Menschen, die marginalisiert sind, zuzuhören. Nicht nur anderen weißen cis ablebodied Frauen zuhören, wie sie über diese Themen sprechen, sondern den entsprechend betroffenen Menschen. (Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal anmerken: Ich bin weiß. Hört bezüglich Rassismus bitte vor allem von Rassismus auch betroffenen Menschen zu, nicht nur mir.) Wenn du etwas nicht weißt, suche außerdem erst einmal selbst danach. Gehe nicht davon aus, dass marginalisierte Menschen dazu verpflichtet sind, dir Diskriminierung zu erklären. Verstehe vor allem auch, dass es teilweise mental sehr anstrengend ist, über Diskriminierung zu sprechen, die man selbst erlebt hat und nicht jeder dies zu jeder Zeit kann oder möchte. Es gibt genug Webseiten und Blogs, die über diese Dinge berichten. Man muss sie nur suchen.
Höre außerdem mit „Whataboutism“ auf. Es können mehrere Gruppen gleichzeitig marginalisiert und diskriminiert sein – auf ähnliche oder auf sehr unterschiedliche Art. Die eine Diskriminierung macht eine andere Art nicht besser oder weniger relevant.
Erkläre nicht Menschen, die von einer Art der Diskriminierung betroffen sind, diese Diskriminierung und woher du meinst, dass diese kommt. Die meisten Betroffenen haben sich selbst sehr ausführlich damit auseinandergesetzt oder auseinandersetzen müssen. Akzeptiere außerdem, dass Diskriminierung immer ein gesellschaftlicher Prozess ist und nicht nur von Einzelpersonen ausgeht.
Reflektiere, welche Privilegien du selbst hast und wie du – auch wenn du es nicht willst – von der Diskriminierung anderer Menschen profitierst. Reflektiere außerdem, wo du – auch wenn es nicht beabsichtigt ist – dich diskriminierend verhältst. Wenn dir jemand sagt, dass er sich durch ein Verhalten von dir diskriminiert fühlt, dann versuche das nicht wegzuerklären, sondern reflektiere, warum dies der Fall ist und versuche dich zu bessern.
Wir leben alle in derselben normativen Gesellschaft. Viele von uns haben diskriminierendes Verhalten von klein auf gelernt, ohne es zu wissen. Und genau deswegen ist Reflexion wichtig. Gerade wenn wir für das gute kämpfen wollen.
Dekolonialer Feminismus
Es kann keine Gerechtigkeit auf gestohlenem Land geben. Das ist der Grund, warum so viele linke Bewegungen gerade in durch Kolonialismus geprägte oder sogar gegründete Länder wie den USA vermehrt Dekolonialisierung fordern. Deswegen ist in meinen Augen Dekolonialisierung so eine wichtige Grundlage für alles andere – egal ob soziale Gerechtigkeit, Frauenrechte, LGBTQ*-Rechte oder der Kampf gegen Rassismus.
Es gibt keine Möglichkeit für Frauenrechte zu kämpfen, die nicht intersektional ist. Denn wer nicht intersektional für Frauenrechte kämpft, kämpft immer nur für die Rechte einiger weniger Frauen. Und ist das wirklich das Ziel? Ist das wirklich, wofür man stehen möchte? Für das Ausschließen anderer Menschen?
In der „Dekolonialisierung der Phantastik“ Reihe, habe ich bereits dafür gesprochen, wie sehr Kolonialismus unser Denken beeinflusst hat, wenn es um Geschlechter und Sexualität geht, und wie er eine maßgebliche Ursache für Rassismus war. Intersektionaler Feminismus heißt daher auch, dass man sein Denken, seinen eigenen Geist dekolonialisieren muss, dass man sich von kolonialen Denkweisen lösen muss. Erst wenn dieses Denken besiegt ist, haben wir eine Chance, wirklich eine gleichberechtigte, gerechte Gesellschaft zu schaffen.
Quellen und weiterführende Texte:
- Kimberly Christensen: „With Whom Do You Believe Your Lot Is Cast?“ White Feminists and Racism
- Sophie Lewis: How British Feminism became Anti-Trans
- Ruth Frankenberg: Growing up White: Feminism, Racism and the Social Geography of Childhood
- Scene on Radio: Feminism in Black and White
- Chuck Barone: Bringing Classism Into The Race & Gender Picture
- Paris Lees: Ban Sex Work? Fuck Off, White Feminism
Seit 1995 erscheint das Fachaufsatz-Journal „Race, Gender & Class“, das viele Aufsätze beinhaltet, die sich mit hier angesprochenen Themen beschäftigen.
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